Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn man einige Entwicklungen im Heute betrachtet, Radikalismus oder gar Extremismus an den politischen Rändern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir tragen eine große Verantwortung dafür, dass auch Kinder und Jugendliche erfahren, was geschah und wie es geschehen konnte, dies auch vor dem Hintergrund, dass in nicht allzu ferner Zeit keine Zeitzeugen mehr zur Verfügung stehen werden. Es wird eine Zeit kommen, in der es weder Täter noch Opfer geben wird, und gerade deshalb ist es heute wieder von besonderer Wichtigkeit, dass Kinder und Jugendliche erfahren und begreifen, wie die menschenverachtende Politik der Nazis funktioniert hat.
Nur so können nachfolgende Generationen gegen die Parolen und Geschichtsverzerrungen der Ewiggestrigen gewappnet werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland Konrad Adenauer hat einmal zur Verantwortung für die Geschichte gesagt, dass es „weder nur ein Heute oder Morgen gibt, sondern eben auch ein Gestern, das das Heute und das Morgen stark, ja manchmal entscheidend beeinfl usst. Man muss das Gestern kennen, man muss auch an das Gestern denken, wenn man das Morgen wirklich gut und dauerhaft gestalten will. Die Vergangenheit ist eine Realität. Sie lässt sich nicht aus der Welt schaffen, und sie wirkt fort, auch wenn man die Augen schließt, um zu vergessen.“ Wir wollen aber nicht vergessen, auch nicht, welche Unterdrückung und welches Leid viele Menschen in der ehemaligen DDR bis 1990 erdulden mussten, wie diese Diktatur sich entwickeln konnte und wie durch die friedliche Revolution letztendlich die Wiedervereinigung vollendet werden konnte.
Der Landtag hat sich seit der 1. Wahlperiode in den verschiedensten Zusammenhängen mit der Problematik Gedenkstätten in der gesamten Breite befasst und schlägt nunmehr in Bezug auf die Förderung von Klassenfahrten zur Erhöhung des Geschichtsbewusstseins und des Demokratieverständnisses von Schülerinnen und Schülern in Mecklenburg-Vorpommern konkrete Einzelmaßnahmen vor.
Wir im Bildungsausschuss sehen es als wichtig an, dass das Land für Schulklassen Fahrtkostenzuschüsse zu KZGedenkstätten sowie zu Gedenkstätten und Gedenkorten für Opfer der jüngeren deutschen Geschichte zur Verfügung stellt und dieses Instrument in das Konzept zur Förderung von Demokratie und Toleranz in MecklenburgVorpommern einbindet. Wir sehen es ebenso als wichtig an, dass diesen Klassenfahrten ein pädagogisches Konzept zugrunde liegt, das die Einbindung der Fahrt in ein umfassendes Unterrichtskonzept sowie eine nachhaltige Vor- und Nachbereitung der Maßnahme gewährleistet. Deswegen wird das Bildungsministerium aufgefordert, zur Unterstützung der pädagogischen Arbeit eine Begleitkonzeption im Zusammenwirken von L.I.S.A. und der Landeszentrale für politische Bildung zu erarbeiten. Für die Ausreichung der Fahrtkostenzuschüsse ist ein pauschaliertes Antragsverfahren im Rahmen einer Förderrichtlinie zu entwickeln. Die Förderrichtlinie stellt sicher, dass die Klassenfahrten unter der Voraussetzung der Einbindung in ein pädagogisches Konzept durchgeführt werden. Zur Umsetzung dieser Vorhaben ist im Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, wie fi nanzielle Spielräume ressortübergreifend in der Bündelung von Mitteln zur Demokratieerziehung zu gewinnen sind. Die Zweckbindung ist im kommenden Doppelhaushalt in den Erläuterungen entsprechend auszuweisen.
Der Bildungsausschuss hat beschlossen, dem Landtag die Annahme dieser Einzelmaßnahmen in Form einer Entschließung zu empfehlen. Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Bedeutung historischer Gedenkstätten oder historischer Erinnerungsorte ist in der deutschen politischen Diskussion unbestritten. Wie können sich die späteren Generationen würdig verhalten? Mit welchen Methoden sollen Jugendliche erreicht werden, die mit der historischen Zeit, als die Ereignisse stattfanden, nur weniges verbinden können?
