Es ist meiner Fraktion sehr wohl bewusst, dass wir als Landtagsabgeordnete die Interessen des Landes zu verstehen und zu vertreten haben. Aber, Herr Caffier, was ich dabei nicht verstehe: Ich finde es ziemlich abgehoben, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, als Vertreter des Landtages haben wir nicht die regionalen Einfühlinteressen zu vertreten.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig, sehr richtig.)
Und ich kann nur für meine Person behaupten, ich sehe mich selbstverständlich als Vertreter meiner Region.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig, Frau Reese, sehr richtig. Alles diese Heimatlosen! – Vincent Kokert, CDU: Gut gebrüllt, Löwe!)
Ob Sie es nun hören wollen oder nicht: Trotz Ihrer großmundigen Ankündigungen lassen Sie, werte Kollegen der Koalition, die Gemeinden im sprichwörtlichen Regen stehen. Die umfassende kommunale Selbstverwaltung sieht meine Fraktion mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr gegeben. Mecklenburg-Vorpommern braucht ein Finanzausgleichsgesetz, welches sich an den Bedürfnissen der kommunalen Ebene orientiert und einem Grundsatz der gewissen Stetigkeit folgt. Auch sieht meine Fraktion eine Gemeindegebietsreform durch die Hintertür als Ziel der Landesregierung. Weil Sie sich einfach nicht trauen, das offen zuzugeben, versuchen Sie diesen Weg durch die kalte Küche.
Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern sollen nach Auffassung der Landesregierung künftig passé sein und von der kommunalpolitischen Landkarte verschwinden.
Doch nun wieder zurück zu der Höhe der Kommunalzuweisungen. Wie bereits mehrfach ausgeführt, entschloss sich der Landtag Mecklenburg-Vorpommern in der letzten Legislaturperiode mit den Fraktionen von SPD, CDU und LINKE zu einer grundlegenden FAG-Novelle.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)
Alle drei Fraktionen kamen damals zu der Auffassung, dass ein Festhalten am Gleichmäßigkeitsgrundsatz in Krisenzeiten kein tauglicher Ansatz sein könne. Umso weniger nachvollziehbar erscheint dann der Beschluss der Koalitionsfraktionen im Finanzausschuss zur Weiterführung des Modells als in der Praxis bewährte Lösung. Dabei beruft sich die Landesregierung immer gern auf das von ihr in Auftrag gegebene finanzwissenschaftliche Gutachten, welches Vorteile beim Gleichmäßigkeitsgrundsatz sieht.
Sehr geehrte Koalitionäre, Sie lassen dabei völlig außer Acht, dass zu der Zeit keine Ansätze einer Finanz- und Wirtschaftskrise vorhersehbar waren. In der gegenwärtigen Situation ist er für sich allein betrachtet in keiner Weise geeignet, eine auskömmliche Finanzausstattung zu gewährleisten.
Da sich die Meinung der Koalition bereits im Vorfeld gefestigt hatte, lehnt sie auch die Durchführung einer Anhörung zu beiden Teilgutachten ab. So kann man nahezu jede tief greifende Beratung im Keim ersticken. Zur Anberatung konnte im Finanzausschuss ja nicht einmal ein Regierungsvertreter das Gesetz erläutern.
Bereits während der letzten Landtagssitzung sagte ich, nicht eine Kommune, nicht ein kommunaler Spitzenverband hat den vorliegenden Gesetzentwurf während der Anhörung im Innenausschuss auch nur im Ansatz befürwortet. Unserem Antrag zur grundsätzlichen Überarbeitung des Finanzausgleichsgesetzes wurde erst die Dringlichkeit abgesprochen und anschließend wurde er durch die Koalition in Gänze abgelehnt. Somit wurde der Weg für das vorliegende Gemeindeverschuldungsgesetz endgültig frei gemacht.
Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle unbedingt anführen: Als handwerklich und in der gegenseitigen Achtung den Kommunen gegenüber sehr schlecht sieht es meine Fraktion an, dass die Orientierungszahlen zu den Auswirkungen zum FAG erst Anfang September an die Kommunen herausgegeben wurden und die Kaffeesatzleserei
damit erst spät ein Ende hatte. Fast vier Monate ließ sich die Landesregierung mit der Herausgabe der Daten Zeit, wohl wissend, dass im Oktober eine Abstimmung über das Gesetz geschehen soll.
Meine sehr geehrten Kollegen, selten, oder ich muss wohl besser sagen, noch nie, hat meine Fraktion in den letzten drei Jahren zu einem Gesetzentwurf so viele Briefe erhalten wie zu dem vorliegenden.
Alle Briefe kamen aus allen kommunalen Ebenen – den kreisangehörigen Gemeinden, den Ämtern, Landkreisen und auch den kreisfreien Städten. Teilweise nahezu minütlich gingen an manchen Tagen zusätzlich Stellungnahmen über das Ausschusssekretariat des Innenausschusses per E-Mail bei uns ein. Mit dem Drucken kam das Sekretariat schon längst nicht mehr hinterher.
