Protocol of the Session on December 6, 2006

Ein vierter Aspekt, den ich einbringen möchte, ist die Sicht der Kommunen. Es gab Programme in Mecklenburg-Vorpommern, die nannten sich Revitalisierung der Innenstädte. Ich kann mich noch gut erinnern, Herr Rühs, als Neubrandenburg vor einigen Jahren schwarz gefl aggt war, weil die Innenstadt tatsächlich verödete und auszusterben drohte. Wir sind uns sicherlich weitestgehend darüber einig, dass es darum geht, auch die Innenstädte am Leben zu erhalten. Wenn jedoch mit der Erweiterung der Ladenöffnungszeiten die Gefahr besteht, dass die inhabergeführten Geschäfte von Insolvenz betroffen sind, weil die großen den Wettbewerbsdruck so aufbauen, dann frage ich mich, wie eine Revitalisierung der Innenstädte zukünftig betrieben werden soll. Es stellt sich natürlich auch die Frage – und das ist auch ein Problem, welches wir in der Ausschussberatung ansprechen werden –, wie die Einzelhandelskonzepte der Kommunen unter der Veränderung der Ladenöffnungszeiten zukünftig funktionieren sollen.

Und fünftens, Herr Seidel, gibt es natürlich zu Recht eine Perspektive des Landes, das ist ganz klar, das hat auch etwas mit unserem Tourismus zu tun und damit, dass wir hoffentlich alle gemeinsam dieses Feld entwickeln wollen. Ich war immer für die Bäderregelung und bin auch nach wie vor für die Bäderregelung. Mit diesem Gesetzesvorhaben müssen wir diese Bäderregelung tatsächlich auf juristisch stabile Füße stellen. Da wird es, glaube ich, auch keinen Dissens geben. Die Frage ist aber, das haben Sie, Herr Roolf, an den Beispielen Rügen, Rostock und anderen Städten sehr deutlich gemacht, ob wir tatsächlich eine kommunale Verantwortung, wie Sie sie haben wollen – ich bin dagegen –, in das Gesetz einbauen oder ob wir ausgehend von der bisherigen Bäderregelung für die touristischen Städte und Gemeinden eine solche Öffnungsmöglichkeit eröffnen. Ich kann mir nicht vorstellen, Frau Fiedler-Wilhelm, dass in Torgelow oder Ueckermünde durch eine Veränderung dieses Gesetzes mehr umgesetzt wird, weil die Kaufkraft dort nicht da ist.

(Beate Schlupp, CDU: Dann fahren die Leute nach Stettin, weil da die Geschäfte bis 22.00 Uhr geöffnet sind.)

Meinen Sie nicht, Frau Schlupp, dass diejenigen, die heute nach Szczecin fahren, auch dann weiterhin nach Szczecin fahren werden?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Doch, das ist genau der richtige Begriff.

(Raimund Borrmann, NPD: Warum sagen Sie nicht Moskwa?)

Weil es im Deutschen Moskau heißt und im Russischen heißt es Maskwa. So weit müssen wir es schon einmal exakt aussprechen.

Aber es geht doch eigentlich darum, dass die touristi

schen Städte und Gemeinden davon profi tieren sollen. Dafür bin ich. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir hier verschiedene Dinge in Übereinstimmung bringen müssen. Wir sollten also nach meiner Auffassung in der Ausschussberatung nicht nur darüber diskutieren, was eine Öffnung mit sich bringt, sondern dass wir die Werte, ausgehend von dem Buch der Bücher, des Menschseins in den Mittelpunkt stellen und daraus unsere Konsequenzen ableiten. Deswegen wird sich meine Fraktion an der Ausgestaltung der Ladenöffnungszeiten in Mecklenburg-Vorpommern beteiligen. Wir wollen aber die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Einzelhändlerinnen und Einzelhändler, der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Kommunen mit den Absichten des Landes in Übereinstimmung bringen. Wir bitten, die Gesetzentwürfe nicht nur in die vorgesehenen Ausschüsse, sondern auch in den Sozialausschuss zu überweisen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Erinnern Sie sich bitte, es geht um mehr, als nur das Türschild auszuwechseln. Es ist heute Nikolaus und Bischof Nikolaus hatte ein Herz für die Kinder. Wir sollten auch bei den Ladenöffnungszeiten an die Kinder denken. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS, Rudolf Borchert, SPD, und Sebastian Ratjen, FDP)

Danke schön, Herr Holter.