In Mecklenburg-Vorpommern bestehen viele Gedenkstätten, die für den Lehrer und seinen Unterricht von Interesse sind. Dies gilt für Orte des Gedenkens und Erinnerns, die den nationalsozialistischen Verbrechen gewidmet sind, es gilt ebenso für Orte, die an die Opfer der jüngeren deutschen Geschichte erinnern. Sie sind übersichtlich zusammengestellt und gut erläutert im Gedenkstättenführer Mecklenburg-Vorpommern, den dankenswerterweise die Politische Memoriale e. V. Schwerin herausgebracht hat und den die Landeszentrale für politische Bildung ebenfalls im Literaturangebot für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger bereithält. Wichtige und bereits häufi g aufgesuchte Orte jenseits der Landesgrenzen sind zweifelsohne die ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück, Sachsenhausen und nicht zu vergessen Neuengamme bei Hamburg oder die Gedenkstätte zum Todesmarsch von Häftlingen der Konzentrationslager im Belower Wald, die einmalig in ihrer Form in der gesamten Bundesrepublik ist.
Viele engagierte Schulen führen bereits Fahrten zu Gedenkstätten mit ihren Schülerinnen und Schülern durch. Manche Schüler reagieren darauf mit emotionaler Abwehr des Themas, wie jugendübliche Heiterkeit, Lachen sowie entlastendes Sprücheklopfen, und sie suchen ihren Ausweg dann im entlastenden Liedersingen während der Heimfahrt. Es gibt auch Berichte über Jugendliche, die provokativ durch Äußerungen und Gesten bis zum Hitlergruß demonstrieren, dass ihnen der historische Erinnerungsort herzlich wenig bedeutet. Die Lehrer sind wiederum besorgt, dass der peinliche Eindruck entstehen könnte, ihre Schüler hätten das ernste Thema nicht erfasst, und manche fi nden es unpassend, wenn die Schüler anschließend übergangslos zum Eisessen übergehen.
Der Antrag des Bildungsausschusses zielt auf die Gewährung von Zuschüssen für Schülerfahrten zu Gedenkstätten. Dies ist unstrittig und eigentlich längst überfällig. Wie immer stehen wir vor fi nanziellen Grenzen. Zu entwickeln ist ein pragmatisches Verfahren, um das Geld zu beantragen und effi zient zu verteilen. Eine entsprechende Richtlinie wird im Bildungsministerium erarbeitet. Beim Antrag soll auch das pädagogische Konzept deutlich werden, das hinter der Fahrt steht. Dies zu erstellen ist ein Auftrag an die Fachkonferenzen der Schulen. Diese Schulfahrt ist in die schulische und unterrichtliche Arbeit eingebettet. Die Vorbereitung und Anbindung an die unterrichtlichen Themen kann in Geschichte oder Sozialkunde erfolgen, aber auch in Deutsch oder Religion, Kunst oder Musik. Die Initiative für die Gedenkstättenfahrt kann ebenso aus einem Projekt erwachsen, aus der Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte der Schule oder der Gemeinde. Die Schulen müssen diese Fahrten von vornherein in ihre langfristige Schuljahresplanung einstellen. Auch dafür wird manche Hilfe von außerhalb benötigt werden.
Die professionelle Gedenkstättenpädagogik, die sich im Umfeld der vielen bestehenden Einrichtungen entwickelt
hat, befi ndet sich ebenso im Wandel. Es fehlen nicht nur für die NS-Zeit bald die Zeitzeugen, auch rückt diese Epoche immer weiter weg aus dem Bewusstsein der Nachwachsenden, für die es bald nicht mehr die Zeit der Jugend ihrer Großeltern sein wird. Neue Fragen stellen sich zusätzlich durch mehr Kinder mit Migrationshintergrund, die andere Interessen an Geschichte zeigen. Deshalb ist es richtig, eine umfassende Begleitkonzeption mithilfe von Experten zu erstellen, die im L.I.S.A. und in der Landeszentrale für politische Bildung zur Verfügung stehen. Damit kann den Schulen ein Baustein für ihre konkrete Arbeit bereitgestellt werden. Die Fragen der Finanzierung und der Begleitkonzeption führen schließlich zu der Überlegung nach einem Gesamtkonzept der politischen Bildung und Demokratieerziehung in den Schulen Mecklenburg-Vorpommerns.