Eines hatten die Stellungnahmen aller gemeinsam: Auf erschreckende Weise, sehr anschaulich schilderten sie die finanziellen Auswirkungen anhand der vom Innenministerium herausgegebenen Orientierungsdaten. Hierbei ging es um zu erwartende Mindereinnahmen, aber auch um zu erwartende Mehrausgaben vor allem im sozialen Bereich, wie beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft. Ein paar Zahlen möchte ich hier nur beispielhaft nennen: Gemeinden im Landkreis Doberan – minus 15,5 Millionen Euro, beim Landkreis – minus 5 Millionen Euro,
Mit dem Gesetzentwurf werden viele Kommunen für ihre Konsolidierungsbemühungen bestraft und die Zeit der ausgeglichenen Haushalte ist nun vorbei. Schnell wurde selbst einem Laien mehr als deutlich, dass die prognostizierten Mindereinnahmen nicht aus dem laufenden Haushalt und auch nicht durch Sparen bei den freiwilligen Leistungen auszugleichen sind. Neben den aufgezeigten Mindereinnahmen sind zukünftig aber auch Ausgabensteigerungen vor allem im sozialen Bereich, zum Beispiel durch die Reduzierung des Bundeszuschusses bei den Kosten der Unterkunft, zu beachten.
Die Kommunen werden durch diese Vorgaben zusätzlich zur Schuldenaufnahme und damit im Weiteren zum Aufgeben der kommunalen Selbstverwaltung gedrängt.
Sehr geehrter Herr Minister, Glückwunsch, so kann man auch eine Gemeindegebietsreform durchführen. Für meine Fraktion kann ich sagen, dass dieses Vorgehen nicht hinnehmbar ist.
Sehr geehrte Kollegen, die Abschlussberatung des Gesetzentwurfes im Innenausschuss zeigte ein eindeutiges Bild: Lediglich Koalitionsanträge waren mehrheitsfähig.
Die Kritikpunkte unserer Fraktion wurden bereits in der Einbringung zu dem Gesetzentwurf und in der Anhörung des Innenausschusses benannt. Beseitigt konnten sie in den Beratungen allerdings nicht werden. Aus diesem Grund liegen Ihnen seitens meiner Fraktion mehrere Änderungsanträge vor, zu denen ich nun Stellung nehme:
Auf Drucksache 5/2884 liegt ein Änderungsantrag zu den Umlagen vor. Wir beantragen die Streichung der Paragrafen bezüglich der Finanzausgleichsumlage und der Stadt-Umland-Umlage. Die Finanzausgleichsumlage hat für die Mehrzahl der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns aufgrund der geringen eigenen Steuerkraft keine Bedeutung. Sie führt lediglich zur Ungleichbehandlung von nicht abundanten und abundanten Gemeinden innerhalb eines Amtes. Mit der Stadtumlage sollen nun, 20 Jahre nach Anregung der kommunalen Selbstverwaltung, die Fehler in der Stadtentwicklung der kreisfreien Städte korrigiert werden. Um der Suburbanisierung entgegenzuwirken, gibt es aus unserer Sicht bessere Möglichkeiten.
Das Umverteilungsvolumen wird als gering betrachtet und löst das Problem der Zentren nicht. Ich denke, ein Beispiel ist hier das Programm „Aufbau Ost“.
Sie führt zu einer Ungleichbehandlung von StadtUmland-Gemeinden und kreisangehörigen Gemeinden in Bezug auf die Kreisumlage, die den Fehlbetrag erbringen müssen.
Im Antrag auf Drucksache 5/2883 soll die Ermächtigung für das Innenministerium im Benehmen mit dem Finanzministerium, per Rechtsverordnung vom gewogenen Landesdurchschnitt abweichende Hebesätze zur Berechnung der Steuerkraft festzuschreiben, gestrichen werden. Diese Formulierung sieht meine Fraktion als massiven, wenn auch indirekten Eingriff in die Hebesatzautonomie der Gemeinden und ist deshalb abzulehnen.
Um die Regelungen zu den Gemeinden unter 500 Einwohner geht es auf Drucksache 5/2886. Hierzu bleibt mir nur zu sagen, dass es aus Sicht meiner Fraktion nach wie vor keine sachliche Begründung dafür gibt, warum Gemeinden unter 500 Einwohner benachteiligt werden sollten.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Peter Ritter, DIE LINKE: Da haben Sie vergessen, einen Paragrafen aufzuschreiben.)
Daran ändert auch der halbherzige Versuch der Regierungskoalition nichts, die Einwohner mit 95 Prozent anstatt – wie ursprünglich geplant – mit 90 Prozent bei der Ermittlung der Schlüsselzuweisungen zu berücksichtigen. Aufgrund der fehlenden nachvollziehbaren Begründungen sind diese Regelungen aus dem Gesetzentwurf zu streichen.