Protocol of the Session on June 18, 2009

Unterbrechung: 11.35 Uhr

Wiederbeginn: 11.40 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Das Wort zur Begründung des Tagesordnungspunktes 24 „Soziale Stadt stärken“ hat der Abgeordnete Norbert Baunach für die Fraktion der SPD.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ah, da ist er ja!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachte nicht, dass die Organspenden so schnell vollzogen werden würden. Mein Kollege ist auch noch nicht da. Wir hatten oben eine Gesprächsrunde.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, ja. Ne wichtige wahrscheinlich! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was soll denn das?)

Insolvenz, richtig.

Ich freue mich, nach der Thematik Baukultur ein für mich und andere sehr wichtiges zweites Thema heute in den Landtag einbringen zu können, und zwar das Thema „Soziale Stadt stärken“. Ich denke, mit dieser Thematik können Sie alle etwas anfangen.

1999 wurde das Förderprogramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Soziale Stadt“ von Bund und Land auf den Weg gebracht. Ansatz war und ist, die städtischen Zentren und die Stadtteile, die einer beson

deren Aufmerksamkeit bedürfen, zu stärken. Eine quartierorientierte soziale Stadtentwicklung ist das Leitziel dieses Programms. Mit neuen Lösungsansätzen soll einer Abwärtsentwicklung in schwierigen Stadtteilen entgegengesteuert, benachteiligte Stadtteile aufgewertet und stabilisiert werden. Jeder, der aus einer kreisfreien Stadt kommt, kann solche benachteiligten Stadtteile benennen.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Mit dem Programm soll eine nachhaltige Entwicklung in Stadt- und Ortsteilen mit besonderen sozialen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Problemen sichergestellt werden.

Dieses Programm hat einen integrativen und damit kooperativen Ansatz. Die Maßnahmen sind vielfältig. Um die Wirkung der Finanzhilfen zu verstärken, soll und muss die Städtebauförderung mit anderen Ressortprogrammen und Ressourcen gebündelt werden. „Bündelung und Vernetzung“ bringen Erfolg, Herr Liskow. Dieser Politikansatz ist mittlerweile durch das Bund-LänderProgramm, insbesondere durch die Gesetzesformulierung des Paragrafen 171e BauGB, die europäische Gemeinschaftsinitiative Urban II und die Regelungen in Artikel 8 der EFRE-Verordnung mit der Leipzig Charta, zu einem europäischen Standard geworden, und zwar, um Stadtteile aufzuwerten, in denen sich ökonomische, städtebauliche, gesellschaftliche und ökologische Probleme konzentrieren.

In unserem Land findet das Programm „Soziale Stadt“ insbesondere in Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Stralsund, Greifswald und Wismar statt, natürlich auch noch in anderen, aber insbesondere da.

(Zuruf aus dem Plenum: Gnoien.)

Gnoien ist auch dabei.

Es geht nicht nur um die Sanierung und Herrichtung von Gebäuden, sondern zum Beispiel auch um mehr Spielplätze, um mehr Grün im Wohnumfeld, es geht um eine bessere Infrastruktur, insbesondere für unsere Kinder und Jugendlichen, es geht aber neben baulichen Investitionen auch um zusätzliche sozialintegrative Maßnahmen, zum Beispiel Bildung, Integration und Beschäftigungsförderung. Es geht darum, die Wohn- und Lebensbedingungen der Menschen insgesamt zu verbessern. Natürlich ist es so, dass bauliche Veränderungen schneller für jedermann sichtbar sind als Effekte im sozialen Bereich. Eine Zwischenevaluierung hat gezeigt, dass die Orientierung richtig ist, und gleichzeitig die Empfehlung gegeben, durch Maßnahmenbündelung eine weitere Verbesserung zu erreichen.

Meine Damen und Herren, die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es richtig und wichtig ist, die Kräfte von Bund, Land, Kommunen, Bürgern, öffentlichen Trägern, Wohnungsunternehmen auf die Problemfelder zu konzentrieren und gemeinsam zu handeln. Besonders wichtig und richtig ist aber auch, die Menschen zu bewegen, sie in die Lage zu versetzen, ihr Wohnumfeld selbst zu gestalten und an Projekten mitzuwirken. Das macht die Städte dann auch konkret für die Menschen vor Ort noch liebenswerter und noch nachhaltiger, und zwar auch nach einem eventuellen Auslaufen der Förderung.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das ist sie nicht.)

