Frau Ministerin Keler! Ich habe am Montagabend die Haushaltssitzung in der Hansestadt Greifswald gehabt und mein erster Satz war, die Haushaltslage ist miserabel, im Grunde genommen sogar katastrophal. Wenn Sie jetzt so tun, als ob die Kommunen genug Geld haben,...
(Angelika Gramkow, PDS: Das hat hier keiner gemacht. – Gabriele Schulz, PDS: Das hat hier keiner gesagt.)
Ich glaube, Herr Dr. Bartels hat es ja mitgekriegt, die Einnahmen sind zum Beispiel bei der Hansestadt Greifswald um 11,5 Millionen Euro weggebrochen, davon sind alleine 4,5 Millionen Euro an Steuermindereinnahmen, 4 Millionen Mehrausgaben,...
(Angelika Gramkow, PDS: Ich kann Ihnen ähnliche Zahlen von Schwerin berichten. – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)
... 4 Millionen Euro mehr soziale Ausgaben und 2 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer. Und auch wenn die Hansestadt Greifswald alles verkaufen würde, die gesamten freiwilligen Leistungen wegstreichen würde, könnten wir dieses Defizit nicht ausgleichen. Das mal vorneweg.
Jetzt noch mal zur Investitionsquote. Ich wollte Herrn Ringstorff noch mal speziell fragen, weil es von ihm angesprochen wurde: Wenn Sie die 120 Millionen Euro aus 2002 jetzt in den Haushalt von 2003 mit reinnehmen, dann haben wir natürlich die Investitionsquote hochgesetzt. Nimmt man die raus, ist sie ungefähr gleich geblieben oder sogar um 0,1 Prozent...
(Angelika Gramkow, PDS: Das ist doch gar nicht wahr! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das stimmt doch gar nicht!)
Vielleicht jetzt zum Wesentlichen. Es ist für mich als neues Mitglied des Landesparlaments interessant zu beobachten, wie die Landesregierung und Sie, Frau Keler, versuchen, einen Haushalt – in diesem Fall den Nachtragshaushalt – durch das Parlament zu peitschen.
Vielleicht ist es aber auch nur mein Empfinden, weil ich ein neues Mitglied bin und noch nicht die Gepflogenheiten hier so kenne.
Nun gut, die CDU ist zwar Oppositionspartei, aber wir werden uns weiter in den anstehenden Beratungen energisch mit Ihrem vorgelegten Rettungsversuch beschäftigen und auseinander setzen. In diesem sind aus meiner Sicht einige Ungereimtheiten, Widersprüche und falsche Annahmen enthalten.
Wir alle wissen, dass die öffentlichen Haushalte – und davon ist nicht nur Mecklenburg-Vorpommern betroffen – auch durch die konjunkturelle Entwicklung in den letzten Jahren in allen Bundesländern hart getroffen wurden. Auf breiter Front sind Steuereinnahmen weggebrochen. In den neuen Bundesländern macht sich dieser Umstand zusätzlich durch massiven Rückgang der steuerinduzierten Einnahmen im Länderfinanzausgleich bemerkbar. Der von Ihnen vorgelegte Nachtragshaushalt ist daher eine notwendige Konsequenz. Aber warum bitte so spät, Frau Keler? Im März letzten Jahres waren die Mindereinnahmen doch absehbar, zwar nicht in diesem endgültigen Umfang, aber da hätte man doch schon reagieren müssen. Sie haben dies selber in der Begründung zum Nachtragshaushalt eingestanden – Zitat: „Als Gegenmaßnahme zu den damals teilweise absehbaren Steuermindereinnahmen ist bereits im März eine allgemeine Wiederbesetzungssperre erlassen worden.“ Und die folgende Maisteuerschätzung 2002 hätte Sie doch erst recht aufwecken und zu einem raschen Umdenken bewegen müssen. Müssen Sie denn erst das Kind in den Brunnen fallen lassen, um tätig zu werden? Sieht so für Sie eine am Gemeinwohl orientierte und vor allem eine vorausschauende Haushaltspolitik aus?
Frau Keler, Sie haben in Ihrem Vorwort zum Nachtragshaushalt die konjunkturelle Entwicklung und damit Ihre Sicht für das Wirtschaftswachstum 2003 als Grundlage für die Aufstellung dieses Nachtragshaushaltes dargelegt. Dabei gehen Sie für dieses Jahr von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von einem Prozent aus. Wir haben ja schon gehört, dass wir dies höchstwahrscheinlich nicht erreichen werden. So niedrig und damit so schlecht diese Prognose auch ist, ich glaube nicht, dass wir das in diesem Jahr erreichen werden, im gesamten Bundesgebiet und auch in Mecklenburg-Vorpommern höchstwahrscheinlich nicht.
