Protocol of the Session on September 15, 2010

Noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Schluss: Ohne wirtschaftliche Betätigung der Kommunen hätten wir keinen öffentlichen Personennahverkehr mit bezahlbaren Fahrpreisen für den Bürger.

(Michael Roolf, FDP: Falsch, falsch, falsch!)

Ohne wirtschaftliche Betätigung der Kommunen hätten wir Strompreise, die ausschließlich vom Kartell der vier großen Energiekonzerne bestimmt würden.

(Michael Roolf, FDP: Auch falsch.)

Ohne wirtschaftliche Betätigung der Kommunen hätten wir vermutlich höhere Gaspreise, weil kaum noch Wettbewerb entsteht, und ohne die Betätigung der Kommunen würden wir auch bei den Gebühren für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung andere Konzessionen haben, als sie zum heutigen Zeitpunkt der Fall sind. Insofern tätigen die Kommunen auch Daseinsvorsorge und das soll man berücksichtigen. Wir sollten vor allen Dingen eins nicht tun, Herr Roolf, die Wirtschaft gegen die Kommunen ausspielen oder die Kommunen gegen die Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Hier sind alle gefragt und alle beteiligt.

Und deswegen wünsche ich mir, dass wir zu diesem durchaus kontroversen und sensiblen Thema vernünftige Gesetzesberatungen auf der Grundlage vernünftiger Fachanhörungen im Vorfeld durchführen und dann einen Beschluss fassen, der ein Gesetz zur Grundlage bildet oder die Fortschreibung, mit der sowohl die Kommunen als auch die Wirtschaft leben können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Heinz Müller. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Gesetzentwurf zur Novelle der Kommunalverfassung ist uns hier von der FDP-Fraktion auf den Tisch gelegt worden. Gestatten Sie mir, bevor ich zum Inhalt dieses Gesetzentwurfes komme, zunächst zwei Vorbemerkungen.

Erste Vorbemerkung: Bei dieser Überschrift, bei diesem Thema hätte ich eigentlich erwartet, dass der kommunalpolitische Sprecher der FDP-Fraktion hier vorträgt

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist Chefsache.)

oder, da in der Begründung auch auf die Arbeit in der Enquetekommission Bezug genommen worden ist, derjenige, der die FDP-Fraktion in der Enquetekommission vertritt. Aber nein,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Der musste ja auch erst fragen.)

diese beiden Kollegen haben offenbar hier nicht das Sagen. Hier geht es auch gar nicht um ein Thema,

(Udo Pastörs, NPD: Hier hat gar keiner das Sagen mehr.)

das den Kommunen einen Dienst erweisen soll und ihre Arbeit verbessern und erleichtern soll, hier geht es um etwas ganz anderes, und so hat derjenige gesprochen, der in seiner Fraktion nicht nur den Vorsitz innehat, sondern vor allen Dingen auch für die Wirtschaftspolitik steht. Und Sie haben meine Einschätzung bestätigt, Herr Roolf. Als der Innenminister hier ans Rednerpult gegangen ist, haben Sie gerufen, dass das eigentlich der Wirtschaftsminister tun müsste.

(Michael Roolf, FDP: Genau. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ja, darum geht es Ihnen. Es geht Ihnen nicht um Kommunalpolitik, sondern es geht Ihnen darum, der Wirtschaft einen als lästig empfundenen Konkurrenten vom Hals zu schaffen, und das haben Sie hier sehr deutlich gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Zweite Vorbemerkung: Bei all denen, die sich mit Kommunalpolitik befassen und die auf der Seite der Kommunen stehen – und ich rechne sehr viele Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses dazu –, ist, so denke ich, unstrittig, dass wirtschaftliche Betätigung, wenn sie denn von Kommunen stattfindet, nicht allein aus Gewinnerzielungsabsicht erfolgen darf, sondern dass wir so etwas wie einen öffentlichen Zweck benötigen, wenn wir es für vernünftig halten wollen, dass Kommunen sich wirtschaftlich betätigen. Aber, meine Damen und Herren, dieser Begriff des öffentlichen Zwecks ist ein sehr unscharfer, ein sehr strittiger, und er überlagert sich mit dem Begriff der Daseinsvorsorge. Und auch dieser Begriff, so leicht er uns von den Lippen geht, ist kein eindeutig mathematisch exakt definierter, und ich will darauf hinweisen, er ist auch einer, der einem historischen Wandel unterliegt.

