Protocol of the Session on November 19, 2009

Herr Präsident! Bürger des Landes! Abgeordnete des Landtages! DIE LINKE möchte, dass direkte Demokratie endlich auch auf Bundesebene eingeführt wird. Sie sagt – Zitat –, „die im

Grundgesetz verankerte repräsentative Demokratie (hat sich) bewährt.“ Zitatende. Was ist das für eine linkische Logik? Politik hat die Aufgabe, eine Not im Interesse der Regierten zu wenden. DIE LINKE möchte aber eine Wende ohne Not. Bewährtes soll nicht mehr bewahrt werden, denn die direkte Demokratie ist die Aufhebung des Bewährten, ihr direktes Gegenteil, weil das System reduzierter Entscheidungsträger in Form des Parlamentarismus durch die Herrschaft der Volksentscheidung in Sachfragen ersetzt wird.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ein Pseudophilosoph! – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Direkte Demokratie, was heißt das überhaupt? „Demokratie“ ist das griechische Wort für „Volksherrschaft“. Und die Griechen kannten sich aus.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Entweder das Volk herrscht, dann war das Demokratie, oder es herrschte nicht, das heißt, es bestimmte nicht, wie in welcher Sache zu verfahren sei, dann war das keine Demokratie. Und auch dafür hatten die Griechen Worte, klare Worte, denn damals galt Philosophie noch mehr als ein Korb voller Brot. Wenn mir die etablierten Abgeordneten, die keine Bürger des Landes mehr sein wollen, das nicht glauben, fragen Sie SPD-Landtagsabgeordneten Mathias Brodkorb.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Was nicht Demokratie war, das konnte Diktatur sein oder Timokratie, die Herrschaft eines Kriegsfürsten – im NATO-besetzten Afghanistan heißen sie Warlords –, oder Tyrannis, etwa die Willkürherrschaft eines Josef Dschugaschwili, genannt Stalin, aber auch Plutokratie, die Regierung durch Geld und Bankleute – ich denke da an die Macht der in privater Hand befindlichen Federal Reserve Bank in den USA – oder Aristokratie, die Herrschaft einer erblichen Oberschicht wie etwa die der Senatoren im alten Rom, oder Theokratrie, die Herrschaft einer Priesterschaft wie etwa im katholischen Kirchenstaat bis 1870 in Italien. Noch mehr gefällig?

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: In Ihrem Falle liegt Schizophrenie vor.)

Was ist das für ein Begriff, „direkte Demokratie“? Demokratie ist weder direkt noch indirekt, sondern entweder Demokratie oder nicht Demokratie.

Bürger, wer die Verlogenheit eines politischen Systems und damit das System selbst überwinden will, wird das nicht mit Baseballschlägern oder Banküberfällen im Sinne eines Josef Stalin schaffen. Wer ein System überwinden will, muss zuerst die Sprache des Systems überwinden, alles andere folgt daraus.

Die Systempartei LINKE nutzt den Systembegriff „direkte Demokratie“, um ihn gegen den Begriff der „repräsentativen Demokratie“ abzugrenzen. Repräsentative Demokratie ist genauso ein Unding wie repräsentative Tyrannei oder atheistische Theokratie.

Bürger, schaut in die Geschichte dieser Demokratie! Wie viele Volksabstimmungen gab es in der BRD zur entscheidenden Weichenstellung? Wurdet ihr bei der Einführung des Euro gefragt? Wurdet ihr beim Vertrag von Lissabon gefragt? Werdet ihr gefragt, wenn jedes Jahr Milliarden eurer Steuergroschen an die Brüsseler Bürokraten überwiesen werden? Nee!

