Protocol of the Session on September 23, 2009

Wiederbeginn: 13.32 Uhr

Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und rufe auf den Tagesordnungspunkt 7: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/2777.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 5/2777 –

Das Wort zur Einbringung hat die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mecklenburg-Vorpommern war eines der ersten Länder, die ein Nichtraucherschutzgesetz vorgelegt haben. Das Ergebnis heute nach zwei Jahren ist, dass dieses Nichtraucherschutzgesetz, der Nichtraucherschutz vor allem, in Gaststätten öffentlich akzeptiert wird.

Sie erinnern sich, was das für eine große Diskussion in Deutschland war, wenn ich es an der Stelle sagen darf, so typisch deutsch. Man hatte Panik, dass die Gastronomen untergehen, weil man die Nichtraucher schützen wollte, weil man das getan hat, was in anderen Ländern schon längst üblich war, und zwar verboten hat, dass man in Gaststätten rauchen darf. Ich kann mich sehr gut erinnern, als ich selbst schwanger war, dass ich das als extrem belastend empfunden habe, dass man nicht mehr irgendwo essen konnte, ohne dass man zugequalmt wurde und damit, ohne dass man selber Einfluss darauf hatte, nicht nur sich selbst durch Passivrauchen, sondern auch ungeborenes Leben Gefahr ausgesetzt hat.

Insofern denke ich, insgesamt können wir sagen, die Bevölkerung hat es akzeptiert, die Bevölkerung geht immer noch in Gaststätten

(Angelika Peters, SPD: Das Gejammer hat ganz schön aufgehört.)

und die Gastronomen haben auch kaum Umsatzeinbrüche zu verzeichnen, außer bei Eckkneipen. Grund

sätzlich meldete der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband jedoch, dass kein Betrieb mit Verweis auf das Nichtraucherschutzgesetz dichtgemacht hat.

Insgesamt können wir sagen, der Nichtraucherschutz über das neue Gesetz ist erfolgreich. Zu dieser Entwicklung dürfte auch das Gaststättenmodernisierungsprogramm beigetragen haben, das der Wirtschaftsminister aufgelegt hat. Es unterstützt Gastwirte bei den Umbauten, die das Nichtraucherschutzgesetz erforderlich gemacht hat. 13 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 172.000 Euro wurden gefördert. Sie erinnern sich, Mecklenburg-Vorpommern hatte sich für den Weg entschieden, dass gesagt wurde, grundsätzliches Rauchen ist in Gaststätten verboten, allerdings kann der Gastwirt einen Extraraum einrichten, wo Rauchen erlaubt ist. Für diese Umbauten sind die Fördermittel geflossen, sodass Gastronomen sich auch an dieser Stelle gut aufstellen konnten.

Nun müssen wir dieses Gesetz aber nach mehr als zwei Jahren novellieren. Warum? Grundlage ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008. Die Richter haben seinerzeit entschieden, dass die Nichtraucherschutzgesetze der Länder Berlin und Baden-Württemberg in Teilen gegen die Verfassung verstoßen. Und weil das Nichtraucherschutzgesetz in Mecklenburg-Vorpommern ähnlich gestrickt ist, müssen wir auch noch einmal an das Thema ran.

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte es geheißen, dass die Regelungen einige Gastronomen benachteiligen. Gemeint sind jene Wirte, die in der Getränke geprägten Einraumgastronomie tätig sind. „Getränke geprägte Einraumgastronomie“ ist zu einem meiner Lieblingswörter als Ministerin geworden. Ich mache es vielleicht plakativer: Wir reden hier über Eckkneipen. Und ich gehe davon aus, Sie sind einverstanden, wenn wir mit diesem bürgerfreundlicheren Wort hier weiter in der Debatte hantieren.

Inhaltlich hat das Bundesverfassungsgericht so argumentiert: Wenn ein Land ein Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg bringt, wo Gastronomen einmal einen Nichtraucherbereich haben dürfen und einen Raucherbereich haben dürfen, dann können die Eckkneipen benachteiligt werden, weil sie natürlich gar nicht in der Lage sind aufgrund ihrer Größe, einen Extraraum einzurichten. Diese Eckkneipiers haben dann auch Umsatzeinbrüche und deswegen gibt es hier eine Ungleichbehandlung.

Mit diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den Ländern zwei Optionen eröffnet: Entweder Rauchen wird überall konsequent verboten, ohne Extraräume, oder wenn die Länder Raucherräume in der Gastronomie erlauben, müssen sie auch das Rauchen in Eckkneipen erlauben, sodass alle Wirte die gleiche Chance haben, Geld zu verdienen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch genau definiert, was eine Eckkneipe ist. Ich nenne Ihnen die drei wichtigsten Kriterien:

Erstens. Sie darf nicht größer als 75 Quadratmeter sein.

Zweitens. Sie bietet keine zubereiteten Speisen an.

Drittens. Jugendliche unter 18 Jahren müssen draußen bleiben.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Sie muss Ecken haben.)