Der Koalitionsvertrag fordert die Stärkung einer Erziehung zu Demokratiebewusstsein und Toleranz und die effi ziente Bündelung der entsprechenden Aktivitäten im Land. Der Grund dafür ist augenfällig, auch hier im Landtag. Demokratiefeindliche Tendenzen im Land nehmen zu, denen muss sich vor allem auch die Schule stellen.
Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung der Ressorts, die fi nanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass jede Schülerin und jeder Schüler einmal an einer Gedenkstättenfahrt teilnimmt. Das ist ein entscheidender Beitrag zur Stärkung von Demokratie und Toleranz unserer Jugendlichen in den Jahrgangsstufen 8 bis 10. Hierfür sind 120.000 Euro jährlich zur Verfügung zu stellen. Das müsste möglich sein, denn dieses Vorhaben hat für mich höchste Priorität. Wir erreichen mit den Gedenkstättenfahrten alle Jugendlichen und erreichen im schulischen Kontext eine tiefe Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und den Werten unserer Demokratie. Diese Wirkung ist mit vergleichbaren Projekten kaum zu erzielen.
Für diese konzeptionelle Arbeit erhalten die Schulen Unterstützung durch eine Handreichung des Landesinstitutes für Schule und Ausbildung und der Landeszentrale für politische Bildung. Diese liegt im Oktober vor, sodass die Schulen auf dieser Grundlage und mit einer Förderrichtlinie untersetzt für das zweite Schulhalbjahr 2007/08 Schulklassenfahrten an Gedenkstätten durchführen können.
Mit Beginn des kommenden Schuljahres werden in den vier staatlichen Schulämtern des Landes Lehrkräfte als Koordinatoren für Demokratieerziehung eingesetzt. Gemeinsam mit den Schulräten unterstützen diese die Schulen bei der Umsetzung ihrer Vorhaben. Sie koordinieren die Zusammenarbeit der Schulen mit den außerschulischen Partnern in der Region, sie beraten die Schulen bei der Umsetzung von Projekten und sorgen dafür, dass die bestehenden Angebote der Partner für die Demokratieerziehung in den Schulen optimal genutzt werden.
Im September 2007 beginnt eine landesweite Fortbildungsreihe für Schulleiterinnen und Schulleiter, Schulräte und Lehrkräfte. Ich freue mich, dass es gelungen ist, neben dem Landesinstitut für Schule und Ausbildung und der Landeszentrale für politische Bildung zahlreiche Träger der politischen Bildung, Stiftungen, die Evangelischen Landeskirchen sowie auch die Universitäten des Landes für dieses Thema als Partner zu gewinnen. Es ist das Ziel der Fortbildungsreihe, Demokratieerziehung und Extremismusprävention in den Schulen in die Mitte der Arbeit zu rücken, die Beteiligten zu informieren und sie
Lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen noch einmal betonen, wir begrüßen diese von uns gewünschte Entschließung und wollen eine zeitnahe Umsetzung, für die wir Unterstützung benötigen. Wir appellieren aus diesem Grund an die Haushaltsgesetzgeber, für dieses wichtige Anliegen die entsprechenden Mittel bereitzustellen. Mein Dank richtet sich schon jetzt an alle Abgeordneten, die sich engagiert haben und engagieren werden. – Herzlichen Dank.