Schauen wir doch einmal in die Zeit der Weimarer Verfassung, da gab es Volksabstimmungen. Selbst unter der Regierung Adolf Hitlers wurden Volksabstimmungen abgehalten, etwa beim Eintritt seiner Heimat Österreich in das Deutsche Reich im Frühjahr 1938.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und dann kam Ihre Mutterpartei. – Zurufe von Wolfgang Griese, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Insgesamt wurden seit 1933 drei Volksabstimmungen im Reichsgebiet durchgeführt. War dann der real existierende Nationalsozialismus an der Macht etwa demokratische Diktatur?

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Nein, das war Faschismus pur.)

Also, linkische LINKE, träumen Sie weiter vom Platz an der Sonne in der BRD! Scheint die Sonne noch so schön, einmal muss sie untergehn,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja ja, bei Ihnen ist sie schon lange untergegangen. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

ebenso dieses absurde System.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich beim Abgeordneten Herrn Dankert bedanken, der aus meiner Sicht noch einmal deutlich gemacht hat, dass es selbstverständlich nicht nur darum geht, etwas zu wollen, sondern auch für Mehrheiten zu sorgen. Ich bin aber, und das sage ich ganz offen, davon ausgegangen, und das habe ich versucht, in meiner Einbringungsrede darzustellen, dass es mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland eine Mehrheit dafür gibt, auch in den Parteien, die dafür eintritt, dass die Elemente der direkten Demokratie im Grundgesetz verankert werden sollen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir hoffen ja auf die Bayern im Bundestag. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wer hätte das mal gedacht? – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aber die können sich auch nicht durchsetzen.)

Denn ich hatte vorhin ganz deutlich gesagt und zitiert, dass der Bundestagsabgeordnete nach der Debatte im Bundestag darauf hingewiesen hat, dass er dafür sei, diese Elemente einzuführen, aber leider die Zeit nicht gereicht hat.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Und das finde ich schon sehr merkwürdig. Es ist gut, dass es in dieser Debatte noch mal herausgearbeitet worden ist, aber das war scheinbar eine Ausrede von Abgeordneten der CDU/CSU, denn offensichtlich haben sie zu keiner Zeit ernsthaft darüber nachgedacht, diese Fragen der Einführung in das Grundgesetz wirklich ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Ich sage Ihnen, ich denke schon, dass es Handlungsmöglichkeiten gibt. Wir werden immer wieder nach und nach diese Frage auf die Tagesordnung hier im Land

tag setzen, weil wir sehr daran interessiert sind, dass wir diesbezüglich gemeinsam in der Gesellschaft eine Diskussion führen.

In Richtung FDP kann ich nur sagen, in dem Koalitionsvertrag stehen so viele Prüfaufträge.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Prüfaufträge über Prüfaufträge! Aber diesbezüglich steht gar nichts drin. Das wäre ja zumindest etwas gewesen, wenn man sich dazu verständigt hätte, welche Möglichkeiten es auf Bundesebene gibt zu Fragen der Einführung von Elementen direkter Demokratie. Dann hätte ich ja noch gesagt: Okay, das kennen wir ja von den Koalitionsverhandlungen. Wenn man sich nicht verständigt, dann sucht man diesen Weg. Aber nichts ist diesbezüglich drin, kein Wort. Sie stellen sich noch hin und sagen, in diesem Koalitionsvertrag ist mehr FDP drin als CDU/ CSU. Ich kann dazu nur sagen, diesbezüglich ist scheinbar gar nichts drin von der FDP. Dies herauszuarbeiten, ist ganz wichtig, glaube ich. Denn Sie sagen uns hier immer, Sie sind diejenigen, die die direkte Demokratie hier verteidigen und die Bürgerrechte stärken wollen.

(Michael Roolf, FDP: Deshalb hat Herr Leonhard auch gesagt, wir wollen das im Ausschuss diskutieren.)

Ich will hier in Bezug auf die Quoren noch einmal deutlich sagen, das muss man sich doch wirklich noch mal ganz genau angucken, worüber wir reden, und zwar über die einzelnen Elemente.

(Vincent Kokert, CDU: Das stimmt.)