Das Wort hat jetzt der Wirtschaftsminister Herr Seidel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig, das gebe ich zu, wenn Herr Holter hier mit der Bibel agiert. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, wo das mit Bibel und Religion Opium für das Volk war. Aber wir lernen alle dazu. Von daher gesehen soll man sich darüber auch freuen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Genau. Vielleicht bringen Sie dann das Manifest mit.)

Ich möchte zunächst einmal zu diesem Thema kurz ausführen, worüber wir überhaupt reden. In MecklenburgVorpommern gibt es eine Verkaufsfl äche von 2,4 Millionen Quadratk..., Quadratmetern.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Ja, bevor Sie lachen, immer erst abwarten.

Wir haben an die 5.000 Unternehmen, das wurde schon gesagt, und fast 50.000 Beschäftigte. Wir haben eine relativ hohe Verkaufsfl äche hier im Lande, sie liegt etwas über dem Durchschnitt in Deutschland aufgrund von bekannten Entwicklungen. Insofern muss man natürlich sagen, auch wenn man die Binnenmarktsituation beobachtet, Stichwort Bevölkerungsentwicklung, und die Bedeutung des Tourismus für den Handel herausstellt, haben natürlich Ladenöffnungszeiten schon eine erhebliche Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Bereich. Man muss eben sehen, es ist eine Frage von staatlicher Regulierung, und wir wollen ja, dass es zukünftig weniger staatliche Regulierungen gibt. Allerdings – da unterscheiden wir uns jetzt doch ein bisschen, Herr Roolf, ich werde darauf noch mal zurückkommen – muss das Ganze natürlich irgendwo in einem bestimmten Rahmen bleiben.

Es wurde schon erwähnt, die Föderalismusreform macht es möglich, Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 Grundgesetz ist geändert und dadurch haben die Länder jetzt wirklich die Möglichkeit, hier Regelungen zum bestehenden Ladenschlussgesetz, was übrigens in diesem Jahr 50 Jahre alt ist, zu treffen. Es ist schon spannend, das spricht eigentlich für die Länder, dass eine Geschichte, die 50 Jahre lang nicht zu regulieren oder zu ändern war, jetzt, nachdem die Länder die Verantwortung haben, doch ganz schnell in Deutschland geändert wird.

Nun muss ich Herrn Roolf ein bisschen enttäuschen. Das mit der konservativsten Regelung in MecklenburgVorpommern – ich werde zu diesem Gesetzentwurf noch etwas sagen –, das stimmt nicht. Wenn Sie sich die Tourismusländer anschauen, Bayern hat ja zumindest erst einmal die Absicht bekundet, gar nichts zu ändern, dann muss man natürlich sehen, dass Bayern von der Masse her immer noch das größte Tourismusland ist.

(Hans Kreher, FDP: Und das soll ein Beispiel sein?!)

Na ja, sagen wir es mal so, wir wollen es zumindest nicht einfach unter den Tisch kehren.

Insofern darf man hier nicht solche Feststellungen treffen, die nicht so einfach aufrechtzuerhalten sind.

Meine Damen und Herren, richtig ist sicherlich, dass der Spielraum, den die gegenwärtige gesetzliche Regelung sowohl Verbraucherinnen und Verbrauchern als auch Unternehmern gibt, nicht ausreicht, um wirklich Handel betreiben zu können. Es ist auch richtig, dass wir uns natürlich als Urlaubsland ganz besonders dieser Frage zuwenden müssen, was den Wettbewerb betrifft.

