Ich nenne hier nur beispielhaft die Medizintechnik, die maritime Wirtschaft und die erneuerbaren Energien. Dies sind Wachstumsbranchen in Mecklenburg-Vorpommern, dies sind die Branchen, für die insbesondere ein verstärkter Fachkräftemangel in Zukunft prognostiziert wurde. Der Verdrängungsprozess von Frauen gerade aus technischen Berufen in der Nachwendezeit ist eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, die wir auch wegen des prognostizierten Fachkräftemangels unbedingt umkehren müssen.
Die Zielgruppe der Wirtschaft für die Besetzung von Stellen in diesen Bereichen ist allerdings jung und männlich und somit vermeintlich flexibel. Hier ist unbedingt eine Blickfelderweiterung notwendig. Auch die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen ist zur Sicherung der Fachkräftebasis unverzichtbar. Aktuelle Studien belegen zum Beispiel, dass Unternehmen, in denen mehrere Frauen führende Positionen einnehmen, höhere Gewinne erwirtschaften. So erzielen zum Beispiel die vier mit den meisten Frauen im Vorstand eine bis zu 53-prozentige höhere Eigenkapitalrendite gegenüber den vieren, die weniger Frauen in Führungspositionen beschäftigen.
Und noch etwas ist zu beobachten. Dort, wo gut bezahlt wird, finden sich Männer von ganz allein. Hier möchte ich nur auf den Beruf der Bankkaufleute oder die Abwertung von Erziehungs- und Pflegeberufen durch die überwiegende Beschäftigung von Frauen hinweisen. Vor der Wende waren zum Beispiel im Bankgeschäft fast ausschließlich Frauen beschäftigt und in noch früheren Zeiten wurden die Lehr- und Erziehungsberufe fast ausschließlich von Männern ausgeübt, die davon offensichtlich auch noch mit ihren Familien leben konnten. Der signifikante Mangel an Erziehern und Lehrern – und damit meine ich Männer – wird mittlerweile als großes Defizit empfunden.
hat kürzlich trefflich dazu kommentiert: „Die armen Jungs müssen irgendwie allein mit den starken Medien fertig werden. Weiberwirtschaft – das ist keine beruhigende Aussicht für die an die Macht gewohnte Männerwelt und ihre exklusiven Spielregeln. Die verunsicherten Jungs und ihr Machogehabe, ihre Gewaltverliebtheit kommen da gerade recht. Politik und Wissenschaft entdecken in den armen Jungs die neuen Benachteiligten. Mädchen haben Jahrhunderte gebraucht, um bei uns geschlechtsunabhängige Entwicklungschancen gewährt zu bekommen. Die Jungs schaffen die Beachtung ihrer vermeintlichen Probleme im Schnelldurchgang. Sogar Landtage erklären, assistiert von Superforschern, parteiübergreifend einen neuen pädagogischen Notstand, verlangen sofortiges Gegensteuern. Gemeinsamer Tenor aller Vorschläge: Der Einfluss der Frauen in der Erziehung muss zurückgedrängt werden, am besten durch Männerquoten, beim Kita-Personal und in der Lehrerschaft.“ Wenn Udo Knapp hier auch ironisch klingen mag, das Problem ist ernst gemeint.
Eine gerechte und menschliche Gesellschaft kann nur mit beiden Geschlechtern entstehen. Es ist uns daher wichtig, dass Männer auch in Erziehungs- und Pflegeberufe gehen. Das allein wird aber nicht reichen. Wir brauchen den Gender-Blick zum Abbau von geschlechterbezogener Benachteiligung in allen Bereichen der Gesellschaft, in Erziehung und Bildung, vor allem auch in der Ausbildung unserer Erzieherinnen und Erzieher, unserer Lehrerinnen und Lehrer, in den geisteswissenschaftlichen Studiengängen, in Medizin und Psychologie oder Jura sowie ganz besonders in der Wirtschaft. Nur mit einem ganzheitlichen Ansatz werden wir es tatsächlich schaffen können, den geschlechtspezifisch geteilten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aufzubrechen und vor allem die damit verbundene soziale Benachteiligung von Mädchen und Frauen in ihrem festgefahrenen Berufsspektrum zu überwinden.
