Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun auf die Ereignisse am 2. Juni in der Hansestadt Rostock eingehen.
Jeweils ab 12.30 Uhr setzten sich zwei geplante Aufzüge mit circa 10.000 Teilnehmern auf der Cityroute und circa 5.000 Teilnehmern auf der Westroute weitestgehend friedlich in Richtung des Rostocker Stadthafens in Bewegung. In einem Aufzug der Cityroute bildeten circa 300 Meter hinter der Aufzugsspitze mehrere Tausend Personen einen geschlossenen sogenannten schwarzen Block. Aus diesem schwarzen Block kam es zu ersten Steinwürfen auf die Ostseesparkasse und beschädigte dort die Gebäudefront sowie zu Steinwürfen gegen das Radisson-Hotel. Ein massives polizeiliches Vorgehen gegen die Angehörigen des schwarzen Blocks, die durch ihre Vermummung gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben, sowie gegen die ersten Steinewerfer
hätte zu diesem Zeitpunkt zu einer Eskalation der Lage führen können. Es galt jedoch, massive Auseinandersetzungen und einen unkontrollierten Verlauf im direkten Innenstadtbereich zu verhindern. Wie in den Kooperationsgesprächen mit den Demonstrationsanmeldern vereinbart, wurden die Begleitkräfte nicht unmittelbar an den Aufzügen geführt. Vor diesem Hintergrund halte ich Äußerungen im politischen Raum, die den Polizeieinsatz nun als Provokation darstellen, für unerhört und für eine unsachliche Debatte über diese Ereignisse, die wenig hilfreich ist.
Als die Aufzüge den Stadthafen gegen 15.00 Uhr erreichten, eskalierte dort jedoch die Lage. Militante Autonome griffen aus dem schwarzen Block heraus Polizeibeamte, die in ihrer Straßenuniform zur Verkehrsregelung eingesetzt waren, in ihrem Dienstfahrzeug an. Die Beamten konnten sich dem Angriff entziehen, wurden dabei aber nicht unerheblich verletzt.
Im Weiteren wurden durch militante Demonstranten parkende Fahrzeuge und Mülltonnen umgestürzt und teilweise in Brand gesetzt. Aus dem schwarzen Block spalteten sich mehrere Kleingruppen aus 20 bis 30 gewaltbereiten Autonomen ab, die ausschließlich die Straßenschlacht mit den Polizeikräften gesucht haben. Die Angriffe wurden mit Stöcken, Steinen und zerbrochenen Gehwegplatten durchgeführt und erreichten nach Aussagen erfahrener Polizeibeamter eine bisher nicht gekannte und erlebte Brutalität. Selbst Mitarbeiter der Feuerwehr wurden bei der Brandbekämpfung durch Störer massiv angegriffen. Nur durch ein konsequentes Vorgehen der Polizei gegen diese Gewalttäter, auch unter Einsatz von Wasserwerfern und Sonderwagen, Schlagstöcken und Reizgas, konnte eine Ausdehnung der gewaltsamen Ausschreitungen auf den gesamten Innen- und Altstadtbereich verhindert werden. Ab etwa 19.00 Uhr beruhigte sich die Lage.
Durch die Ausschreitungen am 2. Juni in Rostock wurden leider 420 Polizeibeamte verletzt. Davon waren 43 aufgrund der Angriffe vorübergehend dienstunfähig, drei von ihnen mussten vorübergehend stationär aufgenommen werden. Und selbstverständlich – auch anderslautenden Mitteilungen entgegen – habe ich einen verletzten Beamten, der mehrere Tage im Krankenhaus bleiben musste, besucht. Der eine oder andere mag dies wohl nicht mitbekommen haben.
Es war im Interesse des verletzten Beamten meine Absicht, den Besuch nicht an die große Glocke zu hängen.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist auch gut so. – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Ach, Sie sind ja gescheit!)
Ich freue mich in diesem Zusammenhang, dass der Polizeipräsident der Bundeshauptstadt Berlin öffentlich bekundet hat, dass seiner Meinung nach die besonders geforderten Berliner Polizisten im Rahmen des Polizeieinsatzes nicht fahrlässig oder vorsätzlich in gefährliche Situationen gebracht wurden.