Wenn Sie so genau sind, dann müssen wir wieder zurück zu dem anderen Begriff, Herr Koplin, aber ich wollte es uns allen leichter machen.

Was bedeutet das Gerichtsurteil nun für MecklenburgVorpommern? Wir hätten jetzt zwei Varianten: Entweder wir ziehen in allen gastronomischen Einrichtungen das komplette Rauchverbot durch – ich mache kein Hehl daraus, dass ich als Gesundheitsministerin dafür wäre – oder, die zweite Variante, wir eröffnen die Möglichkeit 1:1 nach dem Bundesverfassungsgericht, dass das Rauchen in sogenannten Eckkneipen, die auch rund sein dürfen, erlaubt ist.

Wenn ich auch für die erste Variante bin, haben wir uns doch vor zwei Jahren in der Koalition auf diesen Kompromiss geeinigt, und die Gastronomen haben mit diesem Kompromiss, dass sie einen Extraraum einrichten dürfen, weiter gewirtschaftet. Dafür gab es auch die Fördermittel. Und aus Gründen dieses Vertrauensschutzes kann man jetzt schlecht nach zwei Jahren sagen, das ist alles nicht mehr wahr, wir drehen das wieder zurück. Deswegen haben wir uns in der Landesregierung entschlossen, dass wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1:1 umsetzen.

Gleichzeitig haben wir die Novellierung für das Nichtraucherschutzgesetz genutzt, um noch mal den Schutz für Kinder und Jugendliche zu verschärfen. Das ist mir natürlich als Gesundheitsministerin besonders wichtig. Es geht in allererster Linie genau darum, dass vor allem Kinder und Jugendliche nicht rauchen, weder passiv noch aktiv. Hier regelt das Gesetz bereits, dass in jeder Einrichtung, in der sich vorrangig Kinder und Jugendliche aufhalten, das Rauchverbot gilt, auch auf den Außengeländen. Wir wissen, das habe ich Ihnen im Bericht vorgelegt, dass es hier noch Probleme gibt, weil die Jugendlichen das Außengelände natürlich schnell verlassen. Hier müssen die Ordnungsämter stärker darauf achten. Es ist wichtig für den Kinder- und Jugendschutz, dass Ordnungsämter konsequent die Einhaltung der Gesetze kontrollieren.

Sie wissen, immer noch greifen zu viele Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig zur Zigarette. Unter den Neun- und Zehnklässlern ist es weit mehr als ein Drittel. Damit liegen wir bundesweit an der Spitze. Die Landesregierung versucht natürlich mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen, das Drittel deutlich zu verringern.

Herr Rühs, Sie hatten danach gefragt, was die Landesregierung noch tut. Ich möchte drei Beispiele anführen:

Erstens. Sozialministerium und Bildungsministerium haben Empfehlungen zur praktischen Umsetzung des Nichtraucherschutzes entwickelt, die sich an Schulleitungen, Lehrer, Eltern und Schüler richten.

Zweitens. Eine Vielzahl von Projekten soll verhindern, dass Jugendliche zur Zigarette greifen. Wir haben Präventionsprojekte wie zum Beispiel „Be smart, don’t start“. Als Gesundheitsministerin habe ich nichts dagegen, wenn es hier immer die Unterstützung der Abgeordneten gibt, diese Präventionsprojekte auch weiter zu finanzieren.

Die Novelle, die wir heute diskutieren, enthält einen Passus, der Kindern und Jugendlichen den Zutritt zu öffentlichen Raucherräumen untersagt. Mit Blick auf die Gefahren des Passivrauchens war mir diese Regelung besonders wichtig. Das kommt jetzt neu dazu.

Auch der Bund tut viel dafür, das Rauchen einzudämmen. Die wichtigste Maßnahme gab es 2007. Jugendlichen unter 18 Jahren ist der Erwerb und der öffentliche Konsum von Tabakprodukten untersagt worden. Und auch hier geht es darum, nicht nur die Gesetze auf den Weg zu bringen, sondern wirklich konsequent umzusetzen, konsequent zu kontrollieren durch die Ordnungsämter. Auch hier geht mein Appell vor allem an die, die Tabak verkaufen, aber auch Alkohol, ich schließe das hier gleich mit ein: Es muss konsequent kontrolliert werden auch von denen, die verkaufen. Kohle machen, Gewinn machen auf dem Rücken der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist nicht in Ordnung, ist sittenwidrig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Udo Pastörs, NPD: Sehr richtig formuliert.)

Ich habe es eben gesagt, die Regierungen alleine können dieses Problem nicht von oben herab mit Gesetzen lösen. Wir brauchen die Verbündeten, auch in der Gastwirtschaft, auch im Bereich des Verkaufens, aber natürlich auch im Bereich des öffentlichen Lebens. Es muss eines klar sein: Zigaretten zu rauchen, ist nicht cool, weil Lungenkrebs ist nicht cool. Deswegen müssen alle Vorbild sein, Eltern in erster Linie, Lehrer und Erzieher, es dürfen auch die Minister sein.

