Protocol of the Session on April 13, 2011

(Regine Lück, DIE LINKE: Wir hatten auch keinen Grund abzufeiern.)

Natürlich sind die Arbeitsmarktzahlen positiv und Herr Kollege Holter hat es ja dann auch festgestellt. Ich glaube, keiner, der sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt – und die Damen oder die Herren von der NPD will ich da mal ausdrücklich ausnehmen –, wird bestreiten wollen, dass die Arbeitsmarktzahlen positiv sind. Und ich erspare es mir jetzt, Herr Minister Seidel, das alles noch mal wieder aufzugreifen, was Sie da an Daten gebracht haben. Ich glaube, die sind den meisten, die sich mit diesen Fragen in diesem Land beschäftigen, auch bekannt. Aber was man natürlich auch sagen muss, es ist nur die halbe Wahrheit. Arbeitsmarktzahlen, positive Arbeitsmarktzahlen sind wie ein runder Geburtstag. Man feiert sie, man findet sie toll und am nächsten Tag ist Alltag. Und mit dem Alltag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, muss man sich dann auch beschäftigen, weil der Alltag tatsächlich die Herausforderung für die nächsten Jahre stellt.

Und lassen Sie mich einen Punkt ansprechen, der mir im Grunde heute an diesem Tag viel zu wenig thematisiert worden ist. Herr Minister Seidel hat es kurz angerissen, Herr Ministerpräsident Sellering ist darauf eingegangen: Die grundlegende Frage dieses Landes ist tatsächlich die weitere demografische Entwicklung. Wir haben heute Reden gehört an dieser Stelle, die sich damit beschäftigt haben, wie wir tatsächlich Leute noch in den Arbeitsmarkt bringen. Das ist richtig. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir diejenigen, die arbeitslos sind, auch tatsächlich in den ersten Arbeitsmarkt bringen, sie dafür qualifizieren und entsprechend vermitteln können. Aber das eigentliche Problem, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dieses Landes ist, wie schaffen wir es, die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten 5, 10, 20 Jahren dieses Landes tatsächlich sicherzustellen.

Und ich habe das nur zufällig gesehen. Herr Minister Seidel und ich, wir waren ja beide auf dem Unternehmertag. Er hatte das dann ja auch dort angesprochen, dass wir im Jahre 2030 ein Viertel der Erwerbstätigen weniger haben werden, als wir heute haben. Das heißt, wir werden nicht mehr darüber diskutieren müssen, welche Leute können wir in welchen Arbeitsplatz bringen, sondern wir müssen tatsächlich dann die Frage diskutieren, wie können wir überhaupt die Arbeitsplätze, die in diesem Land vorhanden sind, und die wir ja alle gemeinsam

weiterentwickeln wollen, tatsächlich dann auch besetzen. Denn jedes Unternehmen, das seine Arbeitsplätze nicht besetzen kann, ist letztendlich – und das ist auch ein Teil der Wahrheit – in seinem Bestand gefährdet. Es nützt einem Unternehmen nichts, nur 80 oder 50 oder 75 Prozent der benötigten Arbeitsplätze zu besetzen, dann sind auch die gefährdet und nicht nur die 25 Prozent, die dann tatsächlich nicht belegt werden.

Und deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht alles das wiederholen, was hier heute schon gesagt worden ist, ist gerade die Frage, wie wir mit diesem Thema umgehen, für mich, für meine Fraktion – und wir haben das ja auch von den Worten des Ministerpräsidenten gehört – eine der wesentlichen Fragen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes. Und da, das sage ich auch ganz offen, hat man dann im besten Sinne des Wortes schon den Eindruck, dass konservative Politik auch was für sich hat.

Und, Herr Minister Seidel, bevor Sie sich jetzt da vielleicht geschmeichelt fühlen, damit sind Sie nun ausdrücklich nicht gemeint, weil konservativ einfach nun einmal im Sinne der klassischen Bedeutung dieses Wortes – was heißt das denn eigentlich? – heißt, das, was wirklich bewahrenswert ist, zu bewahren, weiterzuentwickeln, auch auf dem aufzubauen, was in den letzten Jahren gemacht worden ist, aber …

(Harry Glawe, CDU: Wird das jetzt eine Bewerbungsrede für die CDU?)

Ach, Herr Kollege Glawe, ich glaube nicht, dass ich das nötig habe.