Ich finde schon, dass es wert ist, sich darüber mal zu verständigen, unter welchem Gesichtspunkt man welches Quorum einführen sollte.

(Gino Leonhard, FDP: Ja, dann lassen Sie uns darüber verständigen.)

Ich glaube schon, dass bei Volksinitiativen die Quoren niedriger sein sollten als bei Volksentscheiden. Aber darüber kann man reden, wenn man mal einen Antrag überweist. Aber das tun Sie ja, wie gehabt, nicht.

In Richtung CDU sei angemerkt, ich glaube, es war Herr Köhler, der im Zusammenhang mit 60 Jahre Grundgesetz ganz deutlich eingefordert hat, dass wir diesbezüglich das Grundgesetz weiterentwickeln und die Bürgerinnen und Bürger beteiligen müssen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das hat er nur mal so gesagt.)

Das hat er vielleicht auch nur so gesagt. Aber ich gehe schon davon aus, dass er vielleicht doch ein Interesse daran hat.

Auch daran sei erinnert: Immer dann, wenn wir uns nach den Wahlen darüber beschweren, wie wenig Bürgerinnen und Bürger noch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, dann reden wir über die Politikverdrossenheit. Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mehr einbeziehen in unsere Entscheidungen, dass es uns dann auch gelingt, sie wieder dazu zu gewinnen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Was die Komplexität der Fragen betrifft, natürlich sind bestimmte Fragen, die wir zu entscheiden haben, insbesondere auf Bundesebene, kompliziert. Aber dass wir den Bürgerinnen und Bürgern und uns selbst gemeinsam nicht zutrauen, den Bürgerinnen und Bürgern diese

Komplexität darzustellen, das Für und Wider darzustellen, um sie für die eine oder andere Position zu gewinnen, ist aus meiner Sicht ein sehr, sehr schlechtes und armes Zeugnis für uns Politikerinnen und Politiker.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Dazu sage ich ganz deutlich, wenn man das will, bedeutet das auch, dass wir uns mit unseren politischen Ansätzen ernsthafter beschäftigen müssen und nicht einfach nur dem gesellschaftlichen Mainstream verfallen, so nach dem Motto: „ Das ist modern, dem laufen wir nach.“ Nein, wir müssen unsere Argumente besser ausgestalten. Wir müssen uns fitter machen. Wir müssen uns mit außerparlamentarischen Gremien und Initiativen auseinandersetzen, die sehr wohl aus ihrer Arbeit eigene Erfahrungen haben, und nicht über die Diktatur der Mehrheit sagen, das machen wir jetzt so, basta. Nein, ich finde schon, dass wir diesbezüglich den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte auf Bundesebene einräumen sollten. Dafür sollten wir gemeinsam streiten.

Und wenn man sich dann noch genau anguckt, inwieweit das auf europäischer Ebene laufen soll, dann ist doch die große Frage, wie wir das umsetzen wollen.

(Reinhard Dankert, SPD: Was denken Sie überhaupt, was wir außerhalb des Hauses hier tun?)

Sie waren diejenigen, ich habe das in der Debatte auch gesagt, die gesagt haben, wir werden durch Bürgerrechte auf der europäische Ebene dieses Element haben, dass Bürgerinnen und Bürger, wenn eine Million Einwohner der Europäischen Union für ein ganz bestimmtes politisches Ziel streiten wollen und ihre Unterschriften dafür geben, dann werden wir das auch umsetzen. Da gelingt es uns, die Komplexität darzustellen, wozu wir hier im Landtag kaum in der Lage sind, über Europa hinweg hier bestimmte Fragen zu diskutieren. Das wage ich aber doch sehr zu bezweifeln.

In diesem Sinne frage ich mich: Wann wollen wir gemeinsam dafür streiten, dass die Bürger mehr Rechte bekommen im Sinne des Grundgesetzes, also im Grundgesetz? Wann wollen wir gemeinsam dafür auf Bundesebene streiten? – Danke schön.