Protocol of the Session on June 28, 2011

Doch, damit bin ich einverstanden, Herr Kokert. Aber Sie sind, glaube ich, auch Unternehmer.

(Toralf Schnur, FDP: Nee, das ist er nicht. Vincent nicht.)

Sie wissen genau, dass sich Selbstverwaltung der Wirtschaft sehr klar definiert. Ich hätte erwartet, dass die Landesregierung sich genau an dieser Stelle mal die

Mühe und die Arbeit macht und sich anschaut, wer ist denn eigentlich an dieser Stelle der richtige Ansprechpartner. Es geht um die fachliche Ausweitung von unternehmerischer Betätigung. Das fachliche Primat, die inhaltliche Ausrichtung von kommunaler und wirtschaftlicher Leistung, was die Qualität und den Umfang dieser Leistung anbelangt, ist nicht Aufgabe der Kammern, sondern ist Aufgabe der Verbände, nämlich der Wirtschaftsverbände, und zwar einmal in der Vereinigung der Unternehmensverbände und dann der Wirtschafts- und Fachverbände im Handwerk. Das heißt, ohne eine Anhörung der Fachverbände können Sie mit der Anhörung nur im Kammersystem nicht das erreichen, was Sie erreichen wollen.

Das entspannt geäußerte Angebot des Hauptgeschäftsführers der Handwerkskammer Schwerin, man würde doch dann auch vor Ort die Innungen und die Kreishandwerkerschaften anhören, das ist ein Goodwill, das so nicht im Raum stehenbleiben kann.

(Vincent Kokert, CDU: Ich höre da die IHK-Kritik.)

Wir müssen es einfach auch im Gesetz verwurzeln.

Dann sind wir bei der Thematik des sogenannten Örtlichkeitsprinzips. Sie sehen, einmal berührt es den Paragrafen 15 und dann noch mal die Frage, wann darf denn eine Kommune überwiegend wieder wirtschaftlich tätig sein. Und jetzt sind wir bei der Energieversorgung. Die grundsätzliche Ausrichtung ist doch, dass die Kommune sich dann wirtschaftlich betätigt, wenn es wirklich einen Wettbewerb gibt. Ich denke, wir sind beieinander, im Strombereich trifft dieses zu. Deshalb finden Sie diese...

(Vincent Kokert, CDU: Ah ja!)

Deshalb ist diese Änderung, die Sie hier mit einbringen, sinnvoll. Und wir haben das auch noch einmal in unserem Änderungsantrag mit drin.

Bei dem Thema Gas...

(Vincent Kokert, CDU: Da kann uns nur Herr Schröder helfen. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Ja, da kann uns womöglich Herr Schröder helfen, richtig. Herr Kokert, das ist ein gutes Zusammenspiel hier.

... und beim Thema Wärme gibt es richtige Defizite. An der Stelle haben wir überhaupt keinen Wettbewerb.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Und wenn Sie sich dann Ihren Paragrafen 15 angucken, da bin ich beim Anschlusszwang, dann müssen Sie sich auch einmal überlegen, was Sie dort in Ihrer jetzigen Formulierung reinhaben wollen. Da kann derjenige, der überwiegend eine Eigenversorgung sicherstellt auf höchstem ökologischem Standard, vom Anschlusszwang befreit werden. Wir sagen, der muss vom Anschlusszwang befreit werden, und zwar aus zweierlei Gründen:

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Er muss befreit werden, weil er ein Höchstmaß an Eigenverantwortung, an eigener Versorgung auch nach höchstem Standard gemacht hat,

(Hans Kreher, FDP: Genau.)

und er muss – das ist für mich in Mecklenburg-Vorpommern auch ganz wichtig – es können. Denn wenn wir es jetzt grundsätzlich verbieten, wenn wir grundsätzlich

diese Tür zumachen, dann wird die gesamte Entwicklung dieser innovativen kleinen dezentralen Energieversorgungssysteme hier nicht mehr durchgeführt werden. Jeder wird dann Angst haben und sagen, wenn ich jetzt etwas mache, wenn ich Geld in die Hand nehme, wenn ich investiere, dann ist es nicht so, dass man mich freistellen muss, sondern es ist so, dass man mich freistellen kann. Das ist aus unserer Sicht deutlich zu wenig,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

deshalb müssen wir an dieser Stelle unbedingt diese Änderung haben.

