Die vorliegenden zehn Berichte der Landesregierung in Umsetzung der beiden Fassungen von Paragraf 2 Absatz 4 Standardöffnungsgesetz sind eindeutig und ernüchternd. Von Oktober 2000 bis zum 31. Dezember 2007 wurden elf Anträge gestellt, davon wurden sechs positiv beschieden, zwei zurückgezogen und drei zurückgewiesen beziehungsweise abgelehnt. Elf Anträge und sechs positive Entscheidungen in knapp acht Jahren! Ich glaube, wir sind uns einig, erfolgreiche Gesetzgebung könnte anders aussehen. Und hier fühle ich mich als kommunalpolitische Sprecherin doch direkt angesprochen beziehungsweise in der Verantwortung stehend. Ich denke, das dürfte nicht nur mir so gehen.
Im Rahmen der Zweiten Lesung des Entwurfes eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Standardöffnungsgesetzes am 15. Dezember 2004 hat Kollege Dr. Jäger an dieser Stelle Folgendes vorgetragen, ich zitiere: „Herr Müller hat darauf hingewiesen, wir haben das, was Ihnen vorliegt, einvernehmlich im Ausschuss so abgearbeitet. Wir haben darauf hingearbeitet, mehr Spielraum für die Möglichkeit zu schaffen, dass von bestimmten Standards Befreiungen erteilt werden. Es war eine richtig angenehme Arbeit. Ich glaube, es ist ein Modell, wenn man Kommunalpolitiker im Landtag einmal so machen lässt, dann machen die das auch gemeinsam, dann kommt auch etwas dabei raus.“ Zitatende.
Und vor diesem Ergebnis, Kollege Dr. Jäger und Kollege Müller, stehen wir heute alle drei gemeinsam.
Meine Damen und Herren, einige Anmerkungen zu einem dritten Aspekt. Das Standardöffnungsgesetz war von Anfang an ein Experiment, eine Experimentierklausel. Und bei Experimenten ist bekanntermaßen der Ausgang ungewiss. Das damals mögliche oder prophezeite realistische oder überhöhte Risiko sollte insbesondere durch zwei Regelungen beherrschbar bleiben: zum einen durch ein begrenztes Experimentierfeld und zum anderen durch eine straffe Beaufsichtigung des Experimentes durch Landesregierung und Landtag. Und um ganz sicher zu gehen, haben wir dann noch das automatische Auslaufen des Gesetzes für 2004 beziehungsweise Ende 2009 festgeschrieben.
Meine Damen und Herren, ich glaube heute, ein derart gegen jegliche Risiken abgesicherter Modellversuch konnte sich zu keiner Zeit tatsächlich als ergebnisoffenes Experiment entwickeln. Wir haben jetzt aus meiner Sicht drei prinzipielle Handlungsmöglichkeiten:
Erstens. Das Gesetz tritt am 31. Dezember automatisch außer Kraft, niemand merkt es, keiner sagt was. Diese Option haben wir Ende 2004 gerade noch vor Toresschluss verhindert.
Zweitens. Das Gesetz tritt am 31. Dezember außer Kraft. Alle wissen es und versuchen gewissermaßen als Erbengemeinschaft, die Grundphilosophie der Standardbefreiung über andere Maßnahmen, vielleicht Deregulierung und Normenprüfung, fortzuführen.
Drittens. Das Gesetz tritt erst am 31. Dezember 2011 außer Kraft, wird vorher nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ überprüft, und jeder sagt dann etwas zum Evaluierungsergebnis.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir zunächst ein unbemerktes Auslaufen des Standardöffnungsgesetzes verhindern. Deshalb orientiert er auch auf eine erneute Verlängerung bis Ende 2011. Das würde dann bedeuten, die Landesregierung evaluiert dieses Gesetz 2010 und berichtet dem Landtag nicht mehr ausschließlich über erteilte Befreiungen und abgelehnte Anträge, vielmehr werden Wirkungen, die Wirkungsvoraussetzungen und möglichen Hemmnisse dieses Gesetzes als Grundlage für weitere Entscheidungen hinterfragt.