(Angelika Gramkow, PDS: Das sind ja nun wirklich keine verträumten Prognosen. Das sind Wirtschaftsinstitute, die uns das vorgeben.)
Wir haben Ihnen schon bei der Einbringung des Doppelhaushaltes 2002/2003 – ich nicht persönlich, aber die CDU-Fraktion –, also vor eineinhalb Jahren, voraussagen können, dass Sie mit Ihrem Zahlenwerk die Erde zur Scheibe erklären und der Haushalt 2002 nicht aufgehen wird.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Ministerin Sigrid Keler: Nee. – Heiterkeit bei Minister Dr. Wolfgang Methling)
Frau Finanzministerin, wir leben in einer Welt, wo sich die öffentlichen Haushalte an der wirtschaftlichen Realität orientieren müssen und nicht, wie noch vor 13 Jahren, umgekehrt. Die Sache mit „Alice im Wunderland“, Frau Finanzministerin, ist ein Märchen, die gibt es doch so in Wirklichkeit nicht. Fazit: Kommt Zeit, kommt Nachtragshaushalt!
Viele Wirtschaftsforschungsinstitute – Sie haben ja darauf hingewiesen – sind schon im November und im Dezember letzten Jahres von einem geringen Wachstum ausgegangen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin prognostizierte aktuell 0,6 Prozent Wachstum, das Institut für Weltwirtschaft in Kiel 0,8 und das Hamburgische Weltwirtschaftsarchiv 0,7 Prozent. Die Vereinigung der Unternehmensverbände bei uns im Land prognostizierte in Mecklenburg-Vorpommern ein Wachstum von 0,5 Prozent. Und so, wie ich neuerdings hörte, soll es sogar gegen null gehen, also somit die Hälfte Ihrer Annahme. Im März werden einige Institute ihre Prognose aktualisieren und ich sage Ihnen voraus, Frau Keler, dass die Wirtschaftseinschätzungen eher noch sinken werden. Aber wir lassen uns gerne eines Besseren belehren. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Indizes zeigen könnten, die uns eine Besserung der wirtschaftlichen Lage offenbaren. Ich glaube nicht, dass es Ihnen möglich ist. Fazit: Die Wachstumsprognose von einem Prozent halten wir für nicht realistisch, somit auch nicht Ihre Einschätzung der Einnahmen aus Steuern und Länderfinanzausgleich und somit auch nicht den gesamten Nachtragshaushalt.
Wir werden auch sehen, was die nächste Maisteuerschätzung auf den Tisch legt. Da werden wir zwar nicht ähnlich hohe Einbrüche wie 2002 prophezeit bekommen, aber wir werden erneut erhebliche Steuermindereinnahmen verbuchen müssen, für die Sie wiederum wie schon letztes Jahr keine Vorsorgemaßnahmen in den Nachtragshaushalt eingestellt haben. Ihr ganzes Haushaltsjahr 2003 wird in der von Ihnen vorgestellten Konstellation nicht aufgehen und Sie werden sich wieder hinstellen und sagen, dass die ganze Dramatik nicht absehbar war. Sie werden für den anstehenden Doppelhaushalt 2004/2005 wieder die Nettokreditaufnahme außerplanmäßig erhöhen müssen. Und ich denke, Sie werden in diesem Fall wohl wieder Fehlbeträge übertragen, vor sich herschieben und erst in Zukunft kassenwirksam verbuchen. Das zum Thema Haushaltsklarheit/Haushaltswahrheit, auch wenn Ihnen die Landeshaushaltsordnung diese Möglichkeit zugesteht.
Sie haben sich sicher die Mühe gemacht – auch Frau Keler – nachzurechnen, wie die künftigen Zinslasten sich nur durch die Neuverschuldung in diesem Jahr entwickeln werden. Ich denke, viele hier im Parlament würden sich für diese Zahlen brennend interessieren. Das sind zweistellige Millionenbeträge an Mehrbelastungen nur durch dieses Jahr, die Zinslasten der Neuverschuldungen der nächsten Jahre noch nicht einmal mit eingerechnet. Allein die Mehrkosten für Zinsen durch die aktuelle Nettoneuverschuldung werden im nächsten Jahr einen Großteil Ihrer gesamten Nettosparmaßnahmen dieses Nachtragshaushaltes auffressen, nur die Mehrausgaben an Zinsen. Das ist, glaube ich, auch nachzuvollziehen.