Nach ersten Feststellungen wurden am 2. Juni in Rostock durch die Polizei 95 Straftäter vorläufi g festgenommen, 24 Personen wurden in Gewahrsam genommen. In neun
Fällen wurden Haftbefehle zur Untersuchungshaft erlassen. Die in diesen Fällen durchgeführten beschleunigten Verfahren führten unter anderem zur Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße hier an dieser Stelle noch einmal, dass sich die Veranstalter der Demonstration in Rostock für die Ausschreitungen, die erst kurz vor Erreichen der Abschlusskundgebung von Autonomen angezettelt wurden, entschuldigt haben. Leider wurde die friedliche und legitime Auftaktdemonstration der Gipfelkritiker durch die Gewaltexzesse der linksextremistischen autonomen Szene, die auch unter den friedlichen Demonstranten Schutz suchte, missbraucht. Offensichtlich wollte die autonome Szene die Kooperationsabsprachen zwischen Anmeldern und Versammlungsbehörde aushebeln.
Es zeigt sich vor diesem Hintergrund deutlich, wie wichtig es ist, dass sich Veranstalter und Teilnehmer friedlicher Demonstrationen deutlich von Gewalttätern distanzieren, ja, diese, so weit es ihnen möglich ist, auch während einer Demonstration isolieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)
Das grundgesetzlich verbriefte und für eine Demokratie unabdingbare Recht auf Demonstration darf nicht durch Links- und Rechtsextremisten und auch nicht durch kriminelle Gewalttäter beschädigt werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Einsatzkonzept der Polizeiführung zur Absicherung des G8-Gipfels lag eine auf nationalen und internationalen Erfahrungen beruhende durchdachte Deeskalationsstrategie zugrunde. Das Gebot zur Deeskalation durch die Polizei ist ständige Verpfl ichtung aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hierzu gibt es keine Alternative. Dieses gepaart mit professionellem und besonnenem Verhalten der Polizeikräfte war Gebot des Einsatzes der handelnden Kräfte. Der BAO Kavala ging es nie darum, friedlichen Protest zu verhindern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den Tagen nach dem 2. Juni kam es im Großraum Rostock zu einer Vielzahl friedlicher Versammlungen, bedauerlicherweise aber auch immer zu gewalttätigen Übergriffen. Bei einigen Versammlungen in der Innenstadt Rostocks wurde erst durch Vorgehen gegen vermummte Störer und Auflagen zur Veränderung des Aufzugsweges die Durchführung friedlicher Versammlungen ermöglicht.
Am Morgen des 6. Juni bewegten sich circa 10.000 Personen im Raum Bad Doberan, die über unterschiedliche Routen zeitgleich in Richtung Heiligendamm zogen. Die Polizei ging davon aus, dass unter den 10.000 Demonstranten insgesamt circa 2.500 dem gewaltbereiten Spektrum zuzuordnen sind. In Aufzügen von mehreren Tausend Teilnehmern bewegten sich die Globalisierungskritiker über Straßen, Feld- und Waldwege, Wiesen und bestellte Felder. So gelang es den Demonstrationszügen, in den vom Versammlungsverbot betroffenen Bereich vorzudringen. Teilweise gelang es den Demonstranten sogar, sich der technischen Sperre bis auf einige
Meter zu nähern. Einsatzkräfte wurden angegriffen und zeitweise auch mit Steinen und Gegenständen beworfen. Unter Einsatz von Zwangsmitteln konnten Angriffe auf die technische Sperre abgewehrt werden. Zur Abwehr dieser Angriffe auf das technische Sperrwerk wurden zahlreiche Kräfte in dessen Nähe gebunden.
Rund 7.000 Globalisierungskritiker bildeten dann eine Blockade an der Kontrollstelle Rennbahn. Weitere Blockaden gab es an der zweiten Kontrollstelle in Hinter Bollhagen sowie auf weiteren Straßen im Umfeld der technischen Sperre. An einigen Blockadestellen wurden auch Hindernisse aufgebaut, die zum Teil in Brand gesetzt wurden. Zeitweise kam es auch immer wieder zu Blockaden der Bäderbahn „Molli“, mit der Medienvertreter von Kühlungsborn zur Tagungsstätte gebracht wurden.