(Toralf Schnur, FDP: Recht hat er.)

Ich denke, ich habe Ihnen, was die unternehmerische und wirtschaftliche Betätigung der Kommunen anbelangt, zwei, drei Grundzüge dargelegt. Aber eines ist mir an dieser Stelle auch noch ganz wichtig: Wir wollen keinen Krieg zwischen Kommunalen und Privatwirtschaft, wir wollen ein Nebeneinander, ein gleichberechtigtes Nebeneinander. An der Stelle wollen wir aber auch, dass die Position der freien Wirtschaft und der Privatwirtschaft gestärkt wird.

Sie muss an der Stelle zwingend gestärkt werden, indem ein betroffenes Unternehmen, ein betroffener Unternehmer gegen die wirtschaftliche Betätigung der Kommune, so sie dann auch genehmigt worden ist von der örtlichen kommunalen Vertretung, ein Klagerecht hat,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

damit er sich dagegen wehren kann, wenn seine Existenz in Gefahr ist. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass diesen Unternehmerinnen und Unternehmern in Mecklenburg-Vorpommern kein Rechtsschutz gewährt wird, kein Klagerecht gewährt wird. Deshalb muss, und das finden Sie auch in unserem Änderungsantrag, zwingend das Klagerecht an dieser Stelle mit eingebaut werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Ich denke, über eines sind wir uns im Klaren: Die Chancengleichheit auf allen Ebenen ist nicht wirklich gegeben. Wir wollen aber nicht die Gräben weiter auseinandermachen, sondern wir wollen letzten Endes das Miteinander hinbekommen. Wer das Klagerecht einführt und wer das Klagerecht ermöglicht, der kann auch einen Beitrag dazu leisten, dass Missbrauch, den womöglich derjenige auch nicht will, der dieses Gesetz eingebracht hat, dass diesem Missbrauch Vorschub geleistet wird.

(Toralf Schnur, FDP: Genau.)

Und deshalb werben wir noch einmal intensiv darum, dass diesem Klagerecht dann stattgegeben wird.

Eines will ich auch noch sagen zu der neuen Rechtsform der unternehmerischen Tätigkeit im Kommunalbereich und zu der Beteiligung an öffentlichen Aufträgen, weil das hier in der Kommunalverfassung dann auch eine Rolle spielt. Dort sind wir, glaube ich, inhaltlich komplett auseinander. Wir sagen, der Staat darf keine Inhousegeschäfte mit sich selber machen. Wenn es eine öffentliche Vergabe gibt, und zwar außerhalb des Strombereiches, das haben wir besprochen, dann darf es nicht sein, dass ein Unternehmen mit mehr als 50 Prozent staatlicher Beteiligung sich an öffentlichen Vergaben beteiligen darf. Das ist eine Form von Wettbewerbsvorteil.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Vincent Kokert, CDU: Wen meinen Sie denn damit?)

Zum Beispiel einen Eigenbetrieb der Hansestadt Wismar, der sich an der Ausschreibung für die Betreibung eines Parkhauses beteiligt.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Herr Kokert, der kann nicht pleitegehen, der ist unkaputtbar. Der bekommt bessere Kredite, weil er nämlich den Staat dahinter hat, der dafür bürgt, und – und das ist auch eines der entscheidenden Probleme – der macht ein Geschäft mit sich selber. Und das, finde ich, ist das Dramatische an der ganzen Geschichte. Wenn wir dem in der Kommunalverfassung so zustimmen,