(Harry Glawe, CDU: Das hörte sich so an. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Aber um es auch deutlich zu machen …

(Egbert Liskow, CDU: Nach dem Parteitag.)

Lassen Sie mich ausreden, vielleicht erledigt sich das dann ja.

(Harry Glawe, CDU: Ja, ja.)

Aber um es auch deutlich zu machen: Tatsächlich ist das, was an alten Zöpfen vorhanden ist, auch wirklich abzuschneiden. Und alte Zöpfe fangen tatsächlich nicht hinten am Kopf an, sie fangen im Kopf an.

Und, Herr Minister Seidel, da kommt dann auch eine kleine Spitze von meiner Seite: Ich finde es gut, wenn Sie heute sagen, die Arbeitsbedingungen müssen arbeitnehmerfreundlich gestaltet werden. Da sind wir beide im selben Boot und wir sind nicht nur im selben Boot, wir rudern auch in dieselbe Richtung.

(Harry Glawe, CDU: Na, guck an!)

Aber um es ganz deutlich zu machen: Ich hätte mir das auch vor einigen Jahren in diesem Haus schon gewünscht. Ich erinnere nur an die Debatte, die wir beide auch intern geführt haben zum Thema Ladenöffnungsgesetz, und an die Frage, ob man nach 22.00 Uhr unbedingt noch einkaufen muss. Und wenn ich dann lese – es ist in der „Ostsee-Zeitung“ gewesen, da werden Sie zitiert –, es sei fraglich, ob man nachts um 12.00 Uhr ein Paar Socken bestellen muss, dann, Herr Minister Seidel, freut es mich, dass wir heute offensichtlich, was den Punkt angeht, auch zu einem Konsens gefunden haben.

Aber sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vielleicht …

(Vincent Kokert, CDU: Sie wussten das schon immer. Das war jetzt rauszuhören.)

Ja, manchmal ist man auch als Koalitionspartner etwas weiter, Herr Kokert,

(Vincent Kokert, CDU: Genau.)

das müssen Sie vielleicht auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Egbert Liskow, CDU: Nur manchmal.)

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auf das Grundproblem eingehen. Und da gibt es dann offensichtlich auch keinen Dissens. Ich habe mich vor dieser Sitzung auch mit dem Kollegen Waldmüller noch unterhalten,

(Vincent Kokert, CDU: Der teilt das aber nicht, was Sie eben gesagt haben.)

auch zwischen ihm und mir, auch zwischen Minister Seidel …

Er muss auch nicht alles teilen, was ich sage.

Die Grundfrage ist tatsächlich: Wie können wir es schaffen, den erforderlichen Fachkräftebedarf in diesem Land zu sichern? Das wird die wirtschaftliche Herausforderung sein. Vor allem wird das die wirtschaftliche Herausforderung dieses Landes auch vor dem Hintergrund zurückgehender finanzieller Mittel sein. Wir alle wissen, dass die EU-Fördermittel, egal wie sie in der kommenden Förderperiode ausgestattet werden, weniger werden. Wir alle wissen, dass die Mittel, die wir vom Bund bekommen, weniger werden. Und wir alle wissen auch, dass die Finanzkraft dieses Landes, der Kommunen und auch der Unternehmerinnen und Unternehmer noch nicht so ausgeprägt ist, dass wir das tatsächlich auffangen können.

Und, meine Damen und Herren, Herr Minister Seidel hat auch in dem Punkt zu Recht darauf hingewiesen, eine der wichtigen Fragen – und da finde ich das gut, dass gerade dieser Tage von ihm auch ein entsprechender Fördermittelbescheid in ein einheimisches Unternehmen überreicht worden ist – ist die Frage: Wie kann die Innovationskraft der Wirtschaft in unserem Land erhöht werden, und zwar die Innovationskraft der Unternehmerinnen und Unternehmer, die hier im Lande tatsächlich ansässig sind? Das ist doch eines der grundlegenden Probleme, dass wir in diesem Land noch haben, dass wir immer noch nicht genug Forschungsabteilungen, Entwicklungsabteilungen hier in diesem Land haben, sondern dass hier produziert wird – das ist auch gut so, wir brauchen gewerbliche Arbeitsplätze –, aber dass die Entwicklung und die Forschung in diesem Bereich noch tatsächlich hinter anderen Ländern hinterherhinkt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Und wir müssen dazu auch in dem Bereich weiter voranschreiten und wir müssen teilweise auch mutiger voranschreiten, dass wir die Innovations- und Wachstumszentren in diesem Land tatsächlich weiterentwickeln. Und wir müssen tatsächlich auch – sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich komme jetzt gleich zum Ende, deswegen vielleicht hören Sie mir die letzten Minuten dann auch noch zu –

(Unruhe bei Harry Glawe, CDU)

dahin kommen, dass wir die …

Herr Kollege Glawe!

