(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Rudolf Borchert, SPD: Anarchie, Anarchie.)
Uns unterscheidet nur, Herr Kreher, einfach ein völlig anderer Begriff von Hochschulautonomie. Sie neigen, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten, glaube ich, auch ein wenig zur Idealisierung der Nähe. Das Argument ist ja immer: Wer vor Ort ist, sieht am besten. Manchmal ist es besser, einen Schritt zurückzutreten, um sich das Ganze anzusehen. Es ist eben nicht immer so, dass alles vor Ort gut gesehen wird. Deswegen ist unsere Position, dass Hochschulautonomie bedeuten muss, dass einerseits die Hochschulen die Freiräume erhalten müssen, die sie benötigen, um ihre wissenschaftliche Exzellenz voranzubringen, aber andererseits auch die Rolle des Staates angemessen sein muss und Hochschulautonomie in einem demokratischen Rechtsstaat nur bedeuten kann, jedenfalls solange Hochschulen öffentlich finanziert werden, dass es da zu einer vernünftigen Balance zwischen den Hochschulen und dem Staat kommt.
So klar Ihr Antrag ideologisch ist, so wenig ist er fachlich überzeugend. Ich möchte das an drei Beispielen deutlich machen:
Erstens. Sie fordern, Zitat: „Die Hochschule Wismar“ wird „im Rahmen ihres Budgets den Haushaltsplan nach Landeshaushaltsordnung in eigener Verantwortung“ ausführen. Zitatende. Wenn ich aufgepasst habe, ist das längst Realität, und zwar nicht nur für Wismar, sondern für alle Hochschulen in diesem Lande, und zwar schon seit geraumer Zeit.
Zweitens. Darüber hinaus fordern Sie, ich zitiere: „Die Landesregierung überträgt die Zuständigkeiten für die Grundstücks- und Bauangelegenheiten der Hochschule Wismar.“ Zitatende.
Ich muss gestehen, ich habe nicht ganz verstanden, was das heißt. Heißt das, dass Sie die Bauangelegenheiten, soweit sie die Hochschulen insgesamt betreffen, Wismar übertragen wollen? Oder heißt das, dass Sie die Bauangelegenheiten der Hochschule Wismar auf Wismar übertragen wollen? Das ist aus der Begründung nicht hervorgegangen. Das Argument lautet, Wismar sei die einzige Hochschule, die über Architekten und Bauingenieure verfüge.
Deswegen hörte sich das für mich so an, als würden Sie quasi Wismar als eine Art Hochschul-BBL organisieren wollen.
Ich fand folgende Bemerkung in Ihrer Begründung interessant, die da lautet, Zitat: „Die Hochschule“ man höre, „hat dafür geeignete Regelungen zur Korruptionsvermeidung zu treffen.“ Zitatende. Das lasse ich mal so stehen.
Dritter Punkt. Dafür habe ich gerade auch als Mitglied dieses Hauses wenig Verständnis, ich zitiere: „Die Hochschule soll nach Maßgabe der Landeshaushaltsordnung berechtigt werden, die ihr zur Nutzung überlassenen Landesgrundstücke zu veräußern.“
„Das Ministerium und der Landtag sind über die getätigten Grundstücksgeschäfte jährlich zu unterrichten.“
Herr Kreher, also mit Verlaub, da beginnt dann das Verständnis auch bei mir verloren zu gehen, dass Sie demokratisch, gesellschaftlich nicht legitimierten Gremien
sozusagen die Veräußerung des Landesvermögens am Landtag vorbei ermöglichen wollen. Das finde ich etwas abenteuerlich.
Deswegen wird es Sie nicht verwundern, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen können. Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen, warum denn die Koalition ihren eigenen Koalitionsvertrag in dem Punkt noch nicht umgesetzt hat. Herr Kreher, das ist ganz einfach. Wir alle wissen, dass im Sommer dieses Jahres eine beim Bildungsminister tätige Expertenkommission ihren Bericht vorlegen wird.
Diese Expertenkommission wird auch etwas zu der Frage sagen, wie das LHG in Fragen der Hochschulautonomie zu ändern sei. Und in der Tat haben die Koalitionäre sich dazu entschlossen, vor der Arbeit der Expertenkommission den nötigen Respekt zu haben und erst einmal die Ergebnisse abzuwarten, um diese angemessen in eine solche Gesetzesberatung einfließen zu lassen.
Letzter Punkt. Das ist vielleicht einmal ein kleiner Vorschlag, dann müssen Sie auch nicht mehr so viele Anträge zur Hochschulautonomie stellen: Wenn Sie denn wirklich ein gestörtes Verhältnis zum Staat haben, ich überspitze das jetzt einmal ein bisschen,
wenn das denn so ist, und auch Herr Roolf für den Standort Wismar etwas tun möchte, gibt es, finde ich, eine ganz einfache Möglichkeit. Er ist ein vermögender Unternehmer. In der FDP gibt es viele vermögende Leute. Machen Sie doch einfach Folgendes: Auf dem nächsten Landesparteitag der FDP tun Sie sich gemeinsam zusammen und stiften eine private Hochschule am Standort Wismar, dann müssen wir diesen Einfluss des Staates gar nicht mehr diskutieren. Dann haben Sie Ihre voll staatsfreie Hochschule in Mecklenburg-Vorpommern. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Erweiterung oder Ausweitung der Hochschulautonomie ist aus unserer Sicht generell wünschenswert und unter den Bedingungen des sich verschärfenden nationalen und internationalen Wettbewerbs auch möglicherweise sinnvoll. Wir haben mit dem Landeshochschulgesetz im Jahr 2002 dafür die damals möglichen grundlegenden Voraussetzungen geschaffen. Wie das mit Kompromissen so ist, sind nicht alle unsere Vorstellungen oder die Vorstellungen des Koalitionspartners umgesetzt worden. Das ist so in Koalitionen. Ob wirklich ein Gesetz notwendig ist oder ob es zielführender ist, die im Paragrafen 10 Landeshochschulgesetz schon vorhandene Erprobungsklausel aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken, wäre sicherlich ein interessanter Diskussionspunkt, wenn wir über die Novelle des Landeshochschulgesetzes sprechen. Die Landesregierung hat angekündigt, der Minister hat es hier noch einmal bestätigt, dass in Kürze ein Landeshochschulgesetzentwurf vorgelegt werden soll.