Meine Damen und Herren, neuen Akzenten in der Förderpolitik wird unter den Bedingungen des demografischen

wirtschaftsstrukturellen Wandels Rechnung zu tragen sein. Das heißt aber auch, sie noch gezielter mit anderen Programmen, insbesondere arbeitsmarkt-, gesundheits-, integrations- und bildungspolitischen Maßnahmen, zu vernetzen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Dann müsste man erst mal ein Arbeitsmarktprogramm haben.)

Das ist weiterhin dringend erforderlich, denn für jeden deutlich sichtbar haben sich die Städte in unserem Land verändert. Eine noch stärkere ressortübergreifende Vernetzung und Bündelung der Aktivitäten ist angezeigt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Auch sollte geprüft werden, ob Förderrichtlinien weiterhin entsprechend angepasst werden können, und zwar alles unter der Zielstellung, Projekte in benachteiligten Stadtgebieten noch stärker zu unterstützen.

Klar und deutlich: Das Programm „Soziale Stadt“ ist sowohl auf Bundesebene als auch in unserem Land eine Erfolgsstory.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Diese gilt es weiterzuführen und den neuen Entwicklungen flexibel anzupassen. Lassen Sie uns diese Erfolgsstory des Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Soziale Stadt“ entsprechend unseren Möglichkeiten auf Bundesebene und Landesebene fortsetzen und stärken. In der Aussprache werde ich das noch ergänzen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Baunach.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der zuständige Minister Herr Schlotmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ja Dinge, auf die man stolz sein sollte, was man dann auch gemeinsam öffentlich sagen sollte.

(Udo Pastörs, NPD: Aber wirklich stolz sein!)

Ja, von Stolz hat die NPD keine Ahnung, aber wirklich keine Ahnung.

(Michael Andrejewski, NPD: Wir sind bescheiden.)

Meine Damen und Herren, wir können in diesem Jahr nämlich ein sehr schönes Jubiläum feiern. Dieses Jubiläum heißt, das Programm „Soziale Stadt wird zehn Jahre alt“. Das heißt also, vor zehn Jahren hat man diesen Schritt getan.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich glaube, darauf will ich im Einzelnen auch noch eingehen, dass wir wirklich auf die Ergebnisse stolz sein können, was aber nicht bedeutet, dass man sich jetzt sozusagen zurücklehnen und glauben sollte, das sei ein Selbstläufer.

Meine Damen und Herren, wir haben ein bisheriges Programmvolumen in Mecklenburg-Vorpommern in diesen zehn Jahren gehabt von rund 65,8 Millionen Euro. Also viel Geld. Und auch das gehört zur Offenheit dazu, wir reden hier immer über eine Drittelfinanzierung, das heißt, ein Drittel kommt vom Bund, ein Drittel vom Land und ein Drittel von der jeweiligen Kommune. Mit den Stadtentwicklungsprojekten kann man viel Gutes bewirken. Ich glaube, das ist unstrittig, insbesondere gerade in den benachteiligten Gebieten in unseren großen Städten, und zwar, wie der Kollege Baunach das schon angesprochen hat, eben nicht nur durch Bauinvestitionen, sondern auch durch die Vernetzung von Einwohnern, Betrieben, Verbänden und insbesondere der Verwaltung vor Ort. Der Mensch mit seinem sozialen Umfeld, seiner wirtschaftlichen Situation und seinem Wohnumfeld selber muss bei all diesen Projekten, die unter diesem Dach stattfinden, immer im Mittelpunkt stehen. Ich glaube, auch das ist unstrittig.

Ziel des Programms ist es zum Beispiel, die Wohnverhältnisse und das Wohnumfeld zu verbessern, die Umwelt zu entlasten, den ÖPNV zu optimieren und die Sicherheit im Quartier zu erhöhen, ebenfalls die Beschäftigung auf lokaler Ebene weiterhin zu befördern und zu sichern, die soziale Infrastruktur zu verbessern, hier ganz besonders für junge Menschen, das Angebot an Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten muss erweitert werden und die Stadtteilkultur soll belebt und mehr Freizeitangebote gemacht werden. Darunter fällt zum Beispiel die Einrichtung und Errichtung von Stadtteilzentren ebenso wie spezielle Beratungsangebote, aber auch kulturelle Dinge wie Stadtteilfeste. Der Bedarf für das Programm „Soziale Stadt“ besteht in Mecklenburg-Vorpommern insbesondere in den kreisfreien Städten. Und genau darum gibt es die Konzentration auf zwölf Gebiete in Rostock, Schwerin, Stralsund, Neubrandenburg, Greifswald und Wismar.