Ich möchte die Grundsätze noch einmal kurz darstellen: Neben der Regelung für die Wochentage, also die berühmte 6-mal-24-Stunden-Regel, streben SPD- und CDU-Fraktion an, dass es auch weiterhin eine Bäder- und Fremdenverkehrsregelung geben soll. Sie soll ja dann das möglich machen, was Herr Roolf hier für Rügen angekündigt hat, nämlich die Öffnung an den Sonn- und Feiertagen, aber auch um einen größtmöglichen Schutz an Sonn- und Feiertagen zu gewährleisten. Grundlage für die zukünftige Bäder- und Fremdenverkehrsregelung ist der Paragraf 9 des Gesetzentwurfes. Danach kann das Ministerium durch eine entsprechende Rechtsverordnung festlegen, dass abweichend von Paragraf 3 Verkaufsstellen geöffnet werden können.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns klar dazu bekennen, dass die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers vor dem Hintergrund der Sonn- und Feiertagsruhe auch eingeschränkt ist. Deswegen gibt es Regelungen in dem Entwurf von SPD und CDU, die die Offenhaltung am Sonn- und Feiertag von acht Stunden nicht überschreiten lassen und auch Rücksicht auf die Zeit des Hauptgottesdienstes nehmen.

Ich möchte noch einmal deutlich sagen, wir nehmen das sehr ernst, dass es tatsächlich einen Sonn- und Feiertagsschutz geben soll. Hierzu kann man eine Menge ethischer, aber auch familienpolitischer Gründe anführen. Das ist völlig richtig und dem stimme ich ausdrücklich zu. Allerdings muss ich sagen, dass ich viele Länder dieser Welt kenne, wo die Familien viel größer sind als in Deutschland, die keinen Ladenschluss haben. Man muss das Ganze wirklich im Kontext besprechen, ohne in irgendeiner Weise vorgeprägt zu sein.

Meine Damen und Herren, was mir bei dem FDP-Entwurf

auffällt, ich möchte noch einmal darauf eingehen, das ist auch bereits erwähnt worden, ist die Ermächtigung der Gemeinden, mittels Satzung die Öffnungszeiten festzulegen. Das muss man sich natürlich auf der Zunge zergehen lassen. Ich stelle mir das schon ein bisschen witzig vor.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Da stimme ich Ihnen zu, Herr Seidel.)

Nehmen wir mal an – das ist nicht die Realität –, man hätte vielleicht in Bentwisch einen FDP-Bürgermeister und, was ich mir einmal wünschen würde, in Rostock einen Christdemokraten, dann kann ich mir vorstellen, dass das eine schwierige Situation werden wird.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das wird schwer! Das wird schwer!)

Ja, aber ich möchte auch einmal Wünsche äußern.

(Reinhard Dankert, SPD: Es ist ja bald Weih- nachten, da kann man auch mal Wünsche äußern.)

Ich denke, insofern kann uns nicht daran gelegen sein, hier in Mecklenburg-Vorpommern eine bunte Landschaft zu erzeugen, die dann unüberschaubar ist. Ich glaube, dass diese Regelung zu weit geht.

Es ist auch so, dass, was die Sonn- und Feiertage anbelangt, Verfassungsrecht zu beachten ist. Wir können die Dinge also nicht frei schwebend organisieren. Auch das muss man natürlich sagen. Ich gebe zu, dass ich ein bisschen mutiger an die Geschichte herangehe, denn ich habe auch einmal geglaubt, man könnte das mit dem Sonn- und Feiertagsgesetz mal eben schnell regeln. Aber wie es immer so ist, wenn die Juristen das Sagen haben, dann wird man wieder etwas klüger. Es macht auch keinen Sinn, wenn wir in eine Regelung hineinlaufen, die dann vielleicht beklagt wird, und wir am Ende nicht das bekommen, was wir wirklich haben wollen.