Wir müssen tatsächlich auch dahin kommen, dass wir die Wirtschaftsförderpolitik dieses Landes gezielt so weiterentwickeln, dass tatsächlich nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land über die nächsten Jahrzehnte stattfindet.

Und gestatten Sie mir, das auch zum Schluss zu sagen als jemand, der, bevor er Abgeordneter wurde, selber selbstständig war, Freiberufler war,

(Torsten Renz, CDU: Von wem sprechen Sie denn?)

und in dem Fall spreche ich von mir, aber ich könnte auch von dem Kollege Liskow sprechen oder von dem Kollegen Waldmüller oder Kollegen Rühs, um da nur einige zu nennen, das ist völlig egal: Wir müssen in diesem Land auch etwas stärken, was bundesweit ein Problem ist. Wir müssen den jungen Menschen auch die Perspektive öffnen, selbstständig zu sein, Unternehmer zu werden, sich in diesem Land tatsächlich auch für die Entscheidung einzusetzen, wirtschaftlich selber ihre Entwicklung in die eigene Hand zu nehmen.

Wir haben in diesem Land – das muss man einfach auch im Vergleich zu anderen Bundesländern konstatieren – viel zu geringe, auch wenn die Zahlen der Selbstständigen tatsächlich anzeigen, viel zu wenige Existenzgründungen und wir haben viel zu wenige kleine und mittelständische Unternehmen in diesem Land. Da muss man nur ein Land wie Schleswig-Holstein als Beispiel nehmen. Dort ist bei einer vergleichbaren Struktur der Wirtschaft und der Bevölkerung die Anzahl der Selbstständigen, der Unternehmer doch erheblich größer. Und das muss der Maßstab sein, zu dem wir hinkommen.

Und vor dem Hintergrund, und damit möchte ich dann auch aufhören, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, finde ich es dann allerdings auch bedauerlich, dass die Arbeitsmarktpolitik des Bundes gerade jetzt in diesem Augenblick einen aus meiner Sicht gravierenden Fehler macht, nämlich das Instrument der Existenzgründungsförderung im Rahmen der allgemeinen Kürzung der arbeitsmarkpolitischen Mittel dann auch tatsächlich zu reduzieren. Gerade die Existenzgründung ist ein erfolgreiches Instrument gewesen. Und entgegen aller übelmeinenden Gerüchte ist die Vielzahl dieser Existenzgründungen tatsächlich erfolgreich gewesen und hat dazu geführt, dass nicht nur diese eine Person selbstständig war, eigenes Einkommen erzielt hat, sondern tatsächlich auch zusätzliche Arbeitsplätze dann gefördert werden müssen. Das muss der Schritt sein hier in unserem Land, damit wir mehr und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Schulte.

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften des Bundes in Landesrecht sowie zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften, zur Änderung des Landesrichtergesetzes, des Landesdisziplinargesetzes

und des Spielbankgesetzes des Landes MecklenburgVorpommern, Drucksache 5/4217.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften des Bundes in Landesrecht sowie zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften, zur Änderung des Landesrichtergesetzes, des Landesdisziplinargesetzes und des Spielbankgesetzes des Landes MecklenburgVorpommern (BesVersÜberlÄndG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/4217 –

Das Wort zur Einbringung hat die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Polzin.

Vielen Dank.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die umfangreiche Überschrift des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes weist darauf hin, dass es sich hier um Regelungsinhalte handelt, die nach Auffassung der Landesregierung möglichst noch in dieser Legislatur beschlossen werden. Die eigentlich hier zur Debatte stehenden besoldungs- und versorgungsrechtlichen Regelungen haben daher, wie Fachleute gerne sagen, einiges an Zufracht erhalten. Mit anderen Worten könnte man auch sagen, hier sind noch einige lose Fäden, die wir gerne bis zum Abschluss der Legislatur auch auf unser Knäuel bringen würden, um einen geordneten Übergang zu realisieren.

(Heinz Müller, SPD: Hoffentlich wird es kein gordischer Knoten.)