„,Ich bin erschrocken, dass die Frauen im Winter mit Wasser überschüttet wurden und stehen mussten, bis es gefroren war‘“,
„,Das müssten sich mal die Neonazis anhören.‘ Dann würden einige anders darüber denken, ist sie sich sicher.“ „,Zu Anfang habe ich noch gedacht, dass es etwas langweilig ist‘, gibt Christoph aus Anklam zu. Nach der Gesprächsrunde sieht er das ganz anders. Die Gespräche haben ihn berührt. Heute werden die jungen Leute sich weiter mit der Geschichte auseinandersetzen. Sie wollen ihre neuen Erkenntnisse mitnehmen und weitergeben.“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies waren zwei Auszüge aus einem Artikel des „Nordkurier“ vom 24. April dieses Jahres über eine Jugendbegegnung zweier Schulklassen in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück. Sie führten dort Gespräche mit noch lebenden Zeitzeugen: mit Charlotte Kroll, einer jungen deutschen Frau, die einer schwangeren Russin Kleider für ihr Baby zusteckte, mit Ilse Heinrich, die sich gegen die Erziehungsmethoden ihrer Stiefmutter wandte, von zu Hause ausriss und deshalb als asozial galt, mit der russischen Jüdin Isabella Batsheva Dagan, die nur wegen ihrer jüdischen Herkunft inhaftiert wurde. Sie alle überlebten die Hölle des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück und können noch authentisch Auskunft geben über die Unmenschlichkeit und das Grauen der Nazizeit. Für ihr außergewöhnliches und verdienstvolles Engagement bei zahlreichen Jugendprojekten und Veranstaltungen, die der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Naziregimes und verschiedenen Formen des Rassismus und Rechtsextremismus dienen, wurde Frau Dagan vom Bundespräsidenten mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. An dieser Stelle auch von mir und meiner Fraktion herzlichen Glückwunsch dazu.
Meine Damen und Herren, die Gräueltaten der Nazidiktatur sind in ihrer Größe in der Geschichte der Neuzeit einmalig. Sie überschreiten in ihrer Dimension jede Vorstellungskraft.
Eine ganze Staatsmaschinerie vernichtete vorsätzlich und systematisch Millionen von Menschen wegen ihrer Gesinnung, ihrer Rasse, ihrer religiösen Überzeugung oder ihrer sexuellen Orientierung. Und dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist mit nichts in der jüngeren deutschen Geschichte nach 1945 vergleichbar.
Der Beschlussvorschlag, der hier heute vom Bildungsausschuss dem Parlament zur Entscheidung vorgelegt wurde, enthält neben den KZ-Gedenkstätten auch Gedenkstätten und Orte der jüngeren deutschen Geschichte. Was unter dem Begriff der jüngeren deutschen Geschichte zu verstehen ist, wird inzwischen schon heftig diskutiert. Einige verstehen darunter offensichtlich und ausschließlich die Geschichte der DDR. Aber dem war nicht so, vor allem, weil diese Lesart die Zeit vom Kriegsende bis zur Gründung der DDR 1949 gar nicht einschließt und die der Bundesrepublik ebenso nicht.
Und Geschichte ist immer Vergangenheit. Und diese Geschichte ist mindestens in die dialektischen Zusammenhänge von Zeit und Raum, von inneren und äußeren Bedingungen sowie von handelnden Personen oder Personengruppen zu stellen. So können zum Beispiel auch die Geschichte vom Kriegsende bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten, die Geschichte der DDR und die Geschichte der Bundesrepublik nicht losgelöst voneinander, nicht losgelöst von den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges, nicht losgelöst von den Bedingungen des Kalten Krieges und vielen anderen Faktoren gesehen werden.
Wichtig ist, aus der Geschichte zu lernen, und noch wichtiger ist, aus der Geschichte die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und diese auch konsequent umzusetzen.
Wir können aus der Geschichte, der Geschichte der Nazidiktatur, der Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg mindestens drei Schlüsse ziehen:
Erstens. Demokratie, Solidarität, Toleranz und Mitmenschlichkeit verhindern nicht immer Unrecht, aber sie machen es Extremisten schwerer, ihre Ziele zu erreichen.
Zweitens. Demokratische und juristische Rechte, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern sind wichtig dafür, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auch beteiligen und sich für die Demokratie einsetzen, weil sie merken, dass es ihr Gemeinwesen ist, indem sie etwas bewegen.
Drittens. Demonstrationen, Kundgebungen, Streiks, ziviler Widerstand und andere Formen friedlicher Proteste müssen der Staat und die Politik nicht nur aushalten, sondern auch berücksichtigen.
Ich stelle in jüngerer Zeit öfter fest, dass die Wahrnehmung demokratischer Rechte mit Mitteln und Methoden eingeschränkt oder behindert wird, die uns besorgt und hellhörig machen sollten und womit wir sehr sorgsam umgehen sollten.
Meine Damen und Herren, die Fahrten zu KZ-Gedenkstätten und zu den Gedenkstätten und Orten der jünge