Protocol of the Session on May 10, 2007

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Perspektiven der maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern stärken, Innovationskraft nutzen, Zukunft sichern“, so die wirklich sehr aussagekräftige Überschrift dieses Antrages. Die Begründung fehlt da logischerweise gleich ganz. Das, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, macht es nicht einfacher, inhaltlich in diesen Antrag einzusteigen. Man könnte diesem Antrag grundsätzlich folgen. Allerdings hat er auch derart viele Auslegungsmöglichkeiten, dass man sich gut überlegen sollte, ob man dieses tut.

Deutsche Reedereien, meine Damen und Herren, haben weltweit 600 Schiffsneubauten geordert. Deshalb ist es schon sinnvoll, die weitere Entwicklung der maritimen Wirtschaft in unserem Land im Auge zu behalten. Aber was behalten wir nach diesem Beschluss konkret im Auge? Wofür geben wir prioritär die Landesbürgschaften aus, so, wie der Minister es vorhin angekündigt hat? Darüber sagt der vorliegende Antrag nichts. Und auch der Minister war eher unkonkret und zählte nur nebeneinanderstehend oder nachfolgend auf.

Schiffe, meine Damen und Herren, gehören mittlerweile zu den größten Umweltsündern, denn sie fahren mit billigem Schweröl, das an Land verboten ist, und verpesten damit Luft und Wasser gleichermaßen. Es stände einem Land wie dem unsrigen gut zu Gesicht, wenn wir beispielsweise der Entwicklung technischer Innovationen im Schiffsbetrieb, die die Emissionen des Seeverkehrs deutlich vermindern könnten, mit einem Beschluss des Landtages Vorrang einräumen könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Überhaupt müsste eine Konzeption, die zur Zukunftssicherung der maritimen Industrie in unserem Land entwickelt wird, eine Schwerpunktsetzung enthalten. Für meine Fraktion kann ich da gleich zwei Schwerpunkte einbringen:

1. Entwicklung und praktische Umsetzung innovativer und umweltfreundlicher Technologien

2. Absicherung der notwendigen, qualitativ hochwertigen Aus- und Fortbildung der Besatzungen

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Dazu gehört, meine Damen und Herren, ein Gesamtkonzept, das beispielsweise Angebote für andere Länder erstellt, Angebote für das seefahrende Personal unterbreitet, sei es im nautischen oder technischen Einsatz oder ob es als Verwaltungsangestellte fährt, denn wir haben das Know-how und wir haben an der Hochschule Wismar hoch motivierte Menschen, die darauf brennen, hier endlich mehr tun zu können, denn auch sie sind Teil des maritimen Wirtschaftsfaktors.

Aber, meine Damen und Herren, wo sind die Schwerpunkte des Konzeptes? Ich kann keine erkennen. Offensichtlich verlassen Sie sich voll darauf, dass die Regierung schon etwas Vernünftiges tun wird, denn der Landtag ist nach

der Verabschiedung des Antrages außen vor. Über das, was sich die Regierung ausdenkt, wird er nur noch informiert. Und auch ein festgelegter Berichtszeitraum, Herr Roolf, ändert daran gar nichts, denn wir haben es gehört: Der Minister arbeitet an einem Konzept und informiert den Landtag darüber, wie das Konzept aussieht und wie es umgesetzt wird. An Schwerpunkten noch mitzudiskutieren in der Ausschussdebatte ist nach meiner Erfahrung in diesem Landtag bei diesem Umgang mit dem Konzept leider nicht mehr möglich. Deshalb bleibt für mich und meine Fraktion nur, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Werner Kuhn, CDU)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/546 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der FDP-Fraktion zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/546 bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der Linkspartei.PDS angenommen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/488 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/488 mit den soeben beschlossenen Änderungen bei Zustimmung der Fraktionen der SPD, CDU und FDP sowie Stimmenthaltungen aus der Fraktion der NPD und der Fraktion der Linkspartei.PDS und einigen Gegenstimmen aus der Fraktion der Linkspartei.PDS angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – Entschließung – Europäischen Verfassungsprozess auf neue Grundlage stellen, Drucksache 5/475.

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS: Entschließung – Europäischen Verfassungsprozess auf neue Grundlage stellen – Drucksache 5/475 –

Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei.PDS Herr Professor Dr. Methling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der bisherige Entwurf für eine europäische Verfassung ist gescheitert. Er ist tot. Man kann den Bürgerinnen und Bürgern von Frankreich, der Niederlande, aber auch allen anderen nicht noch einmal denselben oder einen kaum geänderten Text zur Abstimmung vorlegen. Der europäische Verfassungsprozess steckt damit insgesamt in einer Krise. Dies sind der klare Befund und die Botschaft des Europäischen Rates, der im Juni 2006 eine Denkpause verordnet hat. Man sprach dort von einer „Zeit der Refl exion“ und beauftragte zugleich die deutsche Ratspräsidentschaft in Gestalt der Bundeskanzlerin Frau Merkel, mit den EU-Mitgliedsstaaten darüber zu sprechen, wie es nach der Ablehnung des Verfassungsentwurfs durch die Franzosen und Niederländer weitergehen soll.

