Protocol of the Session on February 1, 2007

… wie Bayern schon seit Jahren tapfer an seinen entsprechenden Regelungen fest.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Warum eigentlich? Weil es hinderlich ist? Ist es hinderlich? – Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS, und Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Das müssen Sie den bayerischen Wirtschaftsminister fragen. Da müssen Sie ihn wirklich einmal nach Mecklenburg-Vorpommern holen. Frau Borchardt, ich bin nicht in der Lage, für die CSU-Regierung in München zu sprechen. Das dürfen Sie nicht von mir verlangen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Nun sind in einem wesentlichen Bereich der öffentlichen …

Frau Borchardt!

Nun sind in einem wesentlichen Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, nämlich der des Baugewerbes – der Wirtschaftsminister hat eben schon darauf hingewiesen –, die tarifvertraglich vereinbarten Mindestlöhne ohnehin aufgrund der betreffenden Allgemeinverbindlichkeitserklärung für alle Beteiligten rechtlich verbindlich. Daraus kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen:

Erstens. Soweit es die tarifl ichen Mindestlöhne im Bereich des Baugewerbes und damit eines der Hauptauftragsgebiete der öffentlichen Hand betrifft, meine Damen und Herren von der Fraktion der Linkspartei.PDS, hinkt Ihr Antrag den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten einfach meilenweit hinterher.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja, ja, gucken Sie sich mal die Praxis an!)

Dazu kommen wir doch jetzt.

Zweitens. Die Bauwirtschaft hat sicherlich in den vergangenen Jahren mit erheblichen Problemen insbesondere auch in diesem Land zu kämpfen gehabt. Der Umstand, dass über das Arbeitnehmerentsendegesetz Mindeststandards einbezogen wurden, war jedoch offenkundig nicht der Grund für die Probleme, sondern der Umstand, dass zuvor künstlich ein Bauboom und damit verbunden Überkapazitäten in den Unternehmen geschaffen wurden. Gerade die Erfahrungen – deswegen sollten Sie sich nicht so früh aufregen –, die in den vergangenen Jahren in der Bauwirtschaft gesammelt werden konnten, zeigen doch auf die Schwachpunkte der derzeitig bestehenden gesetzlichen Regelungen. Jedes Gesetz, und das gilt dann auch für ein solches Gesetz, ist letztendlich nur so gut wie die Bereitschaft der Beteiligten, sich freiwillig oder gezwungenermaßen an das Gesetz zu halten.

Hier, meine Damen und Herren, wird deutlich, warum ich mir erlaubt habe, zunächst auf die Frage einzugehen, ob ein entsprechendes Gesetz Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, bevor ich auf die Frage eingehen wollte, inwieweit eine Tariftreueregelung, wie etwa das Berliner Vergabegesetz sie enthält, geeignet ist, um Niedriglöhne und Lohndumping zu verhindern. Egal welche positiven oder negativen Auswirkungen man einer solchen landes- oder bundesgesetzlichen Regelung unterstellen wird, entscheidend ist immer die Frage der Umsetzung und der Kontrolle. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, noch einmal auf die Erfahrungen mit dem nordrheinwestfälischen Tariftreuegesetz zurückzugreifen. Dazu hat sich der Geschäftsführer des IG Baubezirks Ostwestfalen-Lippe im November 2005 in der NRW-Ausgabe der TAZ wie folgt geäußert: „Papier ist eben geduldig“, und weiter: „Die Kommunen legen ihre Klärung zu den Akten und auf den Baustellen wird gnadenlos ausgebeutet.“

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist doch die: Sind gesetzliche Regelungen, nur weil sie offenkundig nicht ausreichend kontrolliert werden, untauglich oder werden die Regelungen deswegen nicht ausreichend kontrolliert, weil sie bereits von Beginn an nicht umsetzbar und deshalb untauglich sind?

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet daher: Wenn wir, egal ob auf Bundes- oder Landesebene, ein Gesetz machen wollen, das den Beschäftigten, insbesondere aber nicht nur in den Bereichen der öffentlichen Auftragsvergabe, zumindest ein existenzsicherndes Einkommen gewährleistet, wie können wir sicherstellen, dass dieses Gesetz nicht nur ein Papiertiger ist, sondern tatsächlich

auch geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen? Gerade vor den Erfahrungen in den anderen Bundesländern müssen wir doch sagen, dass der Punkt der Umsetzbarkeit ein entscheidendes Kriterium ist, eine Umsetzbarkeit, die die Beschäftigten absichert, die die Unternehmen nicht mit übermäßigem bürokratischen Aufwand belastet und am Ende die öffentliche Hand in die Lage versetzt, effektiv zu kontrollieren, und damit die Unternehmen, die ihrer Verantwortung nachkommen, nicht einem ruinösen Wettbewerb aussetzen.

Diesen Zielen, da bin ich ganz ehrlich, genügt dieser Antrag nicht. Aber, meine Damen und Herren von der Fraktion der PDS, weil wir dieselbe Intention verfolgen, und zwar beide Koalitionspartner, nicht allein die SPD, haben wir nicht die Absicht, am heutigen Tag Ihren Antrag abzulehnen, obwohl das schon, ich habe das eben dargelegt, aus formalen Gründen nicht das Gelbe vom Ei ist. Wir beantragen vonseiten der SPD-Fraktion, den Antrag in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen, dort die Erfahrungen zu übernehmen, die in anderen Bundesländern gesammelt worden sind, um tatsächlich die ganze Angelegenheit mit den Stimmen dieses Hauses einer Lösung zuführen zu können, die letztendlich im Interesse der Unternehmen und der Beschäftigten in diesem Lande ist. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Vielen Dank, Herr Schulte.)