Jungen und Mädchen, Frauen und Männer sollen die berufliche Perspektive verfolgen können, die ihren individuellen Fähigkeiten und Neigungen auch jenseits tradierter Rollenbilder entspricht und nicht mit sozialer und materieller Benachteiligung verbunden ist. Das ist in der Tat mehr, als nur Männer in soziale und Frauen in technische und naturwissenschaftliche Berufe zu bringen. Deshalb bedarf es einer klaren politischen Strategie und damit bin ich wieder beim Anliegen des Antrages.
Wir müssen auf der einen Seite das Interesse der Mädchen an naturwissenschaftlichen und technischen Berufen und Fächern sowie das Interesse der Jungen an sozialen Berufen frühzeitiger in Kita und Schule gezielt wecken und fördern. In der Berufsfrühorientierung, in Berufspraktika und Berufsberatung müssen geschlechtsspezifische praxisnahe Angebote zur Selbstverständlichkeit werden. Auf der anderen Seite kommt es aber auch ganz entscheidend darauf an, unsere Gesellschaft fit zu machen, damit sie die daraus ergebende Entwicklung nicht nur toleriert, sondern auch fördert.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Parlamentarische Gleichstellungsbeauftragte hat in allen Ministerien bereits Workshops durchgeführt, um die Häuser darin zu schulen, Benachteiligungen von Frauen und Männern zu erkennen, um sie auch berücksichtigen zu können.
Bereits im Koalitionsvertrag unter den Ziffern 147 bis 254 folgende und 260 bis 267 folgende haben wir explizit die Felder benannt, die wir hierzu umsetzen wollen.
An vielen Stellen beziehungsweise in vielen Gesetzen ist der Gleichstellungsaspekt bereits heute durchaus berücksichtigt worden. Allein, es fehlen ein Gesamtkonzept sowie die Kontrolle, ob dieser auch bei der Umsetzung berücksichtigt wird. Und hier behaupte ich, nein, dies ist gerade im Bereich Bildung und Wirtschaft zwar Theorie, jedoch der Nachweis der Umsetzung fehlt. Auch wenn man heutzutage immer noch zuhauf Lehrerinnen trifft, mit denen man auf der einen oder anderen Veranstaltung ins Gespräch kommt,
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Bei anderen Dingen haben Sie gesagt, das steht alles in der Koalitionsvereinbarung.)
und sie ständig von sich sagen, sie wären Lehrer, denk ich mal, dass da doch einiges versagt hat. Dieser Antrag soll die Konkretisierung sein für den Handlungsrahmen. Gefordert sind hier in erster Linie das Wirtschaftsministerium, aber auch das Bildungsministerium, denn hier sind die Schlüsselkompetenzen angesiedelt.
Zu unserem Antrag liegen hier zwei Änderungsanträge vor. Der erste, der eingegangen ist, ist von der Fraktion der FDP. Und da, Herr Grabow, muss ich ganz einfach sagen, das Thema ist verfehlt.
Also uns geht es in unserem Antrag „Berufe haben kein Geschlecht“ nicht vordergründig um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern die Thematik zielt ganz deutlich auf die Überwindung der geschlechtsspezifischen Entmischung des Arbeitsmarktes. Und dann muss ich noch dazusagen, wenn Sie in Ihrem zweiten Spiegelstrich hier schreiben, „im Rahmen des lebenslangen Lernens auf eine modularisierte Aus-, Fort- und Weiterbildung hinzuwirken, damit Frauen ihre Lebensverlaufsmodelle frei wählen und sich nach Familienphasen weiter qualifizieren können“ und dann im nächsten Spiegelstrich, „sich gemeinsam mit Kommunen und Unternehmen für innovative, flexible und qualitativ hochwertige Angebote der Kinderbetreuung einzusetzen“, ist das Letztere natürlich durchaus wünschenswert und an anderer Stelle richtig angebracht. Aber wenn Sie von Frauen und ihrem Lebensverlauf sprechen, muss ich fragen: Wo sind denn da die Männer, Herr Grabow?