Frau Merkel hat inzwischen in mehreren Regierungserklärungen, zuletzt auch gestern Abend in einem EuropaForum, dargelegt, wie schwierig es ist, aus der Sackgasse herauszufi nden. Am 1. März 2007 hat die Bundeskanzlerin noch einmal einen Fahrplan bis zum Juni – das wären nur noch ein paar Wochen Zeit – versprochen. Bei dieser Ankündigung ist es bis heute im Prinzip geblieben. Angesichts der verbliebenen Zeit muss der Fahrplan auf den Tisch. Für uns ist es wichtig, dass vor allem die Bürgerinnen und Bürger in Europa sehen und prüfen können, wohin die Reise gehen soll.

Bei vielen Regierenden ist die Verlockung sehr groß, einfach den Teil über Zusammensetzung, Aufgaben und die Abstimmungsverfahren in den Institutionen zu beschließen und die Grundrechtsbestimmungen als unverbindliche Anlage, wie man so sagt, einfach in den Skat zu drücken. Dies wäre freilich, liebe Kolleginnen und Kollegen, von allen irgendwie denkbaren Lösungen die schlechteste. Wenn ich das hier so sage, ist das leider nicht aus der Luft gegriffen. Nein, es wird nicht nur darüber nachgedacht, wie man technisch über das Nein der Franzosen und Niederländer hinwegkommt, sondern es wird auch überlegt, eine vor allem im Grundrechtsteil abgespeckte Variante durchzubringen. Man spricht in dem Zusammenhang gern von der „Substanz“ der Verfassung, ohne allerdings näher zu sagen, worin sie denn nun eigentlich besteht.

Am 1. März 2007 sagte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung, ich zitiere: „Wir brauchen einen Vertrag, der die regionale, die subsidiäre Verantwortung stärker benennt, der Europa institutionell handlungsfähig macht, der deutlich macht, was die Europäische Union eint.“ Das klingt sehr schön, sagt aber wenig.

Die Bürgerinnen und Bürger wollen ein Europa der Gerechtigkeit und der Solidarität, das sich für Friedenssicherung und Entwicklung nicht nur in der europäischen Region, sondern weltweit einsetzt. Und sie wollen wissen, wie man dort hinkommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, die neoliberale Politik der Europäischen Union hat die Erwartungen und Hoffnungen der Bürgerinnen und Bürger tausendfach enttäuscht und das Misstrauen in die europäischen Institutionen ist weit verbreitet. Der bürokratische Moloch macht die EU in den Augen der Bürgerinnen und Bürger nicht sympathischer. Und ich denke, es kommt noch ein weiterer wichtiger Punkt hinzu. Das sind die mangelnde Transparenz und die Öffentlichkeit des Zustandekommens des Verfassungsentwurfs und die Lebensfremdheit des Textes. Die Verhandlungen fanden jahrelang hinter verschlossenen Türen statt. Die Bevölkerung der EU-Länder blieb außen vor. Niemand hat dies treffender gesagt als der Luxemburgische Ministerpräsident Juncker, wenn er den Vergleich mit einer „Dunkelkammer“ zog und davon sprach, es sei „hinter hohen Mauern und in abgedunkelten Zimmern“ verhandelt worden. Woher soll dann Vertrauen in einen so entstandenen Verfassungstext kommen? Außerdem ist mit der Textlänge von 852 Seiten und Unübersichtlichkeit das Maß des Zumutbaren bei Weitem überschritten. Der Entwurf leidet entschieden unter einer mangelnden Verständlichkeit. Die komplizierten Verschachtelungen, insbesondere mit dem Teil III, bewirken, dass bei vielen Regelungen nicht einmal Fachleute und Juristen den Sinn erfassen können und wissen, was gehauen und gestochen ist, wie man so sagt. Für Bürgerinnen und Bürger dürfte dieser

Entwurf jedenfalls ein Buch mit sieben Siegeln bleiben und völlig ungenießbar sein.

Meine Damen und Herren, es gibt keinen Zweifel daran, dass Handlungsbedarf für die europäische Ratspräsidentschaft besteht.

(Beifall Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)

An erster Stelle ist aus unserer Sicht das Demokratiedefi zit in den Strukturen der EU und im Verfassungsprozess zu beheben. Wir haben bereits in unserem Entschließungsantrag vom Januar 2007 zur Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Deutschland unsere Auffassung dargelegt, dass der Verfassungsprozess neu begonnen werden muss. Leider hat dieser Entschließungstext vor Ihren Augen, vor den Augen der Mehrheit des Landtages, keine Gnade gefunden. Sei es, wie es sei. Wir versuchen hiermit erneut, zu einer gemeinsamen Position in der Frage zu gelangen, wie unsere Landesregierung in Berlin agieren und was sie praktisch einbringen kann und sollte. Uns als Parlament sollte der Inhalt des Fahrplanes von Frau Merkel jedenfalls nicht egal sein.

