Protocol of the Session on March 16, 2011

Und jetzt sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von der demokratischen Opposition, jetzt sind Sie am Zug. Geben Sie dem Etatrecht, dem Königsrecht des Parlaments, das ist klar, aber geben Sie dem einen verantwortungsvollen, einen verlässlichen, einen zukunftssichernden Rahmen. Das ist dann die Stunde des Parlaments in der Tat. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Danke, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun haben wir ihn also auf der Tagesordnung, den Antrag, mit dem die Koalitionsfraktionen begehren, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung unseres Landes aufzunehmen. Als der Bundestag und der Bundesrat mehrheitlich die Implementierung der Schuldenbremse in das Grundgesetz beschlossen haben, sprach sich der Ministerpräsident dieses Landes im Bundesrat klar dagegen aus.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig. – Michael Roolf, FDP: Genau. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Er handele, so ließ er uns wissen, im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Aber in wessen Interesse handeln die Koalitionsfraktionen heute, nicht einmal zwei Jahre später, frage ich mich. Was hat sich verändert seit dem Jahr 2009? Die Fragen stehen und wir hätten gern eine überzeugendere Antwort darauf.

Sei es, wie es sei, kurz nach dem Beschluss des Bundesrates beschlossen die finanz- und rechtspolitischen Sprecher/-innen der demokratischen Fraktionen dieses Landtages, sich in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe darüber zu verständigen, wie wir mit der vom Bundestag und Bundesrat geschaffenen Situation hier in Mecklenburg-Vorpommern umgehen wollen. Ich kann mich an interessante Gesprächsrunden mit Ihnen erinnern, meine Herren aus den Koalitionsfraktionen, die daran beteiligt waren,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.)

Gesprächsrunden, bei denen wir uns einig waren, wie wir mit der Problematik der Schuldenbremse in unserem Land umgehen wollen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: So weit zum Etatrecht des Landtages.)

Wir brauchen sie nicht, war der Grundtenor. Mecklenburg-Vorpommern spart erfolgreich, sei es unter Rot-Rot oder in der jetzigen Koalition. Der Bund greift mit seiner Schuldenbremse in das Budgetrecht der Länder ein. Das können wir doch so nicht hinnehmen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Hört, hört!)

So lautete eine zweite, empörte, aber dennoch felsenfeste Überzeugung.

(Michael Roolf, FDP: Eines Sozialdemokraten.)

Das Handeln des Bundestages, ja, der eigenen Parteikollegen auf der Bundes- und Ministerpräsidentenebene sei nicht akzeptabel. Dagegen könne man, ach was, dagegen müsse man doch klagen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Meine Fraktion und ich teilen dieses Unverständnis, greift die Schuldenbremse doch ziemlich tief in die parlamentarische Zuständigkeit der Länder ein. Ich, meine Damen und Herren aus der CDU-Fraktion, ziehe den Hut vor Ihrem Parteikollegen Martin Kayenburg aus Schleswig-Holstein, der nicht nur rumgemosert hat, sondern die Klage des Landtages Schleswig-Holstein gegen den Willen, gegen den Willen der eigenen Landesregierung auf den Weg gebracht hat. Er hat im Gegensatz zu Ihnen gezeigt, dass sein parlamentarisches Rückgrat in Ordnung ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Hier aber, meine Damen und Herren, beginnt heute dasselbe Verfahren wie auf der Bundesebene. Die Schuldenbremse soll in die Verfassung implementiert werden, um die Ausgaben des Landes zu begrenzen. Das bedeutet ganz klar auf Deutsch, das Land wird sich aus der Finanzierung bestimmter Aufgaben zurückziehen. Und in erster Linie bedeutet das weniger Geld für die Kommunen, weniger Geld für Bildung, weniger Geld für die Ausgestaltung von sozialen Leistungsgesetzen.

(Heinz Müller, SPD: Ach, Frau Schwebs!)

Und alles das wird auf den Weg gebracht, Herr Müller, ohne mit den Betroffenen, also zum Beispiel den Kommunen, über die Folgen zu diskutieren.

(Heinz Müller, SPD: Sie wissen es doch besser. Sie wissen es doch besser, Frau Schwebs.)

Genau wie auf der Bundesebene,

(Egbert Liskow, CDU: Sie will es doch nicht besser wissen.)

wo die eigentlich Betroffenen, die Länderparlamente, ausgebremst wurden, so bremst diese Koalition hier im Land die Kommunen aus. Wie sich doch die Verfahren gleichen! Was ist denn mit dem Brief des Städte- und Gemeindetages?

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich komme noch dazu, Herr Liskow.

Die dritte gemeinsame Überzeugung der Koalitionäre in der Arbeitsgruppe war die Suche nach einer maßvollen und langsamen Umsetzung der Schuldenbremse in die Landesverfassung. Denn immerhin ist das Ergebnis der Klage des Landtages Schleswig-Holstein noch offen. Wir haben bis zur nächsten Legislatur Zeit, eine für das Land akzeptable Formulierung in der Umsetzung der Schulden bremse zu finden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: So was haben die gesagt? Ich bin ja erschüttert!)

