Protocol of the Session on February 19, 2003

aber in schwierigen Zeiten zeigt sich dann, wer wirklich politikfähig ist. Diese rot-rote Koalition hat eine stabile, breite und verlässliche Mehrheit und das wird Ihnen sicher noch so manches Mal hier mächtig Ärger bereiten.

Herr Rehberg, zum Abschluss noch ein Wort an Sie, da helfen Ihnen die von Ihnen in Wirklichkeit mit ziemlicher Sicherheit nicht ernst gemeinten Angebote an die SPD zur Umgarnung unserer Partei und unserer Fraktion auch in Zukunft überhaupt nichts.

(Udo Timm, CDU: Pfui!)

Besten Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Schlotmann.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDUFraktion Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Vor fast genau einem Jahr hat die Finanzministerin hier an gleicher Stelle gesagt: „Der Defizitabbau für den Haushalt unseres Landes stand von Anfang an im Zentrum meines politischen Handelns.“ Frau Keler, ich konstatiere, innerhalb von zwölf Monaten haben Sie Ihr Zentrum verloren. Angesichts dieser Aussage bei einer mehr als Verdreifachung der Nettokreditaufnahme ist Ihnen nicht nur dieses Credo abhanden gekommen, sondern es muss wohl auch eine Ihrer größten politischen Enttäuschungen gewesen sein. Ich gönne Ihnen diese Enttäuschung überhaupt nicht, weil Sie das nicht persönlich auszubaden haben, sondern die Menschen in diesem Land.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Und, meine Damen und Herren, es ist richtig, Herr Ministerpräsident, Frau Finanzministerin, wenn Sie sagen: „Treibendes Motiv für den Abbau von Defizit und Nettokreditaufnahme ist vielmehr die Reduzierung der Zinslas

ten und damit die nötige Vorsorge für die Zukunft unserer Kinder.“ Frau Keler, Herr Ringstorff, Sie haben hier einen Haushalt eingebracht, einen Nachtragshaushalt,

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig, Herr Rehberg.)

bei dem Sie die Nettokreditaufnahme um 570 Millio

nen Euro anheben. Das sind 1.110.000.000 Deutsche Mark. Das heißt, weit über 1 Milliarde Deutsche Mark müssen Sie zusätzlich aufnehmen. Und Sie tun hier so, Frau Keler, den Ministerpräsidenten werden wir noch hören, als ob dies alles heute mit der Stunde null angefangen hätte, als ob dieses alles wie ein Unheil über uns gekommen wäre. Haushaltspolitik gestaltet Zukunft, das ist richtig. Mit diesem Haushalt sichern wir die Zukunft für uns und unsere Kinder.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich mir die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD angehört habe, dann spricht er davon, dass sich sozialer Sprengstoff in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt, dass es offenbar eine Bundesregierung gibt, die die Realitäten im Osten verkennt. Herr Schlotmann, nur damit Sie das nicht vergessen, diese Bundesregierung ist seit 1998 im Amt und nicht erst seit gestern, schon seit vorgestern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Aber seit 1990 ist die Situation hier anders. – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Weiteres, Frau Finanzministerin: Lesen Sie sich Ihre Rede zur Einbringung des Doppelhaushaltes durch und das, was Kollege Riemann und ich Ihnen entgegnet haben! Wir haben Sie damals darauf hingewiesen, dass das Wachstum im Jahr 2002 von 1,75 Prozent illusorisch ist.

(Beifall Kerstin Fiedler, CDU)

Und auch hier noch ein Stückchen Nachhilfeunterricht: 0,1 Prozent Wachstum sind 500 Millionen Euro Einnahmen auf der Seite der öffentlichen Hand. Wenn Sie jetzt wieder von Wachstumsraten ausgehen, die weit über der Realität liegen, dann sage ich Ihnen eins voraus: Die Maisteuerschätzung für das Jahr 2003 wird Sie dramatisch einholen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Overhaus hat halbwegs zugegeben, dass vor den Wahlen im vergangenen Jahr bekannt war, dass die Defizitgrenze nicht einzuhalten ist.