Die Landesparlamente wissen bekanntlich von rein gar nichts und werden offenbar wie bislang auch in Zukunft nicht näher gefragt. Welche Punkte wir gern in dem Fahrplan benannt hätten, haben wir im Antragstext gesagt. Sicherlich könnte man weitere Punkte aufnehmen. Wir sind nicht gegen, sondern sehr für weitere sachdienliche Erweiterungen und Änderungen unserer Entschließung. Das soziale Wohlergehen, der soziale Fortschritt, die Menschenrechte und Solidarität aller in der Europäischen Union lebenden Menschen sind zu Recht die tragenden Ausgangspunkte in der Präambel und im Teil I. Wir wollen einen neuen Verfassungsvertrag, der diesem Anspruch durchgängig in allen Teilen gerecht wird.

(Beifall Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Dann werden die Bürgerinnen und Bürger ihm auch zustimmen.

Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen, um alle Missverständnisse auszuräumen: Wir sind für eine europäische Verfassung und nicht dagegen,

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

aber sie muss den Merkmalen Rechnung tragen, die ich dargelegt hatte. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie, unsere Entschließung zu unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Methling.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Harald Ringstorff.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Der Ministerpräsident wird uns jetzt unterstützen.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Kollege Methling hat eben gesagt, der MP wird uns jetzt unterstützen. Leider, Kollege Methling, muss ich Sie enttäuschen. Wie in der vergangenen Legislaturperiode,

als wir noch in einem Boot saßen, haben wir auch jetzt, das stelle ich nicht zuletzt nach Ihrem Vortrag fest, zum europäischen Verfassungsprozess nach wie vor unterschiedliche Auffassungen.

Meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen konnten wir den 50. Jahrestag der Römischen Verträge feiern. Ich glaube, das war ein guter Anlass, um an die Erfolgsgeschichte Europas zu erinnern. Trotzdem fragen sich viele Menschen, was ist los mit Europa und wie geht es weiter mit dem Verfassungsprozess? Was ist geblieben von der europäischen Begeisterung der Gründungsväter der europäischen Gemeinschaften? Wo sind der Mut, der Optimismus, mit dem 2004 der Beitritt der zehn neuen Mitglieder vor allem aus Mittel- und Osteuropa angepackt wurde?

Meine Damen und Herren, eins ist doch klar und das betone ich immer wieder: Für uns ist die europäische Einigung ein wertvolles Geschenk und dafür sind wir dankbar. Das gilt gerade für die Generation, die Diktatur, Unfreiheit und Krieg bewusst miterlebt und darunter gelitten hat. Europa steht vor allem für Frieden, Wohlstand, Solidarität und die Überwindung der europäischen Teilung. Von der europäischen Weltoffenheit profi tiert insbesondere ein Bundesland wie unseres, das vom Tourismus lebt, das sich über eine steigende Exportquote freut und sich um internationale Investoren bewirbt. Die Zusammenarbeit mit Europa insbesondere im Ostseeraum und mit unseren polnischen Nachbarn ist für uns von großer Bedeutung und hat einen hohen, einen sehr hohen Stellenwert. Für unsere jungen Leute ist die Welt größer geworden. Sie können in ganz Europa studieren und auch junge Leute aus ganz Europa können zu uns kommen und bei uns in Mecklenburg-Vorpommern studieren. Ich glaube, das ist ein großer Gewinn für uns alle.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Zu diesem erfolgreichen Weg gibt es keine vernünftige Alternative. Wenn wir Europäer in der Welt des 21. Jahrhunderts bestehen wollen, dann brauchen wir nicht weniger, sondern eher mehr Europa. Wir brauchen ein wirtschaftlich starkes und dynamisches Europa, ein Europa, das nach außen und nach innen effi zient und vor allen Dingen auch handlungsfähig ist. Und wenn wir Europäer die Aufgaben, wie sie beispielsweise aus der Klimaveränderung erwachsen, oder die Gefahren des Terrorismus bewältigen wollen, müssen wir unsere Kräfte bündeln und gemeinsam handeln.

Meine Damen und Herren, die großen Errungenschaften, die Europa und die europäische Idee für uns mit sich bringen, fallen uns nicht in den Schoß. Dafür müssen wir uns alle einsetzen. Die Referenden in Frankreich und in den Niederladen haben gezeigt, Politik ist kein Selbstzweck, sie muss den Bürger auch mitnehmen. Das gilt für die Politik im Allgemeinen und für die Europapolitik im Besonderen, denn teilweise scheint es, als hätten wir viele Menschen in Europa an die Skeptiker verloren. Dabei bringt die Integration ganz konkrete Vorteile für jeden Einzelnen und davon müssen wir die Menschen überzeugen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir soziale Standards, Arbeitnehmerrechte und gerechte Löhne als integrale Bestandteile der Wirtschaftsordnung begreifen und nicht als marktfremde Hindernisse.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Genauso ist es.)

Ja, aber das war Bestandteil des Verfassungsentwurfes, Herr Kollege Methling.