Protocol of the Session on September 24, 2009

Es gibt unterschiedliche Zahlen. Ich nenne die Zahl 350 Milliarden Euro. 350 Milliarden Euro werden jährlich in der Schattenwirtschaft erwirtschaft, 350 Milliarden Euro, die der Gemeinschaft entzogen werden,

(Reinhard Dankert, SPD: Sie haben doch eben gerade gesagt, der Staat hat genug Geld. – Zurufe von Birgit Schwebs, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

die wir wieder in die legale Wirtschaft reinholen müssen. Genau das ist unser Ansatz. Unser Ansatz ist, dass wir Rahmenbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger im Land schaffen wollen,

(Udo Pastörs, NPD: Träumer!)

damit es sich wieder lohnt, mehr zu leisten, damit es sich wieder lohnt zu arbeiten.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wenn wir nur 20 Prozent aus der Schattenwirtschaft herausholen, dann haben wir 70 Milliarden Euro mehr in der legalen Wirtschaft, dann haben wir mehr in der Beschäftigung, dann haben wir mehr Schultern, auf die wir es verteilen können, dann haben wir auch mehr Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Reinhard Dankert, SPD: Ja.)

Ich will Ihnen einen zweiten Bereich nennen, um nur einmal zwei große Töpfe anzusprechen:

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Ein zweiter Bereich ist das Thema des Umsatzsteuerbetruges. Es ist völliger Konsens, dass der Umsatzsteuerbetrug einer der höchsten Belastungen für den Steuerzahler ist. In den letzten Jahren war das immer wieder nachweisbar. Es ist auch unerheblich, ob es 13, 14 oder 15 Milliarden Euro sind, aber in diesen Dimensionen bewegen wir uns. Warum schaffen wir es nicht, endlich beim Umsatzsteuerbetrug die entscheidenden Signale

zu setzen? Weg von der Sollbesteuerung, hin zur Istbesteuerung, mehr Gerechtigkeit, um den Missbrauch zu verhindern, das wäre ein wesentlicher Beitrag. Wir könnten mit dem Geld, was hier missbräuchlich rausgeht, was der Gemeinschaft schadet, bei 13 Milliarden Euro sein. Wir haben nachgeschaut, in den letzten vier Jahren, 4 mal 13, da hätten wir schon bei 52 Milliarden Euro sein können, die wir der Gemeinschaft zur Verfügung stellen könnten.

(Reinhard Dankert, SPD: Aber die Ziele sind doch dicht beieinander, Herr Roolf. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Wer sich heute – und das ist leider die Politik sowohl von Sozialdemokraten als auch von den LINKEN – gegen die Veränderung des Steuersystems ausspricht, also gegen ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ein niedriges Steuersystem, das glauben Sie doch wohl selber nicht.)

meine Damen und Herren, der spricht sich zur gleichen Zeit für ein undurchsichtiges, hohes und ungerechtes Steuersystem aus. Das wollen wir als freie Demokraten nicht!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ich freue mich auf eine sehr intensive Debatte und werde mich, denke ich, im zweiten Teil meiner Rede auf die unterschiedlichen Ausführungen sowohl von der Finanzministerin als auch von Herrn Borchert noch mal zu Wort melden, um hier vielleicht einen gemeinsamen Konsens zu finden,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Es kann ein niederes Steuersystem geben, aber kein niedriges.)

damit wir aus Mecklenburg-Vorpommern in die Bundesebene hineintragen, dass wir für ein gerechtes Steuersystem hier in Mecklenburg-Vorpommern als Vorreiter gehen wollen.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Wir wollen hier ein Signal setzen. Lassen Sie uns nicht immer in alter Tradition als Mecklenburger und Vorpommer hinterherdackeln!

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, gehen Sie mal voran!)

Lassen Sie uns einmal vernünftig, seriös und strukturiert vorangehen! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Udo Pastörs, NPD)

Danke schön, Herr Roolf.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Finanzministerin Frau Polzin. Bitte, Frau Polzin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Roolf, auf die heutige Rede habe ich mich schon seit einigen Tagen gefreut,

(Michael Roolf, FDP: Das glaube ich.)

gibt sie mir doch Gelegenheit, das zentrale und in Wahrheit sogar das einzige Wahlkampfthema der FDP näher zu beleuchten.

„Ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem mit dem Ziel der Steuerentlassung für alle Bürgerinnen und Bürger“ – wer wollte sich nicht für ein so schönes politisches Ziel einsetzen? Damit kann man Stimmen gewinnen, ohne jemandem wehzutun. Oder vielleicht doch nicht?

Wir sollten uns diese Forderungen etwas näher ansehen. Die FDP schlägt einen 3-Stufen-Plan im Einkommenssteuertarif mit Steuersätzen von 10, 25 und 35 Prozent vor.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: 10, 25, 35!)

Allein dieser 3-Stufen-Tarif führt nach dem üblichen Berechnungsmodus – und dafür haben wir Fachleute – zu Steuermindereinnahmen von rund 80 Milliarden Euro jährlich. Die FDP selbst beziffert die Einnahmeverluste nur auf 35 Milliarden Euro.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Dieser Betrag ist aber nur dann erklärbar, wenn man Selbstfinanzierungseffekte einbezieht, für die es jedoch keinerlei Anhaltspunkte gibt.

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

Mit einem Wort: Die Berechnungen der FDP sind reine Luftbuchungen.

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

Das ist aber noch nicht alles, denn die FDP hat noch weitere Steuersenkungsforderungen im Programm,

(Zuruf von Ralf Grabow, FDP)

wie zum Beispiel die Abschaffung der Gewerbesteuer, die uneingeschränkte Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur sozialen Absicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze bei der Einkommenssteuer, die Anhebung des Kindergeldes auf 200 Euro sowie einen Kinderfreibetrag von 8.004 Euro und die Rückgängigmachung der Gegenfinanzierung großer Teile der Unternehmenssteuerreform. Das sind zusammen noch einmal 80 Milliarden Euro.

(Toralf Schnur, FDP: Nach SPD-Rechnung.)

Addiert man das zu dem 3-Stufen-Tarif bei der Einkommenssteuer, belaufen sich die FDP-Forderungen in der Summe auf mindestens 160 Milliarden Euro.

(Michael Roolf, FDP: So weit ist noch keiner gekommen. Das sind zusammen noch mal 80.)

Ich frage mich, Herr Roolf, warum Sie nicht gleich die Abschaffung sämtlicher Steuern verlangen?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Das wäre doch das einfachste, das niedrigste, das gerechteste Da-bin-ich-mir-nicht-so-sicher-System.

Auch der FDP ist klar, dass sie etwas zur Gegenfinanzierung sagen muss. Nehmen wir Ihre Thesen dazu