Zum Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE schlage ich vor oder stelle den Antrag hiermit, die Punkte 1 und 2 gesondert abzustimmen, denn den Punkt 1 würden wir gern unterstützen und aufnehmen. Eigentlich war es für uns selbstverständlich, dass man, um dieses Rahmenkonzept zu erstellen, natürlich die Mittel, die man bereits hat, evaluiert. Also von daher ist es etwas, was folgerichtig und schlüssig ist. Deswegen würden wir das an der Stelle gern aufnehmen.
Punkt 2 jedoch würden wir nicht aufnehmen. Dem werden wir nicht zustimmen, denn ich denke mal, damit werden wir wieder eine Zeitschiene aufmachen für einen Zeitraum, für den wir uns nicht mehr Zeit nehmen sollten. Wir haben hier in unserem Antrag mit unseren Spiegelstrichen ganz konkrete Maßnahmen benannt, die wir für unerlässlich halten, dieses Konzept zu erstellen, und deswegen explizit hineingeschrieben, genau das soll das Konzept beinhalten. Wir wollen heute den Beschluss, dass das gemacht wird,
Wir wollen nicht noch einmal in den Ausschüssen darüber beraten, ob, wie und warum, und damit den Zeitrahmen wesentlich strecken.
Punkt 1 jedoch würden wir gern mit übernehmen. Ansonsten, sehr geehrte Damen und Herren, bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag. – Danke.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, der durch die Justizministerin vertreten wird. Bitte, Frau Kuder.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße den vorliegenden Antrag der Fraktionen von SPD und CDU, denn die Umsetzung der Gender-Thematik gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Mädchen und Jungen, Frauen und Männer haben gleiche Rechte, sie müssen auch gleiche Chancen haben. Das Ziel der rechtlichen Gleichheit und Chancengleichheit von Mädchen und Jungen kann jedoch nur gemeinsam erreicht werden.
Der Antrag weist auf die geschlechtsspezifische Trennung des Arbeitsmarktes und den Fachkräftemangel in unserem Bundesland hin. Angesichts der demografischen Entwicklung können wir auf niemanden verzichten. Wir brauchen jeden Jugendlichen und jede Jugendliche mit seiner oder ihrer Begabung. Berufe haben kein Geschlecht, aber der Mechatroniker ist männlich und die Erzieherin ist weiblich. Das ist im Jahr 2008 die Realität und diese geschlechtertypische Berufswahl hat angesichts der Demografie in unserem Land weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt. Die Mädchen werden Bürokauffrauen, Arzthelferinnen, Kauffrauen im Einzelhandel und Friseurinnen und die Jungen bevorzugen den Beruf des Kraftfahrzeugmechatronikers, des Elektronikers oder des Malers und Lackierers, um nur einige der am häufigsten gewählten Ausbildungsberufe zu nennen.
Mädchen und Jungen entwickeln ihre Vorstellungen vom späteren Beruf bereits in der Kindheit. Je früher Kinder danach befragt werden, desto geschlechtstypischer sind die Antworten. Die eben genannten Beispiele zeigen deutlich, dass insbesondere die Bildungspolitik zur Lösung der angesprochenen Probleme einen Beitrag leisten muss. Dabei müssen wir aber nicht bei null beginnen, sondern können uns der Entwicklung und Verbesserung von Projekten und Maßnahmen widmen, die schon seit geraumer Zeit unter Beteiligung des Bildungsministeriums mit Erfolg durchgeführt wurden. Lassen Sie mich hierzu einige Beispiele exemplarisch herausgreifen.