(Angelika Gramkow, PDS: Ja, das hat doch die Ministerin gesagt. – Zurufe von Rudolf Borchert, SPD, und Dr. Gerhard Bartels, PDS)
Und generell: Wie reagiert Ihr Nachtragshaushalt auf diese Entwicklung von steigenden Ausgaben in der Zukunft? Wir sparen ein bisschen bei den sächlichen Verwaltungsausgaben. Da streichen Sie 15 Millionen Euro zusammen. Sie haben im September letzten Jahres eine Ausgabensperre bei sächlichen Verwaltungsausgaben erlassen. Ich frage mich, wie diese Landesregierung Ausgabensperren definiert. Die veranschlagten durchschnittlichen Ausgaben wären 29 Millionen Euro pro Monat gewesen. Können Sie uns einmal sinnvoll begründen, warum allein im Dezember letzten Jahres 45 Millionen Euro trotz Ausgabensperre verausgabt wurden?
Hätten Sie sich an den normalen Satz gehalten, also sogar ohne die Ausgabensperre, und hätten Sie Ihr Dezemberfieber unter Kontrolle gehalten, wären über 15 Millionen Euro an Einsparungen in nur einem Monat möglich gewesen.
(Angelika Gramkow, PDS: Und was machen wir mit den Leistungen, die nur einmal vierteljährlich abgerechnet werden, und das ist im Dezember?)
Und jetzt stellen Sie sich hin und halten Einsparungen bei den sächlichen Verwaltungskosten für das gesamte Jahr 2003 in Höhe von 15 Millionen Euro für die Erfindung des Rades und als probates Mittel für Haushaltskonsolidierung. Ich bitte Sie, das können Sie doch nicht als ehrgeizige Sparmaßnahme verkaufen. Wo spiegelt sich denn da die Ernsthaftigkeit der finanziellen Situation wider?
(Minister Dr. Till Backhaus: Dann fragen Sie mal die Handwerker, die ihre Rechnung nicht bezahlt kriegen!)
Nein, Frau Keler, allein, was Sie im Dezember 2002 an Fördermittelbescheiden im investiven Bereich herausgegeben haben, kann doch nicht als Grundlage einer soliden Finanzpolitik gelten. Da wurde im Dezemberfieber ein Drittel aller für 2003 angesetzten Ausgaben verwirklicht.
Sieht so eine durchdachte und stabilisierende Förderpolitik aus? Ich glaube nicht. Und noch eins. Wenn Sie schon Haushaltssperren erlassen, dann halten Sie sich auch bitte daran!
In diesem Zusammenhang ist auch sehr interessant, dass das dem Finanzausschuss am 31. Januar zugeleitete vorläufige Ergebnis des Haushaltsvollzuges 2002 andere Zahlen enthält, als in einer Publikation des Bundesfinanzministeriums eine Woche später, am 6. Februar, ausgewiesen. Da stellt man dann mit Erstaunen fest, dass das Bundesfinanzministerium für Mecklenburg-Vorpommern ein Finanzierungssaldo von über 1 Milliarde Euro ausweist und Sie, Frau Keler, nur eine Woche zuvor 817 Millionen Euro. Wo kommen da bitte die knapp 240 Millionen Euro Differenz her? Das müssen Sie mal erklären, vielleicht nachher.
Ebenso haben Sie die Mehrausgaben in Höhe von 83 Mill ionen Euro für Sonder- und Zusatzversorgungssysteme als Begründung für diesen Nachtragshaushalt geliefert.
Werte Frau Keler, Sie sind schon im Jahre 2001 über 20 Prozent des Ansatzes bei den sozialen Sicherungen im Einzelplan 11 hinausgeschossen. Da waren Mehrausgaben von über 30 Millionen Euro zu verbuchen. Sie haben aber zugleich den viel zu geringen Ansatz 2001 einfach nach 2002 übertragen und wieder ist konsequenterweise Ihr Ansatz nicht im letzten Jahr aufgegangen. Ich will damit sagen, dass Sie hier einen besseren Informationsaustausch mit dem Bund anstreben sollten. Es kann doch nicht sein, dass Sie ständig die Ausgaben für soziale Sicherung, insbesondere für Erstattungen an den Bund für Zusatzversorgungssysteme, permanent unterveranschlagen. Die Entwicklung war doch großteils absehbar und Sie haben in keiner Weise darauf reagiert.