Protocol of the Session on January 28, 2009

Aufrechterhaltung einer effektiven Schulentwicklungsplanung.“

Wir wissen, dass ein wohnortnahes Schulangebot aller Schularten für ein Flächenland wie das unsere von existenzieller Bedeutung ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich darf gleichzeitig daran erinnern, dass immer noch 21 Gymnasien und weitere Schularten mit einer Ausnahmegenehmigung betrieben werden, die zum kommenden Schuljahr ausläuft. Es wäre doch deshalb zu erwarten gewesen, dass es im Gesetz Regelungen gegeben hätte, die die bestehenden Schulstandorte – vor allen Dingen im ländlichen Raum – längerfristig sichern. Das allerdings macht der Gesetzentwurf nicht zwingend. Die Festlegung von Schülermindestzahlen im Paragrafen 45 für die Eingangsklassen 1, 5 und 7 werden zwar gering modifiziert, aber vom Grundsatz her beibehalten.

(Hans Kreher, FDP: Ja.)

Damit bleiben die Hürden, die übersprungen werden müssen, um den Standort zu erhalten. Und wer von Ihnen schon einmal Schulentwicklungsplanung vor Ort mitgemacht hat, kann davon ein trauriges Lied singen. Es fehlen zwei Schüler und die Schule wird geschlossen. Nun können die Schulen über Klassengrößen selbst entscheiden, denn das ist ja ein Element von Selbstständiger Schule, nur über die Größe der Eingangsklassen nicht. Selbst wenn sie mit den verfügbaren Stunden der Zuweisung in einer Eingangsklasse zum Beispiel mit 20 Schülern statt mit den vorgeschriebenen 22 den Unterricht absichern könnten, müssten sie zur Erhaltung des Schulstandortes – wie bisher auch – eine Ausnahmegenehmigung beim Bildungsministerium beantragen. Wird sie abgelehnt, ist die Schule zu schließen. Nun, das ist nicht wirklich selbstständig.

(Hans Kreher, FDP: Ja.)

Wegen der Verschiebung der freien Schulwahl ab Klasse 5 zum Schuljahr 2010/11 gibt es zum kommenden Schuljahr noch eine relativ hohe Planungssicherheit, zumindest für die Schulen, die gegenwärtig noch nicht mit einer Ausnahmegenehmigung betrieben werden. Greift die freie Schulwahl, dann werden die Vorplanungen für die Schulträger, für die Träger der Schulentwicklungsplanung, schwieriger, weil sich Schülerströme nicht mehr so genau vorhersagen lassen. Über die Beeinträchtigung der Chancengleichheit und der damit verbundenen Vorschriften zur Schülerbeförderung habe ich mich bereits an dieser Stelle in der Ersten Lesung ausführlich geäußert. Sie wurde nicht verändert, die Bedenken nicht ausgeräumt und eine Lösung per Entschließung vertagt. Damit ist aus unserer Sicht das Verfassungsgebot der Folgenabschätzung nicht realisiert.

Mit der Einführung der schülerbezogenen Stundenzuweisung und der Aufhebung von Klassengrößen und Zügigkeiten sind aus unserer Sicht eben künftig Schülermindestzahlen auch für Eingangsklassen nicht nur überflüssig, sie sind systemfremd. Und die im Gesetzentwurf genannten Ziele zu diesem Bereich werden nicht nur nicht erreicht, sie werden durch sie konterkariert. Deswegen haben wir Ihnen erneut unseren Änderungsantrag vorgelegt, der die Abschaffung der Mindestschülerzahlen für die Eingangsklassen beinhaltet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das nächste Ziel ist die „Erhöhung der Qualität des Unterrichts an unseren Schulen durch effiziente und individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler“. Unter der Voraussetzung einer ausreichenden Finanzierung, und nur unter dieser, sind im Gesetzentwurf dazu die wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, die rechtlichen in der Tat. Die Schulprogramme und die interne und externe Evaluation können die Prozesse für alle Beteiligten abrechenbarer und transparenter gestalten. Das ist eine Weiterentwicklung der gegenwärtigen Rechtslage. Bei der Evaluation bleibt allerdings die Schwierigkeit, wie denn Qualität zu messen ist. Nur Tests und Vergleichsarbeiten heranzuziehen, wird dafür nicht ausreichen.