Meine Damen und Herren, eine Überweisung in den Innenausschuss, für die ich deshalb an dieser Stelle hier werbe, hätte aber noch eine weitere Konsequenz: Die eigentlichen Adressaten des Gesetzes, die Kommunen unseres Landes beziehungsweise deren Verbände, könnten unmittelbar und vor allem sehr zeitnah ihre Kritik, ihre Anmerkungen, ihre Hinweise zur Gesetzespraxis der Standardöffnung dem Gesetzgeber vortragen. Der Städte- und Gemeindetag jedenfalls möchte das Gesetz offenbar nicht sang- und klanglos auslaufen sehen, sondern konstatiert, wie wir im „Überblick“ im Monat März lesen konnten, vielmehr dessen unsichere Zukunft. Auch das muss für uns Anlass sein, eine zügige Behandlung im Innenausschuss voranzubringen.
Im Ältestenrat wurde für diesen Tagesordnungspunkt eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe kommunal verantwortliche Politiker! Vielleicht gibt es auch noch eine vierte Möglichkeit, über die wir reden können.
Dass wir in der Frage nicht so weit auseinanderliegen, ist, glaube ich, relativ unstrittig. Aber wir müssen auch konstatieren, wie es hier ausgeführt wurde, dass seit dem Inkrafttreten des Standardöffnungsgesetzes im Jahr 2000 insgesamt elf Befreiungsanträge von den kommunalen Körperschaften gestellt wurden. Im letzten Jahr wurde diesbezüglich gar kein Antrag gestellt. Diese Fallzahlen sprechen auf jeden Fall erst einmal eine deutliche Sprache. Das derzeit existierende Gesetz findet in der Praxis offensichtlich so gut wie keine Anwendung. Das soll man dann auch erst einmal feststellen können. Die daraus seitens der Fraktion DIE LINKE gezogene Konsequenz oder Forderung, dass wir das Gesetz einfach verlängern, scheint mir und uns zu kurz gesprungen oder nicht der richtige Weg.
Ebenso ist die Schaffung einer Evaluierungspflicht zu dem bestehenden Gesetz sachlich nicht notwendig. Die genannte geringe Anzahl von elf Anträgen in achteinhalb Jahren zeigt, dass es nicht sinnvoll wäre, das geltende Gesetz noch zwei Jahre weiterlaufen zu lassen, um es dann auch noch zu evaluieren.
Der bisherige Ertrag dieses Gesetzes – und darüber scheinen sich die demokratischen Fraktionen unstrittig einig zu sein – ist offensichtlich zu wenig, um nicht zu sagen, gen null gehend.
Wenn man die Idee aufrechterhalten will, und ich glaube, das ist auch nicht unstrittig, die hinter diesem Gesetz stand, und dafür dürfte in der Tat einiges sprechen, dann hilft nur eine zeitnahe inhaltliche und verfahrensbezogene Überarbeitung zu einem verbesserten Gesetz.
Trotz der bisher geringen Fallzahlen erschien es von der Sache her sinnvoll, man kann, glaube ich, auch sagen, erscheint es nach wie vor sinnvoll, den kommunalen Körperschaften die Möglichkeit zu erhalten, im Einzelfall von vorgegebenen landesrechtlichen Standards abweichen zu dürfen, denn die mit einem Standardöffnungsgesetz geschaffenen Möglichkeiten für die kommunalen Körperschaften, neue Formen der Aufgabenerledigungen im Einzelfall unter Wegfall landesrechtlicher Standards auszuprobieren, vergrößern zwangsläufig die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen und stärken damit die vielfach zitierte und auch gewünschte kommunale Selbstverwaltung. Damit die kommunalen Körperschaften von dieser Möglichkeit mehr Gebrauch machen, muss das Ziel eine Neufassung des Gesetzes sein, die auch Erfahrungen anderer Bundesländer mit aufnimmt.
Die Landesregierung und mein Haus beabsichtigen daher, im Rahmen der Artikel eines weiteren Deregulierungsgesetzes eine Verbesserung des Standardanpassungsgesetzes vorzunehmen, und nicht, darüber nicht zu reden, sondern dies auch in dem Rahmen, wie es in Gesetzlichkeiten vorgesehen ist, auszufüllen.
