Protocol of the Session on October 21, 2008

Die sympathischen Bilder, die Sie mit den Rapsfeldern unter schöne Natur malen, mit dem so großen Himmel, mit dem hohen Himmel können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Natur- und Umweltschutz in MecklenburgVorpommern an den Rand gedrängt worden sind. Und die Erwähnung der Alleen hätten Sie sich lieber sparen sollen, denn was auf diesem Gebiet passiert, ist nicht gerade ein Ruhmesblatt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Die Alleen sind durch massive Verkehrsbelastungen, großzügigen Einsatz von Tausalz stark geschädigt. Die Kettensäge hat momentan Blütezeit. Die Nachpflanzungen bleiben deutlich unter dem Versprochenen und reichen bei Weitem nicht aus, um den Bestand zu erhalten.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Wir hoffen, dass der neue Verkehrsminister neue, bessere Akzente auf diesem Gebiet setzen wird.

Herr Ministerpräsident, Sie haben die Chancengleichheit in der Bildung hervorgehoben. Das ist immer wichtig. Viel wichtiger wäre allerdings zu erfahren, mit welchen konkreten Maßnahmen sie ausgebaut werden soll.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Mit dem kostenlosen Mittagessen nur für Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern verbessern Sie die Chancengleichheit auch nicht, im Gegenteil. Das führt zu einer zusätzlichen Stigmatisierung der Kinder und ihrer Eltern.

(Harry Glawe, CDU: Sie können ja Gutscheine drucken lassen. Das haben wir nicht geschafft. – Dr. Armin Jäger, CDU: Sie können ja Gutscheine verteilen.)

Sie halten eine gesunde Ernährung für alle Kinder für wichtig. Warum denn nur für eine Gruppe und nur in den Kitas?

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir machen doch immer, was Sie sagen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die Volksinitiative für ein kostenloses Mittagessen an den Grundschulen hätte Ihnen die Möglichkeit gegeben zu zeigen, dass es Ihnen wirklich ernst ist und dass Sie wenigstens Schritte auf diesem Weg gehen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Aber Fehlanzeige.

Das Ziel, die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss um fünf Prozent zu reduzieren und die Abiturientenquote bis 2020 entschieden zu steigern, steht bereits im Koalitionsvertrag. Ich hätte mir gewünscht, Sie erklärten, wie das Ziel erreicht werden soll. Bis 2020 sind es immerhin noch zwölf Jahre, ein kompletter Schülerjahrgang. Bis dahin gibt es mindestens zwei weitere Landesregierungen. Die Frage ist: Was wollen Sie bis 2011 erreichen? Vielleicht hoffen Sie auf neue Erkenntnisse beim Bildungsgipfel der Kanzlerin in den nächsten Tagen. Sie wollen mehr Ganztagsschulen – okay, das wollen wir auch. Ich würde Ihnen empfehlen, mal in den Entwurf des Schulgesetzes zu sehen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Dort soll in Paragraf 143 die Landesförderung für offene Ganztagsschulen praktisch eingestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Das Land zahlt nur die Personalkosten, die Sachkosten übernehmen die Schulträger. Gebundene Ganztagsschulen werden aber für die Schulträger teurer. Sie finanzieren damit ihre Ziele auf Kosten anderer.

Zu Hochschulen als Bildungseinrichtungen kein Wort in Ihrer Regierungserklärung. Nun ja, bei dem Murks, den die Koalitionsfraktionen in den letzten Monaten bei den eigenen Gesetzentwürfen abgeliefert haben, ist es wohl auch besser, den Mantel des Schweigens darüber auszubreiten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Möglicherweise meinen Sie das auch in Bezug auf Kulturpolitik, denn auch die kommt in Ihrer Rede nicht vor.

(Michael Roolf, FDP: Richtig so.)

Dass bei dem, was die Regierungskoalition unter Kulturpolitik versteht, Schmalhans Küchenmeister ist, haben wir in Ihrer bisherigen Amtszeit hinreichend erfahren. Soll das so weitergehen? Das Wismarer Manifest von Kulturschaffenden und Kulturinteressierten benennt, was nötig wäre, ich zitiere: „Wir sind überzeugt, dass Kunst und Kultur für die Zukunft von Mecklenburg-Vorpommern eine zentrale strategische Bedeutung haben.“ Zitatende. Und das zeigt, was wirklich ist, ebenfalls Zitat: „Wir sind höchst besorgt über die Profillosigkeit von Kulturpolitik in MV.“ Zitatende.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir sind uns darin einig, dass die Auseinandersetzung mit den Nazis und ihren Ideologien von allen Demokratinnen und Demokraten auch bei ansonsten unterschiedlichen politischen Situationen gemeinsam geführt werden muss, und da lassen wir auch nichts dazwischenkommen, Herr Kollege Jäger und andere, die gemeinsam daran arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Entscheidend für die Auseinandersetzung ist, ob die Politik im Lande den alten und den neuen Nazis den Wind aus den Segeln nimmt. In diesem Fall ist in Richtung Landesregierung zu fragen: Was unternimmt die Landesregierung zur Festigung demokratischer Strukturen im soziokulturellen Bereich, bei Jugendklubs, bei Streetworkern, bei Theatern und so weiter, um nicht die Räume für Nazis im wahrsten Sinne des Wortes frei zu machen? Die Zentren für Demokratie und Toleranz leisten, wie wir wissen, einen wichtigen Beitrag. Die Schließung von Jugendklubs können sie jedoch nicht kompensieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich denke, wir müssen noch einmal gründlich darüber nachdenken, wie wir diese Räume mit demokratischem Geist ausfüllen können.