Aus unserer Sicht ist es deshalb auch ein Mangel, dass gemäß Paragraf 39a Absatz 5 eine Teilnahmepflicht für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und sogar schulische Mitarbeiter – rein theoretisch auch die Sekretärin – besteht, an Tests, Befragungen, Erhebungen und Unterrichtsbeobachtungen teilzunehmen. Auch hier hält sich das Vertrauen, in diesem Fall der Koalitionsfraktionen, wohl in erträglichen Grenzen. Und vom dauernden Messen und Wiegen allein wird eine wirkliche Qualitätsverbesserung noch nicht Realität. Auch hier ist eine abschließende Bewertung der Folgen des Gesetzentwurfes nicht möglich, da uns die Verordnung zur näheren Ausgestaltung des Schulprogramms und zur Evaluation im Entwurf jedenfalls nicht vorliegt. Auch hier werden wir künftig im Ausschuss zu hinterfragen haben, wie denn die Umsetzung dieser Regelung erfolgt.

Und nun, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zum letzten Ziel der Aufzählung: „Akzentuierung der Eigenverantwortlichkeit und Eigentätigkeit der Schülerinnen und Schüler“. Dieses Ziel erfasst vor allem die Erziehungsfunktion der Schule. Die graduierte Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens, besser bekannt als Kopfnoten, ist in ihren Wirkungen höchst strittig. Landeselternrat, Landesschülerrat und Teile der Lehrergewerkschaften lehnen das ab. Sie befürchten wegen der Bewertung zum Beispiel angepasstes Verhalten und das Zurückhalten eigener Meinungen und von Kritik.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ergebnis von Eigenverantwortung und Eigenständigkeit soll doch ein mündiger Bürger sein und nicht jemand, der den Weg des geringsten Widerstandes geht oder gar eine Ellenbogenmentalität entwickelt. Dazu kommt der verwaltungstechnische Zeitaufwand der Lehrkräfte, der viel besser für den unmittelbaren Erziehungsprozess selbst genutzt werden könnte. Bisher haben wir, wie wir in der Anhörung gehört haben, ja den Schulen auch selbstständig und eigenverantwortlich die Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens überlassen, und zwar mit sehr unterschiedlichen Verfahren an einzelnen Schulen. Warum also überlässt man es nicht den zukünftig so Selbstständigen Schulen, ebenso selbstständig und eigenverantwortlich dieses im Zusammenwirken mit

Eltern, Schülerinnen und Schülern zu gestalten? Zu viel Selbstständigkeit?

Die Rechte und Pflichten der Erziehungsberechtigten ausführlicher zu regeln, findet unsere Zustimmung. Es ist, um das Bildungs- und Erziehungsziel zu erreichen, eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften und den Erziehungsberechtigten erforderlich. Dazu die Rechte und die Pflichten der Erziehungsberechtigten nochmals ausdrücklich im Gesetzestext auszuweisen, kann dabei helfen, die Verantwortung besser und intensiver zu verdeutlichen, um den Eltern zu ermöglichen, sie wahrzunehmen. Allerdings halten wir die Normierung von Pflichten nach wie vor für problematisch, die sozial schwache Erziehungsberechtigte wegen ihrer Einkommenssituation wohl kaum realisieren können. Ausgrenzung und Stigmatisierung könnten die Folge sein. Offen bleiben Rechtsfolgen.

Nun zu einigen Einzelbestimmungen des Gesetzentwurfes:

1. Die Regelungen zu den Ganztagsschulen

Es geht um die Umwandlung von offenen Formen der Ganztagsschule in gebundene Formen. Die Anzuhörenden hatten massiv bemängelt, dass mit den Festlegungen unzulässig in die selbstständigen Entscheidungen der Schulen und der Schulträger eingegriffen wird. Die Förderung von offenen Ganztagsschulangeboten wird praktisch eingestellt. Nun ist unbestritten, auch von uns, dass die gebundene Form sowohl pädagogisch als auch schulorganisatorisch zum Beispiel wegen der Schülerbeförderung durchaus nicht nur bildungspolitische, sondern auch andere Vorteile hat, insbesondere im ländlichen Raum. Das allerdings ist in den größeren Städten unseres Landes nicht automatisch so. Dort können offene Angebote durchaus eine wirkliche Alternative sein. Hinzu kommt, dass Sie durch die Ausrichtung auf gebundene Formen – auch mit Übergangsfristen, Herr Minister – bei den Schulträgern die Sachkosten erhöhen, ohne einen Ausgleich zu schaffen.