Meine Damen und Herren, wenn man von vorsorgender Finanzpolitik redet, dann muss man sich mal die Linien der letzten vier Jahre anschauen. Wir haben seit 1999 einen Rückgang der Investitionen um 275 Millionen Euro. Und, Frau Keler, Sie haben zum ersten Mal konstatiert, dass man diese Zahl vervier-, verfünffachen muss, um letztendlich zu sagen, wie groß die Investitionen sind. 275 Millionen Euro, das sind weit über 1 Milliarde Euro an Investitionen insgesamt. Zur gleichen Zeit haben Sie Folgendes gemacht und deswegen, Herr Ministerpräsident, wenn Sie nachher in Ihrer Rede sagen sollten, hätten wir mit unserer soliden Finanzpolitik der letzten Jahre nicht vorgesorgt, dann würden wir heute die verfassungsgemäße Kreditobergrenze überschreiten, dann kann ich hier nur eins sagen: Sie haben nicht vorgesorgt! Sie haben im gleichen Zeitraum einen Anstieg der Personalkosten um 91 Millionen Euro zugelassen

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es. – Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Ach!)

und einen Anstieg der Verwaltungskosten um 40 Millionen Euro. Das sind die Tatsachen aus Ihren eigenen Zahlen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben Vorschläge gebracht, ich gehe nachher noch im Detail darauf ein. Wenn Sie nur mal ansatzweise unseren Vorschlägen gefolgt wären beim Rückgang, beim Abbau der sächlichen Verwaltungskosten,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Dann wäre alles gut.)

dann hätten Sie keinen Zuwachs an sächlichen Verwaltungskosten gehabt, sondern Sie hätten zumindest den gleichen Stand wie 1999 erreicht. Und übrigens, bei den 344 Millionen Euro, die Sie in den Nachtragshaushalt hineingeschrieben haben, sind die 15 Millionen Euro an sächlichen Verwaltungskosten schon runtergegangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Keler, Sie legen für diesen Nachtragshaushalt überhaupt keine Mittelfristige Finanzplanung vor.

(Angelika Gramkow, PDS: Muss sie auch nicht.)

Sie haben und hatten vor, die gesamte Absenkung oder fast die gesamte Absenkung des Abbaus der Nettoneuverschuldung zu Lasten des Streichens von Investitionen vorzunehmen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach, von was für ei- nem Haushalt sprechen Sie denn, Herr Rehberg?)

560 Millionen Euro Rückgang an Nettoneuverschuldung, Abbau von Investitionen 504 Millionen Euro – das sind die Tatsachen aus der Mittelfristigen Finanzplanung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und wenn es um kurzfristige Kosmetik geht, dieser Nachtragshaushalt ist kurzfristige Kosmetik. Hier wird doch nicht strukturell gespart, an keiner einzigen Stelle, weder beim Personal, weder bei den Verwaltungskosten. Frau Keler, ich gebe Ihnen einen guten Rat: Stellen Sie endlich Ihren Rasenmäher ab und gehen Sie über zu solider Handarbeit! Das würde dem Landeshaushalt besser bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, nicht der Haushalt alleine schafft Zukunft für ein Land, Politik insgesamt, aber gestaltende Politik. Wir müssen uns vor einem hüten, wenn Sie heute alles auf eine augenblickliche Konjunkturschwäche zurückführen, dann kann ich Ihnen nur eins sagen, es geht in Deutschland nicht um eine augenblickliche Konjunkturschwäche. Es geht um die schwerste strukturelle Krise, in der Deutschland seit dem Kriegsende steckt. Darum geht es, um nicht mehr und auch nicht weniger.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und, meine Damen und Herren, ist das nicht eine Bankrotterklärung eines Ministerpräsidenten, wenn er am 6. Februar dieses Jahres frustriert feststellt bei einer Arbeitslosigkeit von 21,7 Prozent, keiner hat einen Königsweg zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