(Beifall Marc Reinhardt, CDU, und Jörg Vierkant, CDU)

Meine Damen und Herren, was mir am FDP-Entwurf auffällt, ich möchte es wenigstens einmal ansprechen, ist, dass Sie zum Beispiel bei den Tankstellen keine Sortimentsbeschränkung haben. Gut, man kann das wollen, dass die Tankstelle noch mehr zum Supermarkt wird, sie agiert jetzt ohnehin schon so. Sie lassen offen, welche Stelle den Notdienst und die Nachtöffnung in den Apotheken sicherstellen soll, und Sie grenzen auch nicht das Warensortiment in den Apotheken ein. Sie müssen sich einmal überlegen, dann kann eine Apotheke unter Umständen ja auch mit Möbeln handeln. Das sind alles Dinge, die man schnell einmal so hinschreibt, die aber in der rechtlichen Konsequenz überlegt werden müssen.

Der Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU beschränkt sich nach meiner Auffassung auf das Maß, was an Regelung erforderlich ist. Wir stellen auch den Umsatz nicht völlig über die Arbeitnehmerinteressen. Das ist, glaube ich, in dem Gesetzentwurf vernünftig geregelt.

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Wenn wir sagen, 6 mal 24 Stunden, dann bedeutet es nicht – auch das muss man noch einmal ganz klar sagen –, dass die Geschäfte jetzt in Mecklenburg-Vorpommern fl ächendeckend rund um die Uhr geöffnet werden müssen. Es ist ein Angebot, was mit Sicherheit in vielen Orten gar nicht angenommen wird, darüber bin ich mir völlig

im Klaren. Es bietet für Kaufl eute die Möglichkeit, sich über die jeweiligen Öffnungszeiten zu verständigen, und es ist eine Chance, sich am Markt entsprechend zu präsentieren.

Ein wichtiges Element des Gesetzes, das sagte ich bereits, stellen die Arbeitsschutzregelungen dar. In Paragraf 7 Absatz 1 wird auf die wesentlichen Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes des Bundes verwiesen und hierdurch haben wir auch eine Gleichstellung der Beschäftigten im Einzelhandel mit denen anderer Bereiche.

Meine Damen und Herren, wir haben, weil wir eben nicht generell wollen, dass sonntags grundsätzlich geöffnet wird, wie man das in der Juristerei sagt, natürlich Ausnahmeregelungen festlegen müssen. Hierzu gibt es unterschiedliche Vorschläge. Der Entwurf sieht zumindest erst einmal acht freie Sonntage vor. Darüber muss man reden. Es gibt in den Ländern ganz unterschiedliche Regelungen. Wir haben die Bäderregelung, die nach wie vor existieren soll, die aber mit diesem Gesetzentwurf auf eine rechtliche Grundlage gestellt wird. Das war ja bisher immer etwas problematisch.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal darauf eingehen, dass diese Bäderregelung für uns nicht nur schlechthin deswegen wichtig ist, weil wir ein Tourismusland sind, sondern weil der Tourismus heute immer stärker dazu übergeht, dass die Zeiten des Aufenthaltes in einem touristisch orientierten Land kürzer werden. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern eine Aufenthaltsdauer im Durchschnitt von vier bis fünf Tagen. Das heißt, dass der Wochenendtourismus durch unsere besondere Lage zwischen Berlin und Hamburg bei uns eine große Rolle spielt. Da das Wochenende natürlich auch den Sonntag einschließt, ist es schon wichtig, dass man hier die Möglichkeit des Shoppings, wie man es heute sagt, hat. Insofern geht es darum, dass der Staat nicht mehr vorschreibt, als unbedingt erforderlich ist, damit wir uns im Wettbewerb der Länder entsprechend etablieren.

Ich denke, meine Damen und Herren, dass Sie damit eine gute Grundlage haben, die Diskussion zu führen. Meine Bitte wäre nur, dass Sie sie so führen, dass wir rechtzeitig, sagen wir mal zum Frühjahr, zu einer Regelung kommen. Ich glaube, es ist wirklich wichtig, dass wir mit einer liberaleren Regelung in die Saison gehen, als wir sie heute haben, die auch die besonderen Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigt. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.