(Zuruf von Minister Henry Tesch)

Auch hier hätten Sie die Konnexitätsregelung der Landesverfassung aus unserer Sicht berücksichtigen müssen.

2. Schulsozialarbeit

Meine Fraktion hatte einen Änderungsantrag eingebracht, der sich umfassend mit der Schulsozialarbeit befasst. Dieser Vorschlag basiert auf einem Vorschlag der Expertenkommission. Wir legen ihn heute erneut vor.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Wir sind der Meinung, dass gerade mit Blick auf die Weiterentwicklung der Bildungs- und Erziehungsfunktion die Schulsozialarbeit ein tragendes Element ist. Sie sollte deshalb im Schulgesetz nicht irgendwo versteckt vorkommen, sondern mit einer eigenen Rechtsnorm als Paragraf 4a „Schulsozialarbeit“ dem Teil 1 „Recht auf schulische Bildung und Auftrag der Schule“ ihrer Bedeutung entsprechend präsent sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Übrigens, das kostet auch nix.

3. Kooperation von Schulen in Schulzentren

Der bisherige Paragraf 12 des Gesetzes wird komplett abgeschafft. Dort war eine Bedingung für Schulzentren, dass sie die Eigenständigkeit der Bildungsgänge zu gewährleisten haben. Das haben Sie aufgehoben und dafür eine windelweiche Formulierung an den Paragrafen 11 angehängt, dass die Schulen in einem Schulzentrum organisatorisch und pädagogisch kooperieren sollen. Damit schaffen Sie die Voraussetzungen, dass zum Beispiel ein Schulzentrum aus einem Gymnasium mit Regionaler Schule oder einem Regionalschulteil gebildet werden kann. Die Folge kann eine Schwächung von Gesamtschulen als integrative Schularten sein. Damit wird dem Ziel des längeren gemeinsamen Lernens aus unserer Sicht Schaden zugefügt. Den Empfehlungen der Bildungskommission läuft dieses zuwider.

4. Abschaffung der Prüfung beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe an Gymnasien und Gesamtschulen

Schülerinnen und Schüler, die vor dem Abitur die Schule verlassen, haben nunmehr nach der neuen Rechtslage zwei Möglichkeiten: a) sie begnügen sich mit der Berufsreife, also einem Abschluss entsprechend dem Hauptschulabschluss, oder b) sie melden sich dann, wenn sie die Schule, also das Gymnasium verlassen nach der Jahrgangsstufe 10, zu einer Prüfung an, die zur Mittleren Reife führt.

Im zweiten Fall war es im ursprünglichen Gesetzentwurf die automatische Rückkehr zu einer Nichtschülerprüfung, bei der die Initiative, an ihr teilzunehmen, allein bei den Schülerinnen und Schülern lag. Mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der im Ausschuss beschlossen wurde, ist es jetzt wenigstens eine zentrale Prüfung.

(Mathias Brodkorb, SPD: Sehen Sie!)

Die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit wird jedoch vor allem eine Frage der Motivation dieser Schülerinnen und Schüler sein. Da müssen die Schülerinnen oder die Schüler wegen Leistungsproblemen oder aus manchmal sozialen oder anderen individuellen Problemen die gymnasiale Oberstufe verlassen. Das alleine kommt oft für die Persönlichkeitsentwicklung schon einem persönlichen Offenbarungseid dieser betreffenden Mädchen oder Jungen nahe, ist mit Sicherheit – weil wer verlässt schon gerne den höchsten Bildungsgang bei uns im Land – deprimierend und demotivierend. Und dann sollen sich diese Schülerinnen und Schüler aufraffen, eine Prüfung, und zwar ganz alleine, zu absolvieren – nicht im Klassenverband oder in der Lerngruppe, sondern ganz alleine. Ich habe da große Zweifel.