Wie steht es um die soziale Gerechtigkeit? Sie sprechen vom Kinder- und Familienland Mecklenburg-Vorpommern. Die Sätze klingen alle schön, allerdings mehr wie in einer Neujahrsansprache und nicht wie in einer Regierungserklärung. 50 Prozent aller Kinder unter 15 Jahren leben in unserem Bundesland in Familien, deren Eltern Hartz-IV-Leistungsbezieher beziehungsweise Geringverdienende sind. Sie leben in Armut beziehungsweise sind von dieser bedroht. Ich wiederhole: 50 Prozent! Was haben Sie dagegen unternommen? Was wollen Sie dagegen unternehmen im Land und mit Ihrem Engagement auf Bundesebene? Sie haben monatelang unsere Anträge abgelehnt, mit denen wir die Situation von Hartz-IV-Betroffenen, insbesondere die der Kinder, verbessern wollten.

(Michael Andrejewski, NPD: Unsere haben Sie abgelehnt. – Raimund Borrmann, NPD: Ha! Ha!)

Aber wir sind froh darüber, Sie haben heute auch dazu gesprochen, wenn Sie zu einer anderen Einsicht gekommen sind.

Einen Landesfamilientag und Landeswettbewerbe mögen wichtige Maßnahmen sein, das Klima für Familien zu verbessern. Das Klima, meine Damen und Herren, allein reicht nicht aus. Notwendig sind armutsfeste Familieneinkommen, einschließlich der Renten, die auch dazu beitragen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Notwendig ist ein kostenloser chancengleicher Zugang zur Bildung für alle von der frühkindlichen Bildung an. Notwendig ist eine bedarfsgerechte und flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle, einschließlich der Pflege. Seniorinnen und Senioren brauchen wie Menschen mit Behinderung Barrierefreiheit im Land. Aber was machen Sie? Sie greifen den Blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen in die Tasche.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Sie kürzen das Landesblindengeld. 35.000 Protestunterschriften sind nach unseren Informationen heute der Landesregierung übergeben worden und diese fordern wie wir: Hände weg vom Landesblindengeld!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Herr Ministerpräsident, Ihre Regierungserklärung ist auch aus einem anderen Grund für uns eine Enttäuschung. Als ehemaliger Justizminister hätte ich von Ihnen zumindest erwartet, dass Sie zur zukünftigen Ausrichtung der Justiz des Landes etwas sagen. Was ist mit der Zukunft der Gerichtsstandorte?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dazu diskutieren wir heute noch.)

Wie geht es weiter mit den Sozialgerichten? Halten Sie es für legitim, durch die Einschränkung der Klagemöglichkeiten von Hartz-IV-Empfängern das Überlastungsproblem der Gerichte zu lösen? Wir meinen, Hartz IV ist ein schlechtes Gesetz und es muss überwunden werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich vermisse in der Regierungserklärung auch ein klares Bekenntnis zur Stärkung der direkten Demokratie. Angesichts des Umgangs der Koalition mit der Volksinitiative „Kein Steinkohlekraftwerk in Lubmin“ wäre das sehr angebracht gewesen. Aus der Ankündigung der Landesregierung von vor eineinhalb Jahren, plebiszitäre Elemente zu stärken, ist leider nichts geworden.

Herr Ministerpräsident, ich wollte eigentlich zur Verwaltungsreform noch längere Ausführungen machen, aber ich will darauf verzichten. Aber eines will ich zumindest feststellen: Was die Funktionalreform und den Umgang mit den unteren staatlichen Behörden betrifft, hat Sie offensichtlich der Mut verlassen, zumindest nach den Informationen, die wir haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Sie haben leider auch nichts zu den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen gesagt. Das ist in der Zukunft dann weiterzudiskutieren. Auf jeden Fall ist es doch so, dass spätestens seit Einführung von Hartz IV die Landkreise und kreisfreien Städte vor einem finanziellen Fiasko stehen. Sogenannte freiwillige Leistungen gibt es faktisch nicht mehr. Der Druck aus dem Innenministerium in Haushaltsfragen ist immens und rät zum Verkauf auch des letzten öffentlichen Eigentums.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Dabei können wir froh sein, dass nicht alle Kommunen dubiose Cross-Border-Leasing-Geschäfte gemacht haben wie einige in unserem Lande.

Summa summarum, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, mit Plattitüden und seichten Ankündigungen ohne Untersetzung werden Sie das Land nicht voranbringen. Das war heute nichts, aus unserer Sicht eine große Enttäuschung. Dafür können Sie nicht mit unserer Unterstützung rechnen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)