Die Polizei ging davon aus, dass an der Blockade der Kontrollstelle Rennbahn auch rund 1.500 gewaltbereite Teilnehmer beteiligt sind. Aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens der gewaltbereiten Störer musste der Polizeiführer davon ausgehen, dass diese bei einem Versuch der Aufl ösung der Blockade durch die Polizei im Schutze der anderen Blockadeteilnehmer Gewalttätigkeiten ausüben würden. Zur Vermeidung einer derartigen Eskalation der Gewalt wurde deshalb diese Blockade bis nach dem Ende der Gipfelveranstaltung nicht aufgelöst. Zugunsten von Leben und Gesundheit aller Beteiligten konnte keine andere Entscheidung getroffen werden. Von Bedeutung dabei ist auch, dass der innere Sicherheitsbereich durch Störer nicht betreten werden konnte. Von der Kritik an der Notwendigkeit der technischen Sperre ist angesichts der Bilder vom vergangenen Mittwoch derzeit nichts mehr zu hören.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die unbewiesene Behauptung, ein während der G8-Demonstationen enttarnter Zivilbeamter hätte andere Blockadeteilnehmer zur Begehung von Straftaten und Störungen angestiftet, lasse ich gerade untersuchen.
Der Einsatz von Zivilkräften dient neben der allgemeinen Aufklärung auch der beweiskräftigen Feststellung von Gewalttätern. Die Feststellung und Ingewahrsamnahme von Gewalttätern ist eine wichtige und auch im Interesse von friedlichen Protesten notwendige Maßnahme. Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand war der auch in der Öffentlichkeit erwähnte Polizeibeamte in ziviler Kleidung eingesetzt, um die Störerseite zu beobachten und seine Feststellungen zu melden, natürlich aber nicht, um Straftaten zu provozieren oder sie gar selbst zu begehen. Im Übrigen verbietet die Deeskalationsstrategie der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern Provokationen jeglicher Art durch die Polizeikräfte. Das gilt auch für meine Kollegen in anderen Bundesländern und natürlich auch für die Bundespolizei.
Meine Damen und Herren! Durch das besonnene und der Situation angepasste Handeln der Polizei ist die Gratwanderung zwischen Sicherheit und Beschränkung von Freiheitsrechten gelungen. Die Sicherheit des Gipfels war zu keinem Zeitpunkt gefährdet, friedliche Versammlungen wurden in einem großen Umfang ermöglicht und geschützt, gegen Gewalttäter wurde konsequent vorgegangen. Als Beweis hierfür nenne ich Ihnen folgende Zahlen: Insgesamt wurden 463 Personen wegen Verdachts der Begehung von Straftaten vorläufi g festgenommen
und gegen 11 dieser Personen wurden Haftbefehle erlassen. In acht Fällen erfolgten im Rahmen beschleunigter Verfahren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen. Zur Abwehr drohender Gefahren wurden insgesamt 650 Personen in Gewahrsam genommen. Alle wurden einer richterlichen Entscheidung zugeführt.
Einmal mehr hat der Republikanische Anwaltsverein eine Diskussion um die Gefangenensammelstellen losgetreten.
Bei Großdemonstrationen, bei denen mit einer Vielzahl von Festnahmen und Gewahrsamnahmen zu rechnen ist, sind temporäre Gefangenensammelstellen einzurichten, weil die Alltagsorganisation auf die Unterbringung von derart vielen Störern nicht eingerichtet ist. Diese Gefangenensammelstellen dienen lediglich der Registrierung, Aufnahme und kurzfristigen Unterbringung bis zur richterlichen Entscheidung über eine mögliche Fortdauer der Freiheitsentziehung oder Entlassung. Vor dem Einsatz hat amnesty international in Rostock die Möglichkeit wahrgenommen, sich über die Regelungen der Gefangenensammelstellen umfassend zu informieren und diese zu besichtigen. Was die offensichtlich interessengesteuerten Behauptungen des Anwaltsvereins anbelangt, habe ich ebenfalls bereits eine Untersuchung veranlasst. Auch hier sage ich Ihnen, wie eingangs erwähnt, eine offene und umfassende Unterrichtung über die Ergebnisse zu. Darüber hinaus wurden während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel insgesamt 1.439 Ermittlungsverfahren aufgrund verschiedener Straftatbestände eingeleitet. Mein Dank geht an dieser Stelle auch an die eingesetzten Richter sowie an die Staatsanwälte und an die Justizbehörden unseres Landes Mecklenburg-Vorpommern.