Erinnern möchte ich an die Geschichte der Ursprungsregelung in diesem Gesetz. Denn es war damals die Bluttat am Erfurter Gymnasium, die zu der Regelung der Einführung einer Prüfung beim Übergang von der Jahrgangsstufe 10 in die Jahrgangsstufe 11 führte, damit jemand, der danach das Gymnasium verlässt, wenigstens den mittleren Abschluss hat. Eine von mir aus auch zentrale Prüfung für alle, die in die gymnasiale Oberstufe wechseln, halte ich nach wie vor für den richtigen Weg. Sie schafft neben einer leistungsbezogenen Standortbestimmung für den Einzelnen auch eine Gleichbehandlung ohne die Gefahr der Diskriminierung und entspricht der Durchlässigkeit der Bildungswege. Auch darüber habe ich vorhin in meiner Rede schon gesprochen.

5. Berufliche Bildung

Im Zentrum der Diskussion um Änderungen im Schulgesetz stehen erfahrungsgemäß, und das war ja meistens auch so, die allgemeinbildenden Schulen. Darum fällt es weniger auf, wenn sich bei den Berufsschulen Änderungen ergeben, die zumindest fragwürdig sind. Im Gesetzentwurf wird in Paragraf 54 ein neuer Absatz 4 angefügt. Ich zitiere diesen Absatz:

„Abweichend von Absatz 1 und 2 sind Schüler an beruflichen Schulen zur Zahlung angemessener Schulkosten verpflichtet, sofern sie im Rahmen einer Maßnahme beruflicher Bildung individuell gefördert werden und einen Anspruch auf Erstattung der Kosten durch Dritte haben. Für Leistungen der beruflichen Schulen, die über das Regelangebot hinausgehen, können Gebühren erhoben werden.“ Ende des Zitats.

Nun, das bedeutet, dass jetzt Jugendliche, die eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren sollen oder wollen und dafür zum Beispiel von der Arge oder anderen Dritten Geld oder Förderung erhalten, dieses als Schulkosten, ganz oder teilweise, das bleibt immer noch offen, an das Land entrichten müssen. Gebühren kann die berufliche Schule, also das Land, fordern, wenn zum Beispiel Weiter- oder Fortbildungsmaßnahmen angeboten werden. Wie genau das dann geregelt wird, wird dem Ministerium überlassen. Dafür wurde die entsprechende Verordnungsermächtigung in Paragraf 69 Absatz 5 eingearbeitet. Dieses Ansinnen kann man wohl nur als Schritt der Privatisierung klassifizieren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist auch eine Sauerei!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe zwar noch nicht alles, was ich sagen wollte, gesagt, aber eines würde ich trotzdem gerne deutlich machen: Lehrerinnen und Lehrer werden ab dem 01.08. mit diesem Gesetzentwurf, der hier heute mehrheitlich verabschiedet wird, leben müssen. Ich möchte namens meiner Fraktion sagen, wir danken den Lehrerinnen und Lehrern für das, was sie täglich tun. Wir wollen gemeinsam mit ihnen an der Weiterentwicklung von Schule in diesem Lande tätig werden und die Regierungskoalition sowie die Regierung im Sinne der heutigen Diskussion und Beschlussfassung gerne unterstützen, ein wirklich zukunftsfähiges Bildungssystem in diesem Lande weiterzuentwickeln. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Minister Henry Tesch)

Danke schön, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Kollege Bluhm, die Länge Ihrer Ausführungen ist ja, wenn man sie an der Länge der Beschlussempfehlung misst, durchaus angemessen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und sehr sachlich, sehr sachlich. Das machen Sie erst mal nach!)

Gleichwohl werden Sie es mir nachsehen, dass ich mit diesen nahezu titanenhaften Ausführungen nicht versuchen werde, zu konkurrieren, was die Länge angeht.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Ich habe auch ein gewisses Verständnis dafür, dass das so lange dauern musste, weil Sie sich ja durchaus auch in einer Zwickmühle befinden,