(Regine Lück, PDS: Sie doch auch nicht.)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie uns, wenn Sie mir nachher vorwerfen werden in Ihrer Rede – es ist immer bedauerlich, dass man vor Ihnen reden muss –,

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Sie tun mir richtig Leid, Herr Rehberg.)

das soll sozialverträglich geschehen und nicht durch Kündigung, wie die CDU das kürzlich vorgeschlagen hat, die Menschen einfach auf die Straße zu setzen, meine Damen und Herren von der CDU, das ist keine Lösung – Herr Ministerpräsident, diese Worte hätte ich einmal erwartet bei Ihnen, wenn Sie ständig davon gesprochen haben, wir bauen Überkapazitäten am Bau ab. Gucken Sie sich mal bitte ganz genau an, was Sie investitionsseitig, gerade im Baubereich, in den letzten Jahren gemacht haben! Gucken Sie sich bitte ganz genau an, wenn Sie bei den 48 Punkten zum Steuervergünstigungsabbaugesetz – ein schönes Wort –, beim Thema Eigenheimzulage sind! Denken Sie bitte ganz genau nach, wenn Sie zum Abbau der Eigenheimzulage beziehungsweise zu einer drastischen Reduzierung Ja sagen, dass das nicht nur Rückwirkung auf die Bauwirtschaft hat, sondern auch Rückwirkung auf die Eigentumsbildung, insbesondere bei jungen Familien! Das ist für mich keine Steuervergünstigung, die Eigenheimzulage ist für mich Wirtschaftsförderung und klassische Sozialpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Rudolf Borchert, SPD: Klassische Opposition.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Vorwurf an uns ist immer, wir reden das Land schlecht. Herr Ministerpräsident, der Vorsitzende des DGB Nord steht nun wirklich nicht dafür, dass er der CDU nahe steht.

(Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: Manchmal weiß man es nicht. – Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Herr Ministerpräsident, ich bin ja immer froh, wenn Zwischenrufe von der Regierungsbank kommen. Aber dieser Mann stellte am 14. Februar ernüchtert fest: „Die Regierung hat keine Berge versetzt. Deshalb hat sie auch nach 100 Tagen nichts zu sagen. Was auch?...“

(Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU)

„Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, Abwanderung. Es herrscht Abbau und Stillstand. Eine angespannte und kritische Situation.“

Herr Ministerpräsident, Sie können das gerne als schlechtreden bezeichnen. Ich nenne das ganz einfach eine realistische Bestandsaufnahme des Februars 2003 für das Land Mecklenburg-Vorpommern. Und Sie entgegnen nur eins: „Anders als Rot-Grün in Berlin haben wir die Arbeit solide fortgesetzt.“ Herr Ministerpräsident, ein bisschen mehr Realitätsnähe, ein bisschen mehr Selbstkritik würde nicht nur Ihnen, sondern würde unserem Land gut tun und dann, glaube ich, würden wir auch ein Stückchen weiter vorankommen.

Meine Damen und Herren, das Tempo, was Sie vorlegen, ist schon beängstigend. Ich habe einmal nachgezählt, was der sachsen-anhaltinische Landtag in der Februar-Landtagssitzung auf der Tagesordnung hat: fünf Gesetze in Zweiter Lesung und sieben in Erster Lesung, solche Dinge wie Verwaltungsmodernisierungsgesetz, Novelle zum Schulgesetz und so weiter und so fort. Sie haben ein Vierteljahr gebraucht, um eine Regierungserklärung abzugeben und Sie haben in fünf Monaten einen einzigen Staatsvertrag in diesen Landtag eingebracht, wo es doch wirklich Zeit wäre, aufs Tempo zu drücken, damit dieses Land vorankommt.

Wir haben Ihnen unsere Zusammenarbeit angeboten und wir werden das ganz dezidiert auch beim Haushalt tun, damit wir endlich aus dem Stillstand, aus dieser Lethargie herauskommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)