Der bestehende oder vielleicht muss man besser sagen der stehende oder noch nicht gestartete Modellversuch – ich bin mir nicht ganz im Klaren, nach den Botschaften, die ich hier heute gehört habe, wie der Stand tatsächlich ist – an der Hochschule Wismar ist gegenwärtig auf jeden Fall nicht beendet und schon gar nicht ausgewertet. Die in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Herrn Kreher zur erweiterten Hochschulautonomie aufgelisteten Änderungen der Grundordnung sehe ich eher skeptisch. Sie decken sich in großen Teilen – das ist ja auch schon ausgeführt worden – mit dem hessischen TUD-Gesetz, also dem Gesetz für die TU Darmstadt, das
die FDP als Grundlage für ihren Antrag benennt und auch die Landesregierung für ihre Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Hochschulautonomie im Rahmen der geplanten LHG-Novelle favorisiert. Ich will deutlich artikulieren, dass ich viele der dort festgelegten Regelungen so nicht befürworten kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der vorhandenen Redezeit wird es nicht möglich sein, die Bedenken umfassend vorzutragen. Darum gestatten Sie mir nur einige besonders wichtige Kritikpunkte aus unserer Sicht. Vorausschicken möchte ich, dass der Antrag deutlich macht, dass die FDP damit zuerst ihr grundsätzliches Ziel der Privatisierung und Kommerzialisierung von Bildung dokumentiert.
Das ist sehr deutlich geworden. Und dazu will ich erklären: Für uns soll mehr Autonomie und Eigenverantwortung mehr Chancengleichheit gewährleisten. Für uns soll mehr Autonomie und Eigenverantwortung die unnötige staatliche Reglementierung beseitigen, aber nicht die staatliche Verantwortung für das Bildungswesen abschaffen.
Für uns kann deshalb mehr Autonomie und Eigenverantwortung kein schleichender Einstieg in die Privatisierung sein. Sieht man sich das TUD-Gesetz genauer an, so wird diese Richtung sehr deutlich. Ich nenne hier nur exemplarisch:
Die Hochschule ist nur noch eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Funktion als zugleich staatliche Einrichtung wurde beseitigt.
Das nach unserem Landeshochschulgesetz vorgesehene Konzil und andere kollektive Leitungsstrukturen werden durch einen Hochschulrat mit zehn Personen ersetzt.
Der Hochschulrat erhält umfassende Rechte, die einer Präsidial- beziehungsweise Rektoratsverfassung entsprechen.
Es handelt sich dabei praktisch um eine Laienvertretungsbefugnis ohne eine wirkliche Beteiligung hochschulinterner Kontrollgremien.
Die Mitbestimmung der Studierenden, der Professorinnen und Professoren, der Mitarbeiterinnen in den Gremien wird weitgehend beseitigt.
Viele dieser Regelungen werden auch an der Hochschule Wismar oder sollen im Rahmen dieses Modellversuches an der Hochschule Wismar erprobt werden. Eine Bewertung von Vor- und Nachteilen liegt gegenwärtig nicht vor. Ich habe den Minister so verstanden, dass zunächst eine Expertenkommission eine Bewertung vorlegen soll, bevor man sich eingehend damit beschäftigt. Ich glaube auch, dass das sinnvoll ist. Möglicherweise werden wir in einem Zwischenbericht mehr davon erfahren. Es müsste ja eigentlich Material dazu geben, wenn die Antwort der Landesregierung auf diese Kleine Anfrage von uns richtig interpretiert wird. Es heißt dort, ich zitiere: „Durch eine Vereinbarung zwischen der Hochschule Wismar und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur werden die Einzelheiten einer kontinuierlichen Evaluation der Anwendung des Gesetzes festgelegt.“ Zitatende.
Ich würde auch empfehlen, das Ende der Geltungsdauer der Zielvereinbarung abzuwarten, um zu sehen, welche weitergehenden Maßnahmen erforderlich sind. Wir befinden uns bezüglich des Modellversuches und der Zielvereinbarung immer noch auf Neuland. In einen laufenden Prozess, der auch Entwicklungs- und Erprobungszeit braucht, einzugreifen und neue Elemente einzuführen, erscheint uns wenig sachgerecht. Sie würden doch auch nicht ein Medikament, das sich in der klinischen Erprobung befindet, in seiner Zusammensetzung verändern, ohne die abschließenden Ergebnisse zu seiner Wirkung zu haben. Also insofern ist es wirklich wichtig, sich das vorher einmal genau anzuschauen.