Protocol of the Session on October 22, 2009

Es ist eine trügerische Vorstellung von Sicherheit, wenn CDU und FDP immer wieder davon reden, dass der Prozess beherrschbar sei. Weder die Technik noch die Menschen, die sie steuern und überwachen, sind unfehlbar. Eine Sicherheitsgarantie kann die neue Koalition nicht übernehmen. Und da das so ist, ist eine Laufzeitverlängerung verantwortungslos.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Zweitens ist das auf absehbare Zeit unlösbare Problem die Entsorgung atomarer Abfälle. Im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung verweisen beide zukünftigen Koalitionäre sehr gern auf die Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen. Dass die Atomindustrie allerdings mit dem strahlenden Abfall den nachfolgenden Generationen eine noch viel gefährlichere Hypothek überlässt,

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

spielt offensichtlich keine Rolle. Sie handelt nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut!“

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Sehr richtig. Sehr richtig. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Weil wir zukunftsgewandt sind.)

Aufgabe der Politik ist es, solch einem verantwortungslosen Handeln Einhalt zu gebieten.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Tut sie es nicht, macht sie sich zum Handlanger dieser Hasardeure.

Durch die Presse gingen vor wenigen Tagen Meldungen, nach denen Französische und Deutsche Atommüll nach Russland verschickt haben. Das deutsche Umweltministerium hat dies zwar dementiert, allein mir fehlt der Glaube, da es Fotografien gibt, dass mit deutscher Aufschrift entsprechende Behältnisse dort angekommen sind. Deutschland hat kein Endlager und ich halte es auch für ausgeschlossen, dass Gorleben eins werden wird.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das war nur Amtshilfe.)

Selbst die bayerische CDU, totale Verfechterin der Kernenergie, eine der vehementesten Befürworterinnen der Atomkraftwerke, schließt ein Endlager in Bayern konsequent aus. Sibirien ist groß und weit genug.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Afrika geht auch. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Was kümmert’s uns, welche Schäden an Mensch und Natur dort angerichtet werden?!

Für DIE LINKE ist eine solche Haltung auch in Zukunft nicht zu akzeptieren.

(Egbert Liskow, CDU: Aber damals war sie es.)

Allein das ungelöste Entsorgungsproblem verbietet eine Diskussion über Laufzeitverlängerungen. Dort hatten Sie recht.

Drittens. Auch Uran ist ein Element, das endlich ist und nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Dazu kommt, dass Deutschland zu 100 Prozent von Uranimporten abhängig ist.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir beziehen es zum Beispiel aus Kanada, Kasachstan und Russland. Gehören nicht zumindest Kasachstan und Russland zu den Energierohstofflieferanten, von denen sich Deutschland unabhängig machen will? Das kann doch nicht nur bei Erdgas zutreffen.

Viertens. Ein wichtiges Argument der Befürworter von Laufzeitverlängerungen ist die Versorgungssicherheit,

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

die ohne die Atomkraftwerke gefährdet ist.

(Michael Roolf, FDP: Genau.)

2007 lagen vier Atomkraftwerke gleichzeitig wegen Sicherheitsmängeln über längere Zeiträume, über Monate, still,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Deutsche etwa?!)

ohne dass es Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit gegeben hat.

(Udo Pastörs, NPD: Weil andere Atomkraftwerke eingesprungen sind, aus Frankreich zum Beispiel.)

Das stimmt nicht.

Kompensiert wurde der Ausfall durch einen deutlich höheren Anteil von erneuerbaren Energien.

(Udo Pastörs, NPD: Das stimmt nicht.)

Und das stimmt.

Die Stromerzeugung aus Atomkraftwerken, und das hat sich nicht nur 2007 gezeigt, ist aus Systemsicherheit mit erheblichen Ausfallrisiken verbunden. Bereits bei kleinen Störanfällen in einem Atomkraftwerk müssen weitere zur Überprüfung stillgelegt werden. Somit ist auch das Risiko, dass kurzfristig größere Kraftwerkskapazitäten vom Netz genommen werden müssen, bei Atomkraftwerken größer als bei anderen Stromerzeugungstechnologien.

(Egbert Liskow, CDU: Wir haben eine Versorgungssicherheit von über 80 Prozent. Ich weiß gar nicht, was Sie da quatschen!)

Die Störanfälligkeit wird bei Laufzeitverlängerung infolge des zunehmenden Alters der Anlagen garantiert zunehmen.

Fünftens. Die Eigentümer der deutschen Atomkraftwerke verfügen über Anteile von 85 Prozent an der Stromerzeugung. Dass das für den Wettbewerb und damit für den Verbraucher nicht gut ist, haben inzwischen auch Teile der CDU und FDP begriffen. Sinnvoll wäre es, insbesondere dezentralen kommunalen und regionalen Erzeugungs- und Versorgungsunternehmen eine Chance einzuräumen. Gerade diese legen ihren Schwerpunkt auf die Nutzung erneuerbarer Energien und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, die bei Kernreaktoren, Herr Liskow, nicht möglich ist.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Es liegt in der Natur der Sache, dass die vier Großen kein Interesse daran haben, weitere Anbieter auf den Markt zu lassen. Die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken wird die Struktur der Energieerzeugung ausgehend von zentralen Kraftwerken mit Stromübertragung über weite Strecken weiter zementieren. Das behindert auch die so notwendige Effizienzrevolution. Verluste werden immer größer, je weiter der Weg vom Erzeuger zum Abnehmer ist. Das mit dem spezifischen Widerstand haben wir ja schon in der Schule gelernt. Auch deshalb müssen dezentrale Strukturen her.

Es ist doch auch völlig klar, wenn Atomstrom produziert wird, soll er auch verkauft werden. Soll die Pflicht aus dem EEG, Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig ins Netz zu speisen, weiter Bestand haben, müssen die Netze mit hohem Kostenaufwand ausgebaut werden. Atomkraftwerke und erneuerbare Energien sind im Systemverbund nicht kompatibel.

(Vincent Kokert, CDU: Warum das denn nicht? Das können Sie mal technisch erläutern, woran das wohl liegen mag. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ja, darauf komme ich gleich. Das erzähle ich Ihnen gerne.

(Vincent Kokert, CDU: Da bin ich sehr gespannt.)

Bei einem großen Angebot zum Beispiel von Windstrom können Atomkraftwerke anders als Gaskraftwerke nicht schnell genug heruntergeladen werden.

(Egbert Liskow, CDU: Genau verkehrt, genau verkehrt. Genau falschrum. – Vincent Kokert, CDU: Technisch totaler Quatsch! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich habe heute auch „Die Welt“ gelesen, da können Sie es nachlesen, da steht das in der Tat drin, dass es Menschen wie mich gibt, die irgendwas nachplappern würden.

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

Ich sage Ihnen aber, dass die alten Atomkraftwerke riesige Zeiten benötigen, um dieses zu kompensieren.

(Udo Pastörs, NPD: Wir sprechen nicht von alten Atomkraftwerken, sondern von modernen. – Egbert Liskow, CDU: Von modernen!)

Ich komme zum Schluss: Die Verlängerung von Laufzeiten von Atomkraftwerken blockieren aus unserer Sicht dringend nötige Energiewenden und müssen deshalb verhindert werden. Die Fraktion DIE LINKE sagt klar und unwiderruflich Nein zum Ausstieg vom Ausstieg der Kernenergie.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Udo Pastörs, NPD: Viel zu subjektiv.)

Danke, Herr Griese.