Wir lassen uns nicht von Sachzwängen treiben, so war die dritte gemeinsame Überzeugung der Herren Koalitionäre in Mecklenburg-Vorpommern,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das haben sie alles vergessen. Alles haben sie vergessen. – Michael Roolf, FDP: Unglaublich!)

denn die Schuldenregelung soll ja erst ab 2020 für die Länder gelten. Aber was schert mich mein Geschwätz von gestern, so dachte und handelte bereits Adenauer, denn in Sachen Schuldenbremse sind die Koalitionäre einschließlich des Ministerpräsidenten würdige Nachfolger des damaligen Bundeskanzlers.

So liegt uns nun der Gesetzentwurf,

(Marc Reinhardt, CDU: Die CDU war schon immer für Schuldenbremse, Frau Schwebs. Keine falsche Darstellung!)

so liegt uns nun der Gesetzentwurf vor, mit dem die Schuldenbremse auch in der Landesverfassung festgeschrieben werden soll, noch in dieser Legislatur, also in wenigen Wochen, meine Damen und Herren. Woher die Eile, frage ich mich, wenn der entsprechende Paragraf in der Landesverfassung doch erst ab 2020 gelten soll, den wir jetzt verankern wollen.

Auch die kommunalen Verbände finden keine Antwort auf diese Frage, nicht der DGB, nicht die GEW und auch nicht die vielen ehrenamt- und hauptamtlichen Bürgermeister in Mecklenburg-Vorpommern. Auch nicht nachvollziehbar ist diese Eile offensichtlich den Jusos in Mecklenburg-Vorpommern und dem Landesparteitag der SPD, der am vergangenen Wochenende tagte und dem SPD-Landesvorstand – mit dem Landesvorsitzenden Erwin Sellering an der Spitze – und der Landtagsfraktion den Hinweis auf den Weg gab, in dieser Sache mit Ruhe und Sachverstand zu handeln

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Echt? Ist ja ein Ding!)

und eine derartige Verfassungsänderung auch aus ordnungspolitischen Gründen nicht zu überstürzen.

(Michael Roolf, FDP: Oha!)

So richtig ernst genommen werden die jungen Genossen in der SPD aber wohl nicht, denn dieser Koppheistersprung mit der Schuldenbremse in die Verfassung

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

geht so kurz vor dem Ende der Legislatur nur, weil die Landesregierung auf das zeitaufwendige Diskutieren und Abwägen in der Öffentlichkeit und insbesondere mit den kommunalen Verbänden verzichtet hat. Dafür holen die Mitglieder der Koalitionsfraktionen für die Landesregierung die Kohlen aus dem Feuer. Das ist ein wirklich beispielhaftes Demokratieverständnis, welches hier praktiziert wird – und nicht mit irgendeinem Gesetz, meine Damen und Herren, sondern mit unserer Landesverfassung.

(Marc Reinhardt, CDU: Also dürfen Fraktionen keine Verfassungsänderung auf den Weg bringen, oder was? – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Bedenken hinsichtlich dieser Vorgehensweise hat ganz offensichtlich auch der Städte- und Gemeindetag unseres Landes, der als Interessenvertreter der fast 800 Städte und Gemeinden in einem Brief an die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen darum bittet, in die Debatten um die geplante Verfassungsänderung einbezogen zu werden, der anmahnt, dass die geplante Festschreibung der Schuldenbremse allein in der jetzt vorliegenden Fassung in die Landesverfassung zulasten der Kommunen gehen wird, es sei denn, so fordert er, es werden gleichzeitig die erforderlichen Mittel für die Durchführung gesetzlicher Aufgaben unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes garantiert oder das Land verzichtet auf die Erfüllung übertragener Aufgaben.

Dass die Befürchtungen der Kommunen nicht so falsch sind, zeigt sich dann auch in der Begründung des Gesetzentwurfes durch die Koalitionsfraktionen. Denn dort steht, so als seien die Kommunen nur lästige Kostgänger des Landes, und ich zitiere: „Die Schuldenregel gilt nur für den Landeshaushalt, spezifische finanzielle Auswirkungen für die Kommunen ergeben sich daraus nicht.“ Zitatende.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so? Das ist ja ein Ding!)

Das ist so aberwitzig, meine Damen und Herren, dass ich das – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident – mit einem schon etwas älteren Witz illustrieren möchte. Es geht nämlich ein junger Mann mit seiner Braut zum Standesamt und sagt ihr auf dem Weg dorthin: „Du, also ich muss dir jetzt ein Geständnis machen. Ich verdiene nur 800 Euro im Monat. Wirst du damit auskommen?“ Antwortet die Braut nach langem Überlegen: „Zur Not schon, doch wovon willst du leben?“ Und der Kern dieses Witzes, meine Damen und Herren, den sollten wir uns mal auf der Zunge zergehen lassen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Den haben sie nicht verstanden.)

Wir hier im Parlament, wir können eben nicht so reagieren wie die Braut und so tun, als hätten wir im Land keine Verantwortung auch für unsere Kommunen. Selbst der Landrat Christiansen (SPD) forderte jüngst im Namen der

Landräte und Landrätinnen des Landes, die Schuldenbremse nur zu akzeptieren, wenn sie kommunalfreundlich sei. Dass diese Befürchtungen nicht mit öffentlichen Versprechungen auszuräumen sind, weil sie eben nicht nur Befürchtungen sind, sondern ganz schnell Realität werden können, zeigen die Debatten in unserem Nachbarland Schleswig-Holstein.