Danke schön, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der Fraktion der FDP, der Abgeordnete Herr Roolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Professor Methling, Kompliment, Ihnen ist das gelungen, was in dem Antrag eigentlich nicht steht. Ihnen ist es gelungen, hier eine umfangreiche Debatte über Mindestlöhne in Gang zu setzen,

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Das war die Absicht.)

wobei wir bei dieser Debatte vielleicht erst einmal defi nieren sollten, welchen Mindestlohn Sie zu welcher Tageszeit meinen. Sie reden über staatliche Mindestlöhne, über gesetzliche Mindestlöhne, über tarifl iche Mindestlöhne.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ich bin schon einmal belehrt worden von Herrn Schulte, Herr Roolf.)

Irgendwann sollten wir einmal eine gemeinsame Defi nition …

… von Mindestlöhnen bekommen.

Der hier vorliegende Antrag, Herr Minister Seidel, da bin ich Ihnen sehr dankbar, ist in seiner Grundstruktur, was Tariftreue und auch die Erklärung, was das Tariftreuegesetz anbelangt, hinreichend von Ihnen dargelegt worden. Aber wie Herr Professor Methling eben schon charmant zugegeben hat, war das gar nicht wirklich der Ansatz, sondern der Ansatz ist, über Mindestlöhne zu diskutieren und über auskömmliche Löhne für die Menschen in diesem Land. Dieser Diskussion wollen wir uns gerne stellen und die wollen wir auch aufgreifen. Wir sagen eines ganz

deutlich vorweg: Es muss in Mecklenburg-Vorpommern und auch in der Bundesrepublik Deutschland möglich sein, nein, es muss die Regel sein, dass die Menschen in Vollzeitbeschäftigung von ihrer eigenen Hände Arbeit leben können und nicht auf Almosen des Staates angewiesen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, Linkspartei.PDS, FDP und Ute Schildt, SPD)

Da sind wir im Grundkonsens, denke ich, alle beieinander und da gibt es im Grundkonsens überhaupt keine Unterschiede. Die Frage ist einfach nur: Wie kommen wir dahin und wie kriegen wir das am besten geregelt? Ihre Betrachtung und Ihre Art der Formulierung hat mich in den ersten Bereichen Ihrer Ausführungen doch sehr bedrückt, das muss ich ganz ehrlich sagen, weil Sie ein Bild zeichnen, was nicht zeitgerecht ist und was auch nicht angemessen ist.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Was meinen Sie jetzt?)

Da sollten wir einfach in einen Bereich hineinkommen, wo wir real mit der Gesamtsituation umgehen. Der Mindestlohn ist nur ein Teil oder der Lohn überhaupt ist nur ein Teil des Problems dabei.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Was meinen Sie jetzt?)

Wenn Sie sich in unternehmerisches Handeln hineindenken würden, dann ist die Lohnzahlung eine Komponente. Die zweite Komponente, die in diesem gesamten Bereich zu betrachten ist, sind die sogenannten Lohnnebenkosten und die Bürokratiekosten, die den Lohn ausdrücklich noch mehr belasten.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Die sind doch aber Bestandteil des Lohnes.)

Das heißt, was mir auf der einen Seite aus Bürokratie, aus Staatskosten, aus sonstigen Kosten vom Staat weggenommen wird für Verwaltung, kann ich nicht zur gleichen Zeit als Mehrlohn meinen Mitarbeitern geben. Also haben wir darauf zu achten, dass diese Kosten möglichst gering sind, um möglichst viel vom Potenzial der Erwirtschaftung in einem Unternehmen an unsere Mitarbeiter weiterzugeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und FDP)

Wenn wir da Konsens haben, dann haben wir auch hier eine Aufgabe vor uns – und da bin ich bei Hans Kreher zum Thema Bildung: Wir sollten sehen, dass wir unnötige Bürokratiebelastung, unnötige Kosten, die den Menschen im Augenblick weggenommen werden vom Gehalt, aus diesem Prozess herausbekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und FDP)

Und wir sind bei einem weiteren Problem bei diesem Thema. Da geht es um die Rahmenbedingungen. Wenn sie zu Mindestlöhnen kommen, die nicht greifbar sind, ob es jetzt tarifl iche, staatliche oder gesetzliche sind, dann wird es sehr wohl zum Verlust von Arbeitsplätzen kommen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ja, Sie behaupten auch immer das Gleiche.)

Ich will Ihnen auch erklären, warum es zum Verlust kommt.

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Es kommt zum Verlust, weil Sie dann zwei konkurrierende Wettbewerbe im Arbeitsmarkt haben. Sie haben auf der einen Seite den boomenden Bereich der Zeitarbeitsfi rmen und Sie haben auf der anderen Seite den Bereich der dauerhaften Arbeitsverhältnisse in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Ich gehe davon aus, dass wir über dauerhafte Beschäftigung von Arbeitnehmern in kleinen, mittelständischen und überhaupt in Unternehmen in diesem Land sprechen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ja.)

Es muss Ziel sein, dass wir hier mehr dauerhafte Beschäftigung bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und Marc Reinhardt, CDU)

Wenn wir aber diese beiden Systeme im Wettbewerb um die Arbeitsplätze sehen, dann ist das kein Wettbewerb mit Chancengleichheit. Wie wollen Sie einen Unternehmer dazu motivieren, dauerhafte Beschäftigung in seinem Unternehmen zu schaffen, wenn er auf der anderen Seite die Möglichkeit hat, den komfortablen Zugriff auf Zeitarbeitsfi rmen zu machen, sich nur an den Tagen jemanden zu holen, an denen er sie auch wirklich braucht, und keine ganzzeitliche Beschäftigung mehr zu ermöglichen?

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ja, die müssen eben auch ordentlich bezahlt werden.)