von 2002 bis 2003 in vier Ministerien Gender-Prozesse initiiert und durchgeführt worden. Im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur war das Projekt auf die Erstellung geschlechtergerechter Rahmenpläne für die Grundschule gerichtet. Gender-Aspekte bildeten die Grundlage sowohl bei der Ziel-, Inhalts- und Methodenwahl, bei den Rahmenplänen als auch bei der Schulbuchzulassung und -auswahl. Ebenso spielten geschlechterspezifische Aspekte bei den Empfehlungen für die Gestaltung des Unterrichts eine Rolle – etwa durch das Aufstellen gemeinsamer Regeln für Jungen und Mädchen und das Angebot positiver Leitbilder für Mädchen und Jungen. Die bei der Entwicklung der Rahmenpläne für die Grundschule gewonnenen Erfahrungen sind inzwischen transferiert worden und in die Erstellung der Kerncurricula für die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe eingeflossen.
Im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer und Lehrerinnen wurde in den vergangenen Jahren versucht, eine Sensibilisierung für die Gender-Thematik zu schaffen. Dies geschieht beispielsweise in einem interkulturellen Arbeitskreis mit Teilnehmern aus der Schule und dem außerschulischen Bereich, bei dem das Gender Mainstreaming immer wieder thematisiert wird.
Erste Erfolge lassen sich auch bei der Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des nationalen Paktes zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft verzeichnen, der das Bild der MINT-Berufe, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, in der Gesellschaft verändern will sowie junge Frauen für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge begeistern und Hochschulabsolventinnen für Karrieren in der Wirtschaft gewinnen soll. Dieser Pakt ist Bestandteil der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung „Aufstieg durch Bildung“ und wird in MecklenburgVorpommern in besonderem Maße von der Vereinigung der Unternehmensverbände unterstützt. Nicht zuletzt aufgrund dieser Initiative erreicht Mecklenburg-Vorpommern im Bildungsmonitor 2007 des Deutschen Instituts für Wirtschaft im Bereich MINT nach Sachsen den zweitbesten Wert aller Bundesländer.
Im Zusammenhang mit einer geschlechtersensiblen Berufsorientierung spielt der Girls’Day eine wichtige Rolle. Der Girls’Day oder Mädchen-Zukunftstag wird durch die Koordinierungsstelle des Bildungswerkes der Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns seit dem Jahr 2002 federführend betreut und wurde in diesem Jahr wieder mit großem Erfolg durchgeführt. Bei fast 400 Veranstaltungen landesweit hatten über 3.000 Schülerinnen aus allen Schularten die Möglichkeit, einen Einblick in die Arbeitswelt der technischen und naturwissenschaftlichen Berufe zu nehmen. Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Ausweitung des Girls’Days zu einem Girls’Day Plus wurde in Mecklenburg-Vorpommern von verschiedener Seite immer wieder darauf gedrängt, mehr Alternativen für Jungen aufzuzeigen.
Wir müssen beispielsweise versuchen, die Jungen für Berufe im Sozialbereich, in der Pflege und in der Erziehung zu gewinnen. So ist Mecklenburg-Vorpommern zurzeit das einzige Bundesland, in dem die bundesweite Initiative „Neue Wege für Jungs“ noch nicht Fuß fassen konnte. Hier besteht sicher Nachholbedarf. Wir müssen eine Form der Jungenförderung finden, ohne dass der bisherige Erfolg des Girls’Days geschmälert wird.
Beispielhaft für die Förderung von Schülerinnen sei an dieser Stelle auch das Kompetenzzentrum „Frauen für Naturwissenschaft und Technik“ unter Federführung der Fachhochschule Stralsund genannt. Dieses vom Land initiierte Projekt wurde aus Mitteln des Bund-Länder-Fachprogramms zur Förderung der Weiterentwicklung von Hochschule und Wissenschaft sowie Realisierung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre bis 2006 gefördert.