Protocol of the Session on April 23, 2008

Wollen wir das für die sozial benachteiligten Kinder in unserem Land? Wollen wir wirklich, dass unsere Steuergelder zur Gewinnerzielung privater Träger eingesetzt werden? Also ich sage es ganz deutlich für mich persönlich und für meine Fraktion: Wir wollen, dass unsere Steuergelder den Kindern zugute kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Aufgrund der sozialen Situation der Eltern haben wir allen Grund, die soziale Funktion der Kitas als Kompetenzzentren für eine chancengleiche Entwicklung der Kinder konzeptionell und fi nanziell zu stärken. Wir sollten also das Netz der Kindertagesbetreuung stabilisieren und stärken.

Die Koalitionsparteien des Landes planen nun allerdings parallel zur Änderung des SGB VIII auf Bundesebene, die gesetzlich festgeschriebenen Mittel der vorschulischen Bildung im Land zu reduzieren, um diese Gelder zur Befreiung der Eltern, nicht der Kommunen, so wird es ausdrücklich gesagt, von Kita-Beiträgen zu nutzen. Die von Ihnen, verehrte Damen und Herren der Koalition, geplante alleinige Elternbeitragsbefreiung setzt keine innovativen Potenziale frei. Sie erweitert die Privilegien gut verdienender Eltern, die bereits heute entweder Elterngeld, Kindergeld erhalten beziehungsweise die Elternbeiträge der Kita von der Steuer absetzen können.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das alles können sozial benachteiligte Eltern nicht. Dafür gereicht aber gerade ihren Kindern die Kürzung der Mittel für die vorschulische Bildung zum Nachteil.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Gewinnorientiert arbeitende Träger, also eine Deregulierung im Kinder- und Jugendhilferecht, wird die soziale Ausgrenzung der Kinder auch im Kindergarten befördern, wie sie aus der Schullandschaft bereits bekannt ist.

Verehrte Abgeordnete, in einem Land, wo nur wenig mehr als 50 Prozent der Kindergartenkinder einen Ganztagsplatz in Anspruch nehmen, weil die Eltern beziehungsweise die Kommunen vielfach mit der Übernahme der Elternbeiträge für einen Ganztagsplatz fi nanziell überfordert sind,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

in einem Land, wo alle demokratischen Parteien darum ringen, allen Kindern mit Steuermitteln täglich eine gesunde Mahlzeit zu sichern, in diesem Land fordere ich Sie herzlich auf, sich dafür einzusetzen, dass Steuergelder zum Nutzen der Kinder und nicht zur Gewinnerwirtschaftung privater Unternehmen im Bereich der Kindertagesförderung eingesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

In diesem Land sollte es politischer Konsens sein, auf marktwirtschaftliche Experimente zu verzichten und alle diesbezüglichen Deregulierungsbestrebungen des Bundes abzulehnen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Ich appelliere an Sie, verehrte Kollegen, erinnern Sie sich des Votums der Landesregierung zur Grundgesetzänderung im Jahr 2006 und lehnen Sie mit uns gemeinsam eine Kommerzialisierung der Kindertagesbetreuung ab! – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Soziales und Gesundheit Herr Sellering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Liebe Frau Linke, Sie haben ja als Sozialministerin dieses Landes ganz maßgeblich an diesem KiföG mitgearbeitet und ich verstehe, dass Sie auch nach Gelegenheiten suchen, das noch mal hier zu betonen. Wir haben da ja was Gutes gemeinsam hingekriegt. Das kann man ohne Zweifel sagen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie haben auch einen Anteil daran.)

Ich würde Sie einfach nur bitten, das auch in der Zukunft weiter selbstbewusst zu vertreten. Das, was wir da gemacht haben, ist doch gut.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Das mache ich doch.)

Und auch, dass wir festgeschrieben haben, dass andere Träger, die gemeinnützige Ziele verfolgen, selbstverständlich eine Kita betreiben können, das ist doch gut, das ist doch auch richtig.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. Was will sie eigentlich?)

Deshalb verstehe ich im Prinzip nicht, was Sie wollen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, ich auch nicht.)

Natürlich kann man sagen, Kommerzialität, Kommerzialisierung pfui, pfui, Gewinnerzielung pfui.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Irene Müller, DIE LINKE: Nein.)

Aber, liebe Frau Linke, da muss man vielleicht genauer hingucken.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das hat sie gerade gesagt, dass das nicht so ist.)

Ich will mal mit einem Satz abschweifen, wo ich Probleme habe mit der Gewinnerzielung. In einem solidarisch fi nanzierten Gesundheitswesen, wo Leute was auf die Schultern, ja, was auf die Schultern gelegt kriegen, da gibt es Leute, die machen zehn Prozent Gewinn.

(Zuruf von Dr. Marianne Linke, DIE LINKE)

Das muss man sich mal angucken.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Wer hat denn das beschlossen?)

So, jetzt aber was ganz anderes, Frau Linke. Wer kann denn hier Gewinn machen? Wer kann denn bei uns im Land Gewinn machen? Wer kann denn solche Kitas betreiben?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Es geht um den Grundansatz, Herr Sellering.)

Wenn wir ein bisschen mehr Selbstbewusstsein haben, dann können wir doch mal sagen, wir haben für die 97 Prozent, die bei uns als 3- bis 6-Jährige in den Kindergarten gehen, mit viel Geld hervorragende Angebote geschaffen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Und unsere Finanzierung sieht so aus, dass wir bestimmte Regelleistungen berechnen, und wer eine Kita betreibt – gemeinnützig, nicht gemeinnützig, freier Träger, lassen wir alles zu –, wer das macht, der kriegt das Geld wie jeder andere auch, der kann Regelleistungen vergütet bekommen. Wo soll da Gewinn sein? Wo will man da Gewinn herkriegen? Das ist doch völlig ausgeschlossen.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Abgabenordnung, Abgabenordnung!)

Das ist doch ein Schreckgespenst, das Sie an die Wand malen, das völlig unsinnig ist.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Reine Ideologie.)

Möglicherweise ist es ja so, möglicherweise ist es ja so, dass Frau von der Leyen Schwierigkeiten sieht im Westen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, eben.)

die vielen Plätze, die wir schaffen müssen, zu schaffen, ohne dass Private einsteigen. Und da kann ich verstehen, dass Sie die Verhältnisse umtreiben in Nordrhein-Westfalen. Ich hab ja auch gesehen, dass Sie sich um die sorbische Minderheit sorgen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Machen wir erst mal die Hausaufgaben bei uns zu Hause.)

Aber vielleicht müssten Sie dann einfach überlegen, Frau Dr. Linke, wo Sie Ihr Einsatzgebiet sehen. Ihre Vorgängerin ist ja auch schon in den Bundestag gegangen. Vielleicht sollten Sie das tun.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Vielleicht ist das dann der Bereich, wo Sie genau die Dinge ausleben können, die Sie hier aufgeschrieben haben.