(Toralf Schnur, FDP: 50 Prozent der Minister rauchen.)

Denn wer soll jugendlichen Jungen und Mädchen wirkungsvoll erklären, dass Rauchen kreuzgefährlich ist?

Es dürfen auch die Abgeordneten sein.

Wie will man das eigentlich glaubhaft erklären, wenn einem gleichzeitig die Kippe aus dem Mundwinkel baumelt? Insofern wäre es wichtig, dass wir vor allem Kindern und Jugendlichen ein Vorbild sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Was wollen wir mit der Novelle heute anschieben? Ganz einfach, ich habe es gesagt. Was die Eckkneipen angeht, öffnen wir das Gesetz. Dort wird das Rauchen erlaubt, wenn Jugendlichen der Zutritt verwehrt bleibt und keine zubereiteten Speisen verkauft werden. Was zubereitete Speisen sind, das haben wir uns nicht selbst ausgedacht, das gibt das Gaststättenrecht her. Insofern, haben wir gedacht, bleiben wir bei den Profis, die das kennen. Sie wissen, die Bockwurst darf nicht warm gemacht werden, aber die Bifi darf es geben. Die Grundlage liefert uns dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil, was wir 1:1 umsetzen. Wir weichen nicht einen Schritt davon ab, denn der Nichtraucherschutz ist uns wichtig.

Außerdem haben wir in dem Rahmen der Novellierung drei Dinge konkretisiert, die Gastronomen betreffen, und zwar erstens die Frage, ob das Rauchverbot auf Freiterrassen gilt. Nein, weil Freiterrassen keine Gebäudeteile im Sinne des Gesetzes sind. Das haben wir klargestellt. Zweitens haben wir uns mit den sogenannten fliegenden Raucherräumen befasst. Das sind Räume, in denen bis 22.00 Uhr rauchfrei gegessen wird, um dann nach 22.00 Uhr munter den Aschenbecher aufzustellen. Ich habe das selber schon in einer Tabakbar an der Ostsee erlebt,

(Toralf Schnur, FDP: Was haben Sie gemacht, Frau Ministerin?)

dass man sich gefreut hat, wann wird es endlich 23.00 Uhr. Ich habe das erst nicht richtig verstanden, ich bin natürlich nach 23.00 Uhr gegangen.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Das war bisher gesetzlich nicht klar geregelt. Deswegen habe ich es jetzt nachgezogen. Sie wissen, in der Praxis vor Ort unterwegs und dann sofort ins Gesetz gießen, was man feststellt, das sind gute Minister.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann hat Herr Schnur noch viel zu lernen.)

Deswegen ist es wichtig, im Land unterwegs zu sein, Herr Grabow. Das wollte ich Ihnen auch noch mal sagen.

Weil sich Partikel des Tabakrauchens auch in Wänden und Möbeln festsetzen und dauerhaft krebserregende Stoffe absondern, untersagen wir mit dieser Novellierung die Einrichtung dieser fliegenden Raucherräume.

Drittens finden sich künftig Spielbanken ausdrücklich in der Aufzählung jener Bereiche, in denen das Rauchverbot gilt. Das Amtsgericht Rostock hatte im Mai geurteilt, dass unser Nichtraucherschutzgesetz in diesem Punkt nicht eindeutig ist. Jetzt herrscht Klarheit.

Lassen Sie mich resümieren: Insgesamt sind wir beim Nichtraucherschutz ein gutes Stück vorangekommen. Wir stellen jetzt einige Dinge klar. In zwei Jahren wird mein Haus Ihnen einen weiteren Bericht zum Stand der Umsetzungen vorlegen.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Erst dann können wir wirklich seriös beurteilen, ob sich dieses Gesetz gesundheitlich positiv auswirkt, aber ich bin da sehr zuversichtlich. Wie gesagt, alle die, die Passivrauchen nicht mögen, gehen jetzt viel lieber essen.

Ich sehe ein Problem: Die Novellierungen haben den Flickenteppich, den wir schon beim gesetzlichen Nichtraucherschutz bundesweit haben, noch bunter gemacht. Nun habe ich nichts gegen bunt, insbesondere dann, wenn es um bunt gegen Rechtsextremismus geht. Aber in diesem Fall ist bunt nicht gut, denn Bürger verstehen nicht, warum es in Mecklenburg-Vorpommern so geregelt ist, warum in Bayern wieder so. Deswegen würde ich mir dauerhaft eine bundeseinheitliche Regelung wünschen. Ich hoffe, dass wir in dieser Frage noch mal einen Vorstoß nehmen können. Wichtig ist, dass wir jetzt hier für Mecklenburg-Vorpommern Klarheit haben und dass eins klar ist: Rauchen sollte nicht sein und vor allem Nichtraucher müssen geschützt werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.