An den Protestveranstaltungen gegen den Weltwirtschaftsgipfel nahmen zeitweise bis zu 30.000 Personen teil. Trotz der überwiegend friedlichen Proteste kam es leider bei rund 1.000 Personen aufseiten der Polizei und der Demonstranten zu Verletzungen und auch zu Sachschäden. Die Stadt Rostock hat ihren Sachschaden im Zusammenhang mit den Ereignissen am 2. Juni auf vorläufi g 50.000 Euro geschätzt, entgegen anderslautender Mitteilungen noch am Samstag. Die landwirtschaftlichen Nutzfl ächen, die durch die Demonstrationen um Heiligendamm herum in Mitleidenschaft gezogen wurden, werden im Hinblick auf die Schadenshöhe von Sachverständigen begutachtet. Das Land Mecklenburg-Vorpommern – und hier hat die Landesregierung nie etwas anderes gesagt – wird hier auch eine faire Regelung fi nden, wie wir miteinander umgehen. Das ist auch in Absprache mit meinem Kollegen vom Landwirtschaftsministerium so gewesen. Derzeit wird eine Erfassung der Schäden vorgenommen. Das Gleiche gilt auch für gegebenenfalls in Anspruch genommene andere Privateigentümer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein ganz besonderer Dank gilt auch den mehr als 2.300 nichtpolizeilichen Einsatzkräften, insbesondere der Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks, des Deutschen Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen. Ganz besonders herauszuheben ist, dass der größte Teil dieser Kräfte ehrenamtlich tätig war. In diesem Zusammenhang berichte ich Ihnen gern über eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr mit den drei Gebietskörperschaften Hanse
stadt Rostock und den Landkreisen Bad Doberan und Güstrow sowie den betroffenen Städten und Gemeinden. Ganz besonders herausstellen muss ich die große Gastfreundschaft der Bevölkerung in und um Heiligendamm, von der auch viel berichtet wurde, vor allem, weil sie doch für erhebliche Einschränkungen im Alltag, die der G8-Gipfel mit sich brachte, überwiegend Verständnis zeigte. Auch dafür bedanke ich mich.
Selbstverständlich wird auch die Diskussion über die tatsächlichen Kosten des Einsatzes für den G8-Gipfel die parlamentarische Debatte beherrschen. Das war ja bereits im Vorfeld der Fall. Seien Sie versichert, auch hierzu werde ich Sie, sobald belastbares Zahlenmaterial vorliegt – und da lege ich großen Wert drauf, belastbares Zahlenmaterial, und ich habe mich gerade mit der Kollegin Vorsitzenden vom Finanzausschuss unterhalten zu belastbarem anderen Zahlenmaterial, was immer gefragt wird, was eben einige Zeit braucht, bis man es als belastbar beziffern kann –, wenn wir belastbares Zahlenmaterial vorliegen haben, informieren.
Bei aller Kritik, die ein so komplexer Einsatz nach sich ziehen kann, müssen wir uns um eine sachliche Aufarbeitung und sachliche Debatte bemühen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Abschließend gestatten Sie mir drei persönliche Bemerkungen.
Erstens. Eine Lehre aus den auch für mich aufregenden letzten Tagen kann ich bereits heute ziehen: Es ist unsere gemeinsame demokratische Pfl icht und Verantwortung, zu verhindern, dass die Extremisten von links und rechts unsere demokratischen Werte und Rechte kaputt machen.
Zweitens. Allen Kritikern und Besserwissenden zum Trotz haben wir bewiesen, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern sehr wohl in der Lage sind, ein solches Weltereignis wie den G8-Gipfel erfolgreich zu schultern.