Und meine nächste Bemerkung mag sehr spaßig und sehr scherzhaft klingen, sie hat aber einen sehr realen Hintergrund. Vor 50 Jahren, vielleicht noch vor 40 Jahren, hat es in den süddeutschen Ländern der alten Bundesrepublik niemand, nicht mal die FDP als anstößig empfunden, dass Gemeinden eigene Brauereien hatten,

(Rudolf Borchert, SPD: Das waren noch Zeiten!)

denn die Erzeugung von Bier wurde in Süddeutschland in jener Zeit absolut als Teil von Daseinsvorsorge empfunden

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das war Daseinsvorsorge. – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

und selbstverständlich haben sich die Kommunen darin betätigt und haben sich daran beteiligt.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Sie sehen an diesem Beispiel, meine Damen und Herren, auch der Begriff der Daseinsvorsorge unterliegt einem historischen Wandel und wenn wir von dieser spaßigen Reminiszenz einer kommunalen Brauerei mal weggehen und auf heutige Zeit gehen, wir können heute sehr wohl diskutieren, ob das Unterhalten von Kabelnetzen, Stichwort Stadtwerke Neubrandenburg, nicht in der heutigen Zeit ein Teil von Daseinsvorsorge ist

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

und Kommunen sich auf diesem Gebiet nicht nur betätigen dürfen, sondern vielleicht sogar betätigen sollten. Also, meine Damen und Herren, so einfach machen wir es uns nicht, Herr Roolf.

Nun zu den Inhalten. Wenn wir Ihre Inhalte dieses Gesetzentwurfes zusammenfassen, dann geht es im Grunde genommen um vier Punkte:

Erstens. Die Gemeinde darf sich nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn sie das Wirtschaftliche besser als private Dritte tun kann.

Zweitens. Sobald eine Gewinnerzielungsabsicht im Spiel ist, gibt es keinen öffentlichen Zweck mehr, was im Umkehrschluss heißt, dann darf sie sich wirtschaftlich nicht mehr betätigen.

Drittens. Die gesetzlichen Zügel werden angezogen, Genehmigungspflicht, Klagerecht für Private.

Und viertens. Die Kommune wird gezwungen, bevor sie sich wirtschaftlich betätigt, eine Marktanalyse vorzunehmen, Auswirkungen auf die örtliche private Wirtschaft zu untersuchen, und muss hierzu Stellungnahmen einholen und, und, und.

Und damit, so sagen Sie, Herr Roolf, soll ein fairer Wettbewerb erreicht werden, denn das ist Ziel Ihres Gesetzes. Das zweite Ziel Ihres Gesetzes ist es, die Gemeinden von alldem abzuhalten, was Gewinnorientierung bedeutet. Das scheint Teufelszeug zu sein, wenn eine Kommune gewinnorientiert arbeitet. Ich sage Ihnen offen, ich sehe das ganz anders.

Aber lassen Sie uns die Punkte einen nach dem anderen vornehmen. Zunächst das Thema Marktanalyse, Auswirkungen auf örtlichen Handel, örtliches Gewerbe, Einholung von Stellungnahmen und so weiter und so weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP ist sonst die Partei, die sehr gern das Wort der Deregulierung im Munde führt und uns gern von überflüssigen Vorschriften befreien will und, und, und. Das wollen wir übrigens auch, aber hier an dieser Stelle bauen Sie einen demokratischen Popanz auf,

(Gino Leonhard, FDP: Ich bitte Sie, ich bitte Sie!)

der ganz offenbar nur einen Zweck hat, nämlich eine Entscheidung über wirtschaftliche Betätigung von Kommunen erstens um Jahre zu verzögern und zweitens rechtsunsicher zu machen.

(Gino Leonhard, FDP: Ganz klares Ziel, ganz klares Ziel.)

Dies, meine Damen und Herren, wollen wir nicht.

Zweiter Punkt. Sie sagen, die Gemeinde – übrigens gilt das immer auch für Kreise, klar – darf sich nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn sie das besser und wirtschaftlicher kann als private Dritte. In der derzeitigen Fassung der Kommunalverfassung heißt es sinngemäß: Sie darf sich wirtschaftlich betätigen, wenn sie es genauso gut kann wie private Dritte. Das Ziel, das Sie verfolgen, ist also klar. Das ist erkennbar. Sie wollen wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden erschweren, indem sie die Hürde höher hängen, und zwar ganz unabhängig von inhaltlichen Fragen.

(Gino Leonhard, FDP: Ganz genauso ist es. Ganz genauso ist es.)

Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen soll generell erschwert werden und da sage ich Ihnen ganz klar, da verfolgen wir eine absolut gegenteilige Linie.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Völlig richtig. Genau so. – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Und dann ganz nebenbei, Herr Roolf: Wie soll ich das eigentlich nachweisen, dass ich, ich sage mal, die Verwaltung von Wohnungen besser und wirtschaftlicher organisieren kann als private Dritte? Diese privaten Dritten sind nach dem Gesetzestext, so, wie Sie ihn uns vorlegen, weder räumlich noch zeitlich in irgendeiner Weise eingegrenzt. Das heißt, ich formuliere jetzt sehr scharf, ich gebe das gern zu, aber wenn ich jetzt eine kommunale Wohnungsgesellschaft gründe und in fünf Jahren sagt mir jemand, du, ich habe da jemanden in Hongkong sitzen,

(Gino Leonhard, FDP: Das kann nicht wahr sein! Oh, hör auf!)

der könnte diese Wohnungen aber viel günstiger verwalten, dann kriege ich ein rechtliches Problem.