Protocol of the Session on October 14, 2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Mantei, so ist das eben, wenn man seine Rede mit den Worten, ich möchte etwas Ruhe in die emotionale Debatte einbringen, einleitet,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Allerdings.)

dann eine emotionale und teilweise beleidigende Rede hier hält, die aus Ihrer Sicht zu Recht beleidigend war. So muss ich das werten. Dann muss man sich aber nicht wundern, dass man eine entsprechende Reaktion bekommt.

Wir haben hier als Fraktion DIE LINKE nicht erwartet, dass wir eine Zustimmung zu diesem Antrag erhalten durch die Koalition und durch die FDP. Davon sind wir gar nicht ausgegangen. Wir wollen aber keinen Keil hier zwischentreiben.

(Matthias Mantei, CDU: Nein?)

Herr Mantei, das brauchen wir gar nicht, das tun Sie selbst.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Der ist schon lange da.)

Der ist schon da.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Irene Müller, DIE LINKE: Hilfe!)

Aber darum geht es auch gar nicht. Wissen Sie, worüber ich dankbar bin? Ich bin dankbar, dass Herr Heydorn sich eindeutig für die SPD-Fraktion zu der Neuberechnung der Regelsätze hier bekannt hat. Ich habe ihn ausdrücklich unterstützt. Danke, Herr Heydorn.

Ich bin auch dankbar, dass Herr Schnur von der FDP sich eindeutig hier bekannt hat und, das muss ich Ihnen sagen, eine perfide Rede gehalten hat.

(Udo Pastörs, NPD: Absolut, absolut.)

Jetzt fehlt bloß noch der Zaun zwischen den gesellschaftlichen Gruppen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist es, absolut.)

Jawohl, der Zaun fehlt noch. Das wäre der richtige Schritt in Ihrer Rede gewesen.

(Zurufe von Toralf Schnur, FDP, und Udo Pastörs, NPD)

Dass die CDU so redet, wie Herr Mantei das hier versucht hat, war nicht anders zu erwarten.

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Matthias Mantei, CDU)

Und es geht mir hier jetzt nur um diese Berechnung der neuen Regelsätze und nicht um eine Grundsatzdebatte um Hartz IV, denn die haben wir schon geführt.

(Michael Roolf, FDP: Ach ja?!)

Ja, das hat Herr Mantei schon gemacht. Deswegen will ich das aufgreifen.

Ich darf hier erinnern an das Jahr 2004 und das beginnende Jahr 2005, als Hartz IV eingeführt wurde, damals auch politischer Streit über Sinn und Unsinn von Hartz IV. Aber alle, zumindest die rot-rote Koalition, haben damals gesagt, wenn dieses Bundesgesetz jetzt umgesetzt wird, dann müssen wir einen Beitrag leisten, dass zum 01.01.2005 diejenigen, die die Leistungen in Anspruch nehmen wollen, auch diese Leistungen bekommen können. Darauf hat das Wirken der rot-roten Regierung auch abgestellt. Das hat nichts mit einem Bekenntnis zu Hartz IV zu tun. Da verwechseln Sie mal bitte nicht die Dinge. Wir haben sehr wohl auch damals Hartz IV immer wieder kritisiert. Das war meine Rolle.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ja, selbstverständlich, dazu bekenne ich mich auch. Darum geht’s doch gar nicht.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, deswegen ist das mit der Rolle schon richtig, was es heißt, vom 17.12. bis zum 01.01.2005 ein Gesetz umzusetzen. Und unsere Sorge ist doch, dass das, was Sie hier alle vom 9. Februar zitiert haben, mit den langwierigen Berechnungen jetzt wieder in ein Chaos führt und zum 01.01.2011 das, was den Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfängern zustehen muss, möglicherweise in Gefahr ist. Das erst mal dazu, was die Technik betrifft.

(Zuruf von Matthias Mantei, CDU)

Das Zweite ist, und das hat Herr Schnur und das haben Sie, Herr Mantei, auch angeführt: Was macht eigentlich die Lebensqualität einer Hartz-IV-Empfängerin und eines Hartz-IV-Empfängers aus? Wir haben die Zigaretten angesprochen. Gehört der Wein oder das Bierchen dazu?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Aber man kann eines nicht machen, und da sind Sie als Liberaler wohl dem Freiheitsgedanken zugeneigt: Ich und wir als LINKE wollen natürlich, dass die Hartz-IVEmpfängerinnen und die Hartz-IV-Empfänger ein selbstbestimmtes Leben führen können. Sie sollen selbst entscheiden. Und wenn ich natürlich den Topf so berechne und hernehme und sage, es können nur 5 Euro rauskommen, dann muss ich natürlich was rausrechnen aus dem Bedarf, um zu der Größenordnung zu kommen. Das, was Sie mit der Berechnung gemacht haben, ist eine Diskriminierung, eine Abstempelung der Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger. Sie sagen nämlich, die trinken zu viel, die rauchen zu viel, deswegen rechnen wir das Geld raus. Und das geht nicht, das kann man einfach nicht zulassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Matthias Mantei, CDU: Nein, das stimmt nicht. Das stimmt nicht. – Toralf Schnur, FDP: Das sind Unterstellungen.)

Sie werden es erleben, Sie haben ja Widerstand in Ihren eigenen Reihen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Ja, doch. Reden Sie mal mit dem CDA, Ihrem Arbeitnehmerverband. Reden Sie mal mit der katholischen Kirche und reden Sie mal mit der evangelischen Kirche, die diese Regelsätze ablehnen.

(Rudolf Borchert, SPD: Heftig, heftig.)

Deswegen ist es nicht so, dass die CDU hier in der Öffentlichkeit einheitlich und geschlossen auftritt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Nein, nein, da gibt es auch unter den christlich-demokratischen Organisationen und den Kirchen eine klare Ablehnung.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Und eines kann ich Ihnen voraussagen, und zwar, dass die nächsten Verfassungsklagen auf der Tagesordnung stehen. Und Frau Schwesig hat vollkommen recht, wenn sie in der Öffentlichkeit immer wieder einfordert: Packen Sie, die Bundesregierung in dem Fall, die Berechnung auf den Tisch! All das, was Sie beide hier erzählt haben, Herr Schnur und Herr Mantei, liegt nicht auf dem Tisch.

(Regine Lück, DIE LINKE: Wo ist da die Transparenz?)

Es ist nicht nachvollziehbar, wie die 5 Euro mehr berechnet wurden.

(Regine Lück, DIE LINKE: Genau.)

Neben der Intransparenz sind wir der Auffassung, und das haben wir immer wieder gesagt, dass die 5 Euro

nicht ausreichen. Wir haben im Zuge der ganzen Debatte von 500 Euro Regelsatz gesprochen. Das muss man einfach mal nachlesen. Herr Mantei, wer lesen kann, hat einen Vorteil. Sie dürfen nicht nur die CDU-Papiere lesen, sondern sollten auch mal das lesen, was die anderen Parteien dazu sagen, was übrigens auch die Konzepte betrifft. Scheuklappen sollte man im Parlament als Erstes ablegen.

Zweitens. Das mit den Referenzgruppen, Herr Heydorn hat es hier anschaulich dargelegt mit den 20 und 15 Prozent, das kann ich mir jetzt sparen. Aber es geht natürlich nicht – und das ist einfache Mathematik –, Faktoren so zu verändern, dass am Ende das Produkt wieder stimmt. Genau das haben Sie gemacht, indem Sie die Referenzgruppe verändert haben, was also die Zusammensetzung betrifft.

Wenn es um den Bedarf geht, dann will ich Ihnen einige Beispiele nennen: Ein Auto darf ein Langzeitarbeitsloser haben, aber der nötige Sprit, um mit dem Auto zu fahren, gehört nach der Berechnung nicht zum Bedarf. Es wird ihnen Fahrradfahren empfohlen. Das ist ja auch gesund.

(Michael Roolf, FDP: Woher wissen Sie denn das?)

Oder er soll mit dem ÖPNV, also mit dem Nahverkehr fahren. Aber nennen Sie mir eine Stadt, wo das funktioniert. Was ist in Ostvorpommern? Kann ich in Ostvorpommern für 22,78 Euro eine Monatskarte kaufen? Das geht gar nicht.