Es laufen dazu bereits konkrete Auswertungen und Konsultationen mit den Betroffenen, nämlich mit den kommunalen Landesverbänden. Das sind der hier angesprochene Städte- und Gemeindetag und der Landkreistag.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Der Minister arbeitet immer. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich bin all hier, ne?!)
Der Städte- und Gemeindetag, dessen Anregung damals als eine der Grundlagen bei der Schaffung des Stan
dardöffnungsgesetzes aufgegriffen wurde, befürwortet ebenfalls die Beibehaltung der Befreiungsmöglichkeiten von Standards, wobei gleichwohl auch die Notwendigkeit gesehen wird, inhaltliche Verbesserungen zu prüfen. Ich schlage daher vor, dass das Standardöffnungsgesetz nicht einfach verlängert wird, sondern es im Rahmen des genannten Deregulierungsgesetzes in Zusammenarbeit mit den Beteiligten verbessert wird.
Die zum gegenwärtigen Zeitpunkt begonnene Sachdiskussion soll nach fortlaufenden Beratungen mit den betroffenen Ministerien dann im Parlament fortgeführt werden. Eine erste Befassung des Parlaments mit dem geplanten Deregulierungsgesetz und damit der Novellierung des Standardöffnungsgesetzes ist für den Herbst beabsichtigt.
Das Inkrafttreten des Gesetzes, und das muss man dazu konkret sagen, wird in der Tat gegebenenfalls im Jahr 2010 vorübergehend eine kurze Lücke zur Folge haben. Die aber eingangs ausgeführten Fallzahlen und auch die beispielsweise im letzten Jahr gar nicht gestellten Anträge sollten dies uns trotzdem ermöglichen, damit wir die durchaus unstrittige Notwendigkeit der Überarbeitung des Gesetzes durchführen.
Wir sollten uns dazu jedoch sowohl als Ministerium als auch als Parlament die mögliche Zeit dafür einräumen, um dann ein Gesetz auf den Weg zu bringen, was den durchaus guten Gedanken und die gute Idee, die aus dem Jahr 2000 damit verfolgt wurde, beinhaltet. Nur wir müssen konstatieren, dass sie in der Form so nicht gegriffen hat, wie wir uns das gewünscht haben. Wir müssen uns also dementsprechend die Zeit dafür nehmen. Deswegen schlagen wir diesen Weg und nicht einfach eine Verlängerung vor.
Ich würde auch die Fraktion DIE LINKE hier gerne einladen, im Rahmen dieses Weges mit dazu beizutragen, dass wir im Ergebnis dessen die kommunale Selbstverwaltung stärken können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollegin Měšťan hat in ihrer Begründung, wie ich finde, sehr viel Richtiges gesagt,
darunter auch den Hinweis darauf, dass wir das Standardöffnungsgesetz seinerzeit einstimmig verabschiedet haben.
Allerdings würde ich hier gerne noch einen Aspekt ergänzen, den sie nicht dargestellt hat, der mir aber in diesem Zusammenhang wichtig erscheint. Meine Damen und Herren, die damals dabei waren, denken Sie bitte einmal zurück an die Diskussionen, die wir nicht unbedingt hier im Hause geführt haben, sondern die wir draußen geführt haben mit denjenigen, die mit solchen Normen und Standards, über die wir hier geredet haben und reden, leben. Mir sind beispielsweise sehr heftig in Erinnerung geblieben, ich weiß, dass es anderen ähnlich gegangen ist, die Diskussionen mit den Sozialverbänden, die mir die Frage gestellt haben: Willst du denn die Axt an den Sozialstaat anlegen, wenn du solche Normen und Standards infrage stellst?
Meine Damen und Herren, das, was damals galt, gilt, so fürchte ich, auch heute noch. Normen und Standards haben nicht nur auf der einen Seite Parlamentarier, die sagen, wir wollen deregulieren und wir wollen die kommunale Selbstverwaltung stärken, sondern Normen und Standards haben auch Anwender, die mit diesen Normen und Standards zu leben gelernt haben, die sie möglicherweise sogar vermissen werden, wenn es sie nicht mehr gibt.