Auch darauf hat der Kollege Baunach hingewiesen, ein entscheidender Erfolgsfaktor bei diesen Programmen ist die Bündelung der unterschiedlichen Programme, die es auf allen möglichen Ebenen gibt. Dazu haben wir eine Arbeitsgruppe „Soziale Stadt“ eingerichtet, die auf Landesebene unter Führung des Verkehrsministeriums die Bündelung der verschiedenen Fördermöglichkeiten koordiniert und auch weiterhin sucht. Wir haben im Dezember vergangenen Jahres eine Arbeitshilfe erarbeitet, die sämtliche für das Programm „Soziale Stadt“ relevanten Förderprogramme enthält. Ebenso haben wir einen jährlichen Erfahrungsaustausch mit den Kommunen, den Trägern und anderen Beteiligten verabredet. Dort werten wir die Erfahrungen aus und passen so das Programm immer wieder an neue Entwicklungen an. Man kann auch sagen, wir aktualisieren es und passen es den Bedürfnissen derjenigen, die damit umgehen sollen, tatsächlich an.

Die Kommunen haben für die Fördergebiete, die festgelegt worden sind, jeweils Handlungskonzepte erarbeitet, die Aussagen über Planung, Umsetzung, Kosten und Finanzierung der notwendigen Maßnahmen zur Lösung der komplexen Probleme beinhalten. Die konkreten Maßnahmen sind sehr vielfältig, sie reichen von Investitionen in die Infrastruktur, Kitas, Schulen, Stadtteilcentern bis hin zur Einrichtung eines Quartiermanagements.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wobei ich ganz offen sagen muss, dass der Begriff Quartiermanagement oder -manager mir gar nicht behagt. Die

Aufgabe und die inhaltliche Ausgestaltung ist schon eine prima Sache, aber daran sollte man vielleicht noch mal ein bisschen Gehirnschmalz verwenden, um sich vielleicht einen anderen Begriff einfallen zu lassen.

Wie soll es in Zukunft weitergehen und aussehen, meine Damen und Herren? Das Programm „Soziale Stadt“ ist ganz klar ein Erfolg, sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch bundesweit. Und dass der Bund das Programm auf gleichbleibendem Niveau fortsetzen wird – so zumindest hatte es Bundesminister Tiefensee bereits im Mai bei der Festveranstaltung des Bundes zu zehn Jahre „Soziale Stadt“ angekündigt –, dazu kann ich Folgendes sagen: Wir werden dieses Programm hier im Land weiter fortsetzen und auch weiterentwickeln. Das haben wir zu Beginn der Legislatur zwischen den Koalitionspartnern so vereinbart und daran werden wir festhalten.

Die „Vernetzung und Bündelung“, ich habe es gesagt, ist ein wesentlicher Aspekt, um die Ziele des Förderprogramms zu erreichen. Und auf Bundesebene setzen wir uns in der Projektgruppe „Bündelung und Vernetzung“ im Programm „Soziale Stadt“ der ARGEBAU dafür ein und befassen uns auch dort sehr intensiv mit der Thematik. Wir wollen aber auch in Zukunft das Programm hier im Land sehr flexibel handhaben und an aktuelle Entwicklungen anpassen. Insbesondere durch die seit 2006 initiierten Modellvorhaben – die werde ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen, es werden noch einige Redner dazu sprechen – werden Projekte durchgeführt werden, wo wir privates Engagement ankurbeln. Neben den baulichen Investitionen können eben auch Projekte für lokale Ökonomie und Beschäftigungspolitik, Jugend- und Bildungspolitik sowie die Integration von Zuwanderern unterstützt werden.

Bestimmte Handlungsfelder der „Sozialen Stadt“, wo Ausbaumöglichkeiten gesehen werden und eine stärkere Vernetzung mit anderen Ressorts erforderlich ist, um die Ziele der „Sozialen Stadt“ zu erreichen, werden im Rahmen des jährlichen Erfahrungsaustausches behandelt. So wurde im vergangenen Jahr eine Fachtagung zum Thema „Gesundheit im Stadtteil“ zusammen mit dem Sozialministerium und der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung unter Federführung meines Hauses durchgeführt. Als nächste Fachtagung ist das Thema „Bildung im Stadtteil“ geplant.

Geplant ist auch, meine Damen und Herren, dass die integrierten Handlungskomplexe der Kommunen, die alle Aufgabenfelder im Stadtteil abbilden, fortgeschrieben und mit den anderen Ressorts der Landesregierung abgestimmt werden. Dadurch soll eine noch stärkere Verknüpfung erreicht werden. Ziel wird es nun sein, die vor Ort geschaffenen Strukturen und Netzwerke insbesondere des Quartiermanagements zu verstetigen, damit diese auch nach dem Ende der Förderung weiterhin bestehen.