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

dann machen wir an dieser Stelle die Tür auf für diese Inhousegeschäfte. Das sollten wir nicht tun. Auch wenn wir Sie nerven und es womöglich anstrengend ist, sich unseren Änderungsanträgen in diesen beiden Bereichen zuzuwenden, bitten wir Sie intensiv noch einmal, unabhängig von den groben inhaltlichen Veränderungen diesen Dingen zuzustimmen. Meine große Bitte gilt speziell dem Paragrafen 15, die Mussbefreiung beim Anschlusszwang, wenn ich mich überwiegend selbst versorge. Und ich bitte Sie ganz intensiv darum, den Rechtsschutz zu ermöglichen, sprich das Klagerecht der Unternehmer. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Roolf.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Heinz Müller. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der Ersten Lesung schon sehr ausführlich über diesen Gesetzentwurf beraten und haben dann, unser Ausschussvorsitzender hat darüber berichtet, eine ausführliche, inhaltsreiche, aber sehr kontroverse Anhörung im Innenausschuss gehabt. Wir haben im Innenausschuss darüber diskutiert und wir kommen jetzt zur Zweiten Lesung.

Viele Argumente sind ausgetauscht und sind auch noch einmal hier vorgetragen worden, insbesondere im Bericht von Herrn Dr. Timm und in den Ausführungen unseres Ministers. Ich will mich deshalb auf einige wenige Schwerpunktthemen konzentrieren, nicht ohne noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass wir in diesem Gesetzentwurf einen Ausbau der Bürgerbeteiligung haben, dass wir eine Stärkung der Rechte der Gemeindevertreter und Gemeindevertreterinnen – wir wollen ja die Sprache gendern – haben,

(Michael Roolf, FDP: Gendern!)

dass wir eine Förderung von Strukturveränderungen auf der kommunalen Ebene im Gesetz finden, was ich für sehr wichtig halte, dass wir haushaltsrechtliche Vorschriften verändern, dass wir vor allen Dingen im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung dieses Kapitel neu fassen und dass wir hier neue Möglichkeiten und neue rechtliche Vorgaben machen. Wir haben gerade zum Thema „wirtschaftliche Betätigung“ in der Anhörung eine sehr heftige und eine sehr kontroverse Auseinandersetzung gehabt. Auch außerhalb ist in dieser Anhörung sehr polemisch von beiden Seiten argumentiert worden.

Ich möchte hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, alle an diesem Diskussionsprozess Beteiligten zu einer Versachlichung der Diskussion aufrufen. Ich

glaube, es dient uns nicht, wenn wir hier einen Gegensatz zwischen kommunaler Wirtschaft und privater Wirtschaft aufmachen oder generell zwischen öffentlicher und privater Wirtschaft, sondern, ich glaube, es geht mehr noch, als Sie es gesagt haben, Herr Roolf, nicht nur um ein Nebeneinander, sondern es geht um ein Miteinander dieser beiden Teile unserer Wirtschaft, dieser beiden Teile der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Waren und mit Dienstleistungen.

Ich glaube, es dient einer solchen sachlichen Auseinandersetzung nicht – da, Herr Roolf, sollten Sie vielleicht auch mal ein Stück weit Selbstkritik üben –, es dient einer solchen Versachlichung nicht, wenn man hier mit Parolen wie „Privatwirtschaft an Ketten der Kommunalverfassung“ argumentiert. Wenn man großformatige Anzeigen schaltet, in denen behauptet wird, die Bürger dürften demnächst den Handwerker, der ihre Wohnung tapeziert, nicht mehr frei wählen, wenn man in dieser Art und Weise und völlig ohne sachliche Basis Ängste schürt und polemisiert, dann kann man nicht erwarten, dass das als sachliche Auseinandersetzung gewertet wird. Dann gilt allerdings die alte deutsche Spruchweisheit, dass auf grobe Klötze immer noch grobe Keile gehören. Und wie Sie wissen, bin ich zu solchen groben Keilen sehr gerne bereit, das gilt auch für diesen Fall.

Meine Damen und Herren, ich will damit nicht ausschließen, dass es im Bereich der kommunalen Wirtschaft Missbräuche gibt, dass es einzelne Fälle gibt, in denen kommunale Unternehmen etwas tun, was sie nicht tun sollten. Ich habe bereits in der Ersten Lesung schon zum Ausdruck gebracht und es damit zum Zitat des Tages bei dpa gebracht,

(Torsten Renz, CDU: Oha!)