Der enorme Reformbedarf wird von keiner demokratischen Fraktion im Landtag bestritten und Frau Měšťan hat schon gesagt, der 24. August 2007 war nicht umsonst. Da hat sie das vorgetragen. Das war am 24. August 2007 tatsächlich klar. Frau Měšťan, der 24. August 2007 war schon deshalb nicht umsonst, weil es natürlich das vornehme Recht der Opposition ist.
(Beifall Gabriele Měšťan, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ja klasse. Der Tag hat sich gelohnt.)
Ich persönlich würde das zu keinem Augenblick bezweifeln, einen Sonderlandtag in einer so wichtigen Angelegenheit zu beantragen. Aber, meine Damen und Herren – und ich habe das zu Herrn Müller schon einmal gesagt –, ich wünsche mir, dass das insgesamt Raum greift, was ich jetzt sage. Es kommt wirklich darauf an, ein Urteil nicht nur zu verinnerlichen, sondern es wirklich rein psychologisch für sich anzunehmen, um dann einen ersten Schritt nach vorn zu machen.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir wirklich – und ich sage das ganz deutlich an dieser Stelle –, dass wir am Ende eines langen Weges, wo wir gemeinsam eine Kreisgebiets- und Funktionalreform neu gemacht haben, wo wir das FAG neu hinbekommen haben, wo wir endlich Haushaltskonsolidierung hinbekommen haben,
wo wir die Doppik neu gemacht haben, wo wir zum Beispiel unsere Kommunalverfassung zumindest zweimal geöffnet und wieder geschlossen haben werden, wenn wir uns dann ganz am Schluss zum Beispiel philosophisch in einer Debatte ergehen über den Begriff „Demut“ und ob Demut wirklich nur etwas in vordemokratischer Zeit zu suchen hat, dann ist das in Ordnung. Aber jetzt, meine Damen und Herren, müssen wir anfangen.
Wer bereit ist, das Urteil wirklich zu akzeptieren, der wird zwangsläufi g auch bereit sein, eine Enquetekommission in die Vorbereitung des neuen Verwaltungsreformgesetzes einzubinden,
denn dort sitzen die von allen Fraktionen ausgewählten Experten in Sachen Kommunalpolitik und Kommunalrecht. Das ist nicht immer ganz einfach. Da sitzen Oberbürgermeister, da sitzen Landräte mit ihren jeweiligen Partikularinteressen, die ganz unstreitig manchmal Parteiinteressen deutlich überwiegen, um das einmal klar zu sagen. Da sitzen aber auch die Bürgermeister des ländlichen Raumes und Amtsvorsteherinnen, da sitzen Bürgermeister von den Landstädten. Man kann also ohne Übertreibung sagen, da läuft wahrhaftig nicht alles widerspruchsfrei ab, aber die Enquetekommission ist ein Sachverständigengremium und ist geballter kommunalpolitischer Sachverstand.
Meine Damen und Herren, diese Enquetekommission bietet gegenüber der Arbeit in den Ausschüssen einen ganz entscheidenden Vorteil, nämlich den Vorteil, dass
die Vertreter aus Kreisen, Gemeinden und den kommunalen Spitzenverbänden dort mit Sitz und Stimme an den Beratungen teilnehmen. In den Ausschüssen wären sie nur Anzuhörende. Das ist ein großer Unterschied.
Meine Damen und Herren, zum Zeitplan für ein Verwaltungsmodernisierungsgesetz – und Frau Měšťan hat das eben angesprochen – mag es in diesem Hohen Hause noch sehr unterschiedliche Auffassungen geben.
Herr Abgeordneter Ringguth, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Borchardt? (Zustimmung)
Herr Ringguth, dazu, dass die kommunalen Spitzenverbände mit Sitz und Stimme in der Enquetekommission sein sollten, frage ich mich allerdings – und vielleicht können Sie mir das beantworten –, sind die jetzigen Vertreterinnen und Vertreter in der Enquetekommission durch die Fraktionen berufen worden? Haben die denn, wenn sie von den kommunalen Spitzenverbänden sind – sicherlich sind sie da involviert und aktiv –, auch das Votum der Spitzenverbände oder wie wollen Sie das aufl ösen? Ich kann mir nur vorstellen, wenn die kommunalen Spitzenverbände drin sind, dass sie das Votum des jeweiligen Verbandes haben müssen. Das ist ein Widerspruch für mich. Wie wollen Sie das auflösen?
Frau Borchardt, dieser Widerspruch ist nur ein vermeintlicher Widerspruch. Das ist ein Streit um Worte. Ich will Ihnen das einmal so erklären, Frau Měšťan hat das eigentlich schon versucht zu erklären: Natürlich kann man den Paragrafen 4 Enquetekommissionsgesetz ändern. Das wäre die Alternative, wenn man will, dass nicht Personen, sondern anstelle von diesen eine juristische Person, nämlich vom Zweckverband A oder Zweckverband B, sitzen sollte.
Wenn man sich den Antrag der FDP-Fraktion anguckt, ist dieses, glaube ich, unter Punkt 2 ein Vorschlag der FDP-Fraktion. Die Wahrheit ist, wir haben keine Zeit zu verlieren mit dem jetzigen Gesetz, und ich bin mir sehr sicher, da hat man sich in der 3. Legislaturperiode – so alt ist das Gesetz nämlich schon, das Enquetekommissionsgesetz – sehr gründlich überlegt, warum man das genau so in Paragraf 4 dieses Enquetekommissionsgesetzes gelöst hat, wie es jetzt dort steht. Es sitzen nämlich ein Herr Wolfhard Molkentin, Landrat,
oder auch ein Bürgermeister Dettmann da und jeder von ihnen hat genauso einen Sitz und genauso eine Stimme wie zum Beispiel Herr Müller oder ich. Wenn man das anders lösen will, dann muss man das Gesetz auch machen. Ich persönlich – Herr Müller wird dazu nachher noch mehr ausführen, weil er zum FDP-Antrag sprechen wird – halte nicht so viel davon. Ich glaube, wir haben eine andere Lösungsmöglichkeit, die ich am Schluss meiner Rede anbieten werde.
Meine Damen und Herren, ich war eben beim Zeitplan für ein Verwaltungsmodernisierungsgesetz. Und Sie haben vorhin von Frau Měšťan gehört, auch sie macht sich große Sorgen, wenn sie die ersten Verabredungen
zwischen den Koalitionären nun zu hören bekommt. Es mag dazu ganz unterschiedliche Auffassungen geben, aber über eines sind wir uns alle, glaube ich, zumindest die demokratischen Fraktionen hier im Hause, klar: Wir haben eine Vorsorgepfl icht für unser Land und diese haben wir gemeinsam. Diese Vorsorgepfl icht zwingt uns doch, so schnell wie möglich diese Aufgabe, die uns durch das Verfassungsgerichtsurteil übertragen wurde, auch zu erfüllen.
Natürlich aber dieses Mal bitte schön verfassungskonform, alles andere wäre wohl ein Desaster für unser Land, also so schnell wie möglich.
Jetzt gilt es, viele zum Teil sehr komplexe Fragen zu beantworten, zum Beispiel: Welche allgemeinen Ziele soll die Verwaltungsreform denn nun bestimmen? Wie soll die bürgerschaftlich-demokratische Teilhabe gewährleistet werden? Auch wenn das nicht so explizit bei uns in dem Antrag stand, Frau Měšťan, ist das aber für uns klar. Und wissen Sie, warum? Weil wir eben – wir zumindest von der CDU-Fraktion – ganz klar das Verfassungsgerichtsurteil akzeptieren.
Oder zum Beispiel die Frage, die meinem Kollegen Müller sehr wichtig ist: Ist Einräumigkeit der Verwaltung bei der künftigen Aufgabenerledigung wirklich noch ein übergeordnetes Ziel bei möglicherweise anderen Strukturen?
Das ist eine ganz wichtige Frage. Oder: Wie können Effi zienzsteigerung und Kosteneinsparung bei den Verwaltungen auf allen Ebenen erreicht werden?
Und damit im Zusammenhang, meine Damen und Herren: Wie muss eine effektive Aufgabenverteilung zwischen Land und Kreisen denn nun aussehen? Und daraus fortentwickelt: Wie müssen dann die Leitlinien gestaltet sein? Sind Einwohnermindestzahlen und Flächenhöchstgrenzen für die neuen Kreise festzulegen? Und auch eine ganz wichtige Frage für viele Kreise, das war auch großer Inhalt der Debatte in der vergangenen Woche beim Landkreistag: Sollen bestehende Kreise geteilt werden dürfen?
Diese Beratungen werden in enger Zusammenarbeit mit der Landesregierung erfolgen. Das können Sie unserem Antrag entnehmen. Dabei ist eins klar, die Enquetekommission kann nur Empfehlungen in Vorbereitung eines Gesetzgebungsverfahrens geben. Die Arbeit am eigentlichen Gesetzentwurf ist Aufgabe der Ausschüsse. Das ist selbstverständlich, das regelt unsere Geschäftsordnung. Die von der Enquetekommission vorgelegten Empfehlungen werden dann aber den Ausschüssen zur Verfügung stehen. Sie können darauf wie auf ein Gutachten, das dann zur Verfügung steht, eines Sachverständigen zurückgreifen. Dadurch, meine Damen und Herren, kann man wiederum in der späteren Arbeit in den Ausschüssen eine Menge an Zeit sparen. Dasselbe gilt im
Übrigen auch für alle weiteren Schrittfolgen für die dann vorzunehmende Variantenprüfung für die verschiedenen Modelle zur Funktional- und Kreisgebietsreform.
Meine Damen und Herren, diese Arbeit wird sehr umfangreich werden. Deshalb gilt umso mehr, dass die, die von den künftigen Reformen ganz untermittelbar betroffen sein werden – und das sind eben die Gemeinden und Kreise in diesem Land –, als gleichberechtigte Partner an den Beratungen beteiligt werden müssen. Nur so können wir uns als Gesetzgeber einen vollständigen Überblick über die Lage vor Ort verschaffen.
Das, meine Damen und Herren – das hat uns auch das Verfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben –, ist die Voraussetzung für eine später fehlerfreie Abwägung im Gesetzgebungsverfahren. Dabei ist es selbstverständlich, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, dass wir natürlich auf Unterlagen zurückgreifen, die in der vergangenen Legislaturperiode zum Beispiel in der interministeriellen Arbeitsgruppe erarbeitet wurden. Hier muss man das Rad nun wirklich nicht zweimal erfi nden, hier muss man höchstens sehr kritisch hinterfragen, ob die Ergebnisse der IMAG von damals – immerhin waren die aus dem Jahr 2004 – heute in jedem Einzelfall immer noch zu verwenden sind. Das muss man natürlich nüchtern und kritisch prüfen, aber es ist selbstverständlich, dass man diesen Steinbruch, der sich nun anbietet, auch nutzt, um Zeit zu sparen und effi zient zu arbeiten.
Wir von der CDU-Fraktion haben, was diesen Teil des Antrages betrifft, nun überhaupt kein Problem. Ist das nicht großartig, Herr Professor?
Frau Tegtmeier hat vorhin gesagt, dass der Kollege Müller zu den beiden Anträgen reden würde. Das ist nicht ganz richtig, Frau Tegtmeier. Kollege Müller und ich haben uns beide auch im Sinne guter Aufgabenteilung und im Sinne von Effi zienz verabredet,
dass ich zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/851 rede, und der Kollege Müller wird sich im Anschluss rührend um den Antrag der FDP-Fraktion kümmern.
Ich will das schon mal tun. Ich kann mir vorstellen, dass das mein Kollege Leonhard im Anschluss auch tun würde,
aber zur Sicherheit will ich es schon einmal machen, dass ich für beide Fraktionen, sowohl für die SPD-Fraktion als auch für die unsrige, jetzt hiermit beantrage, dass vorsorglich für die vorliegenden Änderungsanträge bitte Einzelabstimmung vorgesehen sein soll. Daran können Sie, Herr Professor Methling, und die Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, schon an dieser Stelle unschwer erahnen, dass der Punkt 2 Ihres Antrages bei uns auf Ablehnung stößt.