Und vor dem Hintergrund möchte ich noch einmal deutlich machen, das sind Frauen und Männer, das sind Beschäftigte, die jede Woche von Montag bis Freitag acht Stunden hart arbeiten, und diese Menschen haben am Ende des Monats so wenig in der Tasche, dass sie mit diesem Geld noch nicht einmal ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien bestreiten können.
Nur durch die Aufstockung ihres Einkommens, durch die steuerfi nanzierte Leistung, Transferleistung, Arbeitslosengeld II, kommen diese Menschen überhaupt mit ihren Familien über die Runden. Und wenn ich sage, sie brauchen staatliche Hilfe, um über die Runden zu kommen, dann heißt das, dass damit gerade einmal das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum dieser Menschen sichergestellt ist. Und ich betone an der Stelle noch einmal ausdrücklich: Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch auf aufstockendes Arbeitslosengeld II, wird nur nach einer restriktiven Rechtsprüfung, einer Bedürftigkeitsprüfung anerkannt, eine Prüfung nämlich, die das eigene Einkommen, gegebenenfalls aber auch das Einkommen des Partners sowie weitere Ersparnisse, wenn sie denn vorliegen, einbezieht.
Ich betone dies deshalb, meine Damen und Herren, noch einmal so besonders und so dezidiert, um endlich einmal Schluss zu machen mit diesem oft zitierten meines Erachtens Pseudoargument, das Einkommen auch bei Niedriglohnjobbern sei im Regelfall zusammen mit einem Partnereinkommen so hoch, dass man sich damit problemlos über Wasser halten könne. So wird es jedenfalls lapidar in einem Beitrag des Institutes der deutschen Wirtschaft vom 15. Juni 2006 zum Thema Niedriglohn behauptet. Kollegin Lück hatte dazu auch schon entsprechende Passagen zitiert. Ich denke, meine Damen und Herren, diese Herrschaften verkennen offensichtlich die Realität von 300.000 arbeitenden Menschen. Und an dieser Stelle frage ich Sie: Ist die von mir beschriebene Situation gerecht? Ist das gerecht, dass Leute hier Fulltime arbeiten und trotzdem nicht ein hinreichendes Einkommen beziehen, um über die Runden zu kommen und ihren Existenzunterhalt sicherzustellen?
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Strenz, nur zum Vergleich: Nach einer Kienbaum-Studie aus dem April 2006 beläuft sich derzeit das durchschnittliche Jahresbruttogehalt von Geschäftsführern in Deutschland in Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten auf 251.000 Euro. Meine Damen und Herren, nur damit das hier an der Stelle noch einmal klargestellt ist, es geht mir nicht um irgendwelche Neiddebatten. Leitende Angestellte in Betrieben und Unternehmen dieses Landes sollen ganz selbstverständlich ihre verantwortungsvolle und häufi g äußerst zeitintensive Tätigkeit angemessen vergütet bekommen. Das ist überhaupt nicht die Frage. Und wenn ich mir hier die entsprechenden Gehaltsstatistiken ansehe, ist das in der Regel auch der Fall, denn mit der von mir genannten durchschnittlichen Jahresvergütung stehen deutsche
Chefs zum Beispiel im internationalen Vergleich mit an der Spitze. Das müssen wir konstatieren. Aber, meine Damen und Herren, ich komme zurück auf meine Frage von vorhin.
Ist das gerecht? Und ich sage Ihnen, eine Situation, wo immer mehr Menschen in diesem Land trotz Vollzeitjob nicht genug Geld bekommen, um hier einen Lebensunterhalt sicherzustellen, angesichts der Gehaltsentwicklung zum Beispiel bei leitenden Angestellten, ist aus meiner Sicht und aus unserer Sicht nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, gerecht und angemessen ist es vielmehr, sicherzustellen, dass Vollzeitbeschäftigte zukünftig nicht mehr auf die Grundsicherung angewiesen sind. Das sagen im Übrigen auch internationale Arbeitsmarktexperten. Beispielsweise hat der Leiter der Abteilung Arbeitsmarktforschung bei der ILO, Dr. Peter Auer, am 12. Juni 2006 im Gespräch mit der „Berliner Zeitung“ gesagt, dass die Tarifbindung, die jahrzehntelang als Garant des sozialen Friedens in der Bundesrepublik galt, dramatisch abgenommen hat. Und wörtlich hat er ausgeführt, ich zitiere das noch einmal: „Faktisch ist der Arbeitsmarkt in Deutschland hinsichtlich der Löhne heute anscheinend weitgehend dereguliert. Da ist es dann sinnvoll, eