diese nachvollziehbare, aber durchsichtige Änderung des Gesetzes überhaupt, des Gesetzesnamens in Nachteilsausgleichsgesetz und alles, was dann folgte, war eine Farce sondergleichen, immer unter der Prämisse: Wir werden’s schon durchkriegen, so viele betrifft’s ja nicht.
Der Anfang war, dass einen Tag nach der letzten Landtagssitzung beziehungsweise dem Wochenende nach der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause, also am ersten Tag der Parlamentsfreiheit, dieses Gesetz verkündet wurde von der Presse, von dem Pressesprecher des Finanzministeriums. Warum denn bitte um Himmels willen am ersten Urlaubstag des Parlamentes? Hat man gewollt, dass darüber nicht diskutiert wird? Hat man gedacht, dass die blinden Menschen so wenig sind, dass die paar, die es betrifft, es nicht merken, selber im Urlaub sind, keine Art und Weise der Zusammenführung finden, weil viele nicht da sind? Warum hat man eigentlich nicht vorher mit den blinden und sehbehinderten Menschen gesprochen?
Das Versprechen von Herrn Sellering, damals noch Sozial minister, war: Wenn wir etwas ändern wollen, sprechen wir vorher mit ihnen – vorher, vorher, meine Damen und Herren, und nicht, nachdem eine Presseerklärung gegeben wurde und ein Gesetz in die Welt gesetzt wurde, was jenseits von Gut und Böse ist.
Und dann, Herr Nieszery, immer die gleichen Worte: Wir waren gezwungen, wir waren gezwungen, wir haben im Koalitionsvertrag stehen zu prüfen. Ja, meine Damen und Herren, prüfen, prüfen und nicht kürzen! Das sind zwei völlig verschiedene Wörter der deutschen Sprache, die auf diese Art und Weise nicht zu verknüpfen gehen. Und vom ersten Tag an, da Sie diese Kürzungsvorhaben gehabt haben, haben wir gesagt, geben Sie uns bitte die Kriterien, die Sie prüfen und dann zur Kürzung praktisch in Betracht ziehen.
Da kam dann sogar der Spruch: Ist denn der Leidensdruck der Blinden und Sehbehinderten in MecklenburgVorpommern so viel höher als in den Ländern rundherum? Und immer wieder wurde gesagt, die anderen Länder zahlen weniger, so müssen wir auch.
Es hat ein Wettbewerb in Deutschland begonnen um Landesblindengeld nach unten, und zwar seit dem Jahr 2000. Ich habe es mehrmals gesagt, Blinde und Sehbehinderte in allen Bundesländern, wo gekürzt wurde, sind immer aufgestanden und haben gesagt: Nein!
Und damit gleich zu der Bemerkung und zu dem Vergleich, den Sie heute anführen. Wir sind es in der Zwischenzeit gewöhnt. Hier werden ständig Vergleiche aus dem Zusammenhang gerissen, um darzustellen, dass wir hier in Mecklenburg-Vorpommern furchtbar gut sind.
Na selbstverständlich hat der Blindenverbandsvorsitzende von Niedersachsen gesagt, wir sind erst mal zufrieden damit.
Dabei haben Sie aber völlig vergessen, darüber zu berichten, dass Frau von der Leyen, unsere heutige wohllöbliche Bundesministerin, als allererste CDU-Landesministerin, -Sozialministerin das Landesblindengeld zu null gemacht hat. Die Blinden dort mussten bei null anfangen und erkämpfen dort jeden Cent mit bitterlicher Intensität, mit jeder.
Sie sind mit 420 zufrieden, wenn sie das als nächsten Schritt geschafft haben. Wo hat denn bitte Herr Lange gesagt, dass das das Ende der Fahnenstange ist? Fragen Sie doch bitte mal den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverein, was er dazu sagt!
(Harry Glawe, CDU: Die haben das bejubelt, die haben das bejubelt! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)
eine politische Entscheidung, ob ich den Nachteilsausgleich anerkenne oder ob ich den Nachteilsausgleich nicht anerkenne.
Wir haben hier in Mecklenburg-Vorpommern 1991 diesen Nachteilsausgleich anerkannt. Und ich habe heute, als die blinden und sehbehinderten Bürgerinnen und Bürger aus unserem Land und ich in der Fraktion zusammensaßen, gesagt, ich werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben, dass wirklich jeder, der denkt, über Nachteilsausgleich sprechen zu müssen, weiß, was Nachteilsausgleich ist. Was haben wir hier in der Debatte und im Sozialausschuss in der Debatte für Definierungen von Nachteilsausgleich über uns ergehen lassen müssen. Und nach wie vor ist es so, Sie haben es nicht begriffen. Wenn Sie es begriffen hätten, würden Sie sich als Prüfkriterium unter anderem den Umstand zu Gemüte führen, welche Nachteilsausgleiche bezahlt werden müssen. Es kann nicht am Blinden- und Sehbehindertenverein liegen, auch nicht am Verband der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf, auch nicht an der freien Wohlfahrtspflege für Blinde in Neukloster, auch nicht an der Diakonie, an der Caritas, am Städte- und Gemeindetag und, und, und.
Die Schreiben, die ich habe, für das Landesblindengeld in der Höhe, wie es jetzt ist, sind äußerst umfangreich, und so etwas habe ich noch nie an Solidarität erlebt. Dafür allen danke! Alle haben erklärt, dass das Landesblindengeld als Nachtragsausgleich so bezahlt werden
muss, weil es gebraucht wird. Und kommen Sie mir bitte nicht ständig damit, dass es ausreichend ist. Niemand, niemand von den Verbänden und Vereinen, auch nicht bei der Anhörung, hat jemals verlangt, dass wir einen bedarfsdeckenden Nachteilsausgleich haben. Darüber ist kein Wort gesprochen worden. Aber der Nachteilsausgleich, der bitte schön einmal anerkannt wurde, der muss weitergezahlt werden. Wir haben Ihnen klipp und klar und deutlich gesagt und vorgerechnet, für welche Dinge wir diesen Nachteilsausgleich brauchen. Und wenn dann Herr Glawe in einer Pressemitteilung nach der Vorausschusssitzung mitteilt, dass ja nun alles nicht so schlimm wäre und der Eingriff ja nicht so groß, und Sie, Herr Fraktionsvorsitzender von der SPD, haben es auch gerade wieder getan, wir sollten ja froh sein, dass …
Nein, wir sind nicht froh, dass die ganze Sache nur so glimpflich ablief, überhaupt nicht. Denn was bedeutet das für Menschen, die wirklich diesen Nachteilsausgleich einsetzen? Das bedeutet ganz klipp und klar zum Beispiel für jemanden, der Begleitung braucht bei den täglichen Erledigungen, fünf Stunden pro Monat weniger, denn begleitende Hilfen müssen bezahlt werden, fünf Stunden weniger, um mal zum Arzt zu gehen, zum Friseur zu gehen, zur Sparkasse zu gehen, andere Einkäufe zu machen und so weiter und so fort.
Es bedeutet – und darauf haben wir auch mehrmals aufmerksam gemacht –, dass verzichtet werden muss, verzichtet auf Hilfsmittel, die wir dringend brauchen, auf Hilfsmittel, die zum Beispiel sang- und klanglos aus dem Hilfsmittelkatalog verschwunden sind. Sie sind weg, sie gibt es nicht mehr als Hilfsmittel, sie müssen allein gekauft werden. Und unsere Hilfsmittel, das sage ich Ihnen, sind keine Massenware vom Band und demzufolge sind sie teuer, unendlich teuer. Und es ist schon mal ziemlich unangenehm, wenn man Dinge kauft und dann irgendwelche Leute fragen muss, was kostet das eigentlich. Erkundigen Sie sich bitte, was so ein Erkennungsgerät für die Preise kostet! Das ist nicht im Hilfsmittelkatalog.
Genauso muss verzichtet werden auf Zeitungen, auf Zeitschriften, auf Bücher. Und ich bin eigentlich dem Blinden- und Sehbehindertenverein sehr dankbar, dass sie uns allen diese Karte zugeschickt haben. Wenn Sie vielleicht auch den Inhalt nicht akzeptieren wollen, weil Sie der Meinung sind, dass das mit der heutigen Debatte überhaupt nichts zu tun hat, aber drehen Sie es mal spaßeshalber um! Das, was Sie in Schwarzschrift auf der einen Seite haben, haben Sie in Punktschrift auf der anderen Seite. Sie haben in Punktschrift nicht mehr und nicht weniger. Vergleichen Sie mal bitte! Und da wieder bitte der Brief vom Blinden- und Sehbehindertenverein zur heutigen Debatte. Wir zahlen für viele Dinge unendlich mehr, ob das Bücher und Zeitschriften sind, ob das Mittel des täglichen Bedarfs sind und, und, und. Wir sprechen nicht von Bedarfsdeckung, aber die Mittel sind alle nicht billiger geworden, nicht ein einziges.
Außerdem – und da muss ich an die SPD ganz klipp und klar und deutlich sprechen – haben wir politisch gemeinsam über acht Jahre gesagt, Blindengeld nicht, das wird gebraucht, das brauchen die Menschen und demzufolge sollen sie es haben. Wir kriegen das mit unserem Haus
halt hin. Wir haben jetzt ganz andere haushalterische Bedingungen und bitte verbergen Sie diese Bemerkungen bis 2020. Bis 2020 mussten wir 1998/1999/2000 und weitere auch schon denken, denn wir wussten schon immer, wann der Solidarzuschlag weggeht. Wir wussten schon immer, wie es um unseren Haushalt steht, trotzdem haben wir politisch entschieden, Landesblindengeld nicht. Sie haben es im Vorvertrag aufgenommen zu prüfen. Was haben Sie geprüft? Sie haben nur geprüft, was die anderen Bundesländer zahlen, und nicht geprüft, was damit gemacht wird. Außerdem, wer hat denn wo verlangt, dass Mecklenburg-Vorpommern nicht bei politischen Entscheidungen auch mal für bestimmte Themen ganz vorn sein darf?
Im vorauseilenden Gehorsam, weil andere Bundesländer Landesblindengeld auch kürzen wollen, geben Sie Ihren Beitrag, den Gesamtdurchschnitt in Deutschland zu drücken, damit die anderen Länder, die anderen Minister – und da habe ich Ihnen ja schon das letzte Mal gesagt, ich kenne die dementsprechende Äußerung aus dem Kamingespräch – nachziehen können, ohne dass dort die Blindenverbände sagen: Nun guckt mal nach Mecklenburg-Vorpommern. Obwohl sie geldlich so und so eingeschränkt sind, was wir ja im Moment überhaupt nicht sind, zahlen sie ein solch hohes Blindengeld, weil die agierenden Parteien, die Regierungsparteien, das so wollen. Das ist aber eine Sache. Und dann erklären Sie uns hier noch freudestrahlend, was Sie alles so für Leistungen zurückgenommen haben beziehungsweise wieder dort hingehoben haben, wo sie es vorher gar nicht hatten bei der Kürzung.
Welcher Verein der Selbsthilfe hat bei der Anhörung gesagt, dass der Härtefonds nicht mehr sein soll, welcher?
Nicht einer! Ich spreche von der Selbsthilfe, meine Damen und Herren. Es dürfte sich ja nun langsam, aber sicher in den Köpfen mal eingeprägt haben, die Freie Wohlfahrtspflege ist keine Selbsthilfe. Die Selbsthilfeverbände und -vereine sind die Vereine, die Betroffene zusammenführen, agieren lassen zugunsten von Betroffenen. Und wir betroffenen Verbände, ausschließlich alle betroffenen Verbände, haben uns für den Härtefonds ausgesprochen. Es stimmt, wir haben uns nicht dafür ausgesprochen, das in ein Nachteilsausgleichsgesetz zu schreiben, weil ein Härtefonds kein Nachteilsausgleich ist.
Und wir haben uns auch dafür ausgesprochen, dass der Paragraf, so, wie er da steht, abgeschrieben übrigens aus dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz, aus der Präambel, so natürlich nicht funktioniert. Dann müssten wir hier in Mecklenburg-Vorpommern GummiEuros haben, um mit 500.000 Euro diese ganzen Dinge, die da aufgeschrieben sind, zu unterstützen. Sie haben mit einem Nachteilsausgleich nichts zu tun, sie haben mit einem Härtefonds was zu tun, wenn der Paragraf dementsprechend ausgestattet ist. Dass der gestrichen werden sollte, ohne irgendwo wieder aufzutauchen, also das ist eine Interpretation aus den Stellungnahmen, die
ja alle schriftlich vorliegen, die ich, die unsere Fraktion, meine Fraktion überhaupt nicht nachvollziehen kann. Demzufolge Frage: Wo ist der Härtefonds geblieben? Ist dieses Feigenblatt, weil die Blinden und Sehbehinderten sich so gewehrt haben gegen die Kürzungen, nun nicht mehr nötig?
Genauso wurde bei der Anhörung immer wieder darauf hingewiesen, auch von Blinden und Sehbehinderten, uns wurden auch schriftliche Stellungnahmen zugeschickt, und ich betone, bei den Stellungnahmen haben wir Stellungnahmen von den Behindertenvereinen und -verbänden dieses Landes Mecklenburg-Vorpommern, auch die Rheuma-Liga, Asthma-Erkrankte, die DMSG, Multiple-Sklerose-Betroffene und, und, und haben sich geäußert. Immer wieder wurde gefragt, Nachteilsausgleichsgesetz, Nachteilsausgleichsgesetz und dann kommt Landesblindengeld, das ist ja wohl zu wenig. Es haben ja wohl noch andere Behindertengruppen Anspruch auf Nachteilsausgleich.
Ja, auch wir als Regierung SPD/PDS haben es nicht angefasst, weil wir so in den roten Zahlen standen, dass einfach keine Möglichkeit war. Aber jetzt sich hinzustellen und ein Nachteilsausgleichsgesetz machen zu wollen und nicht zu prüfen, wer kriegt denn noch was, das ist einfach schlicht und ergreifend falsch und Augenverkleisterung, um es nicht am Landesblindengeldgesetz festzumachen. Und dann noch mir die Frage zu stellen im Sozialausschuss, Herr Heydorn: „Es ist Ihnen aber bewusst, Frau Müller, dass, wenn andere Behindertengruppen auch Nachteilsausgleich kriegen, das Landesblindengeld noch kleiner wird?“! Nein, das ist mir nicht bewusst. Mir ist nicht bewusst, dass wir hier in Mecklenburg-Vorpommern behinderte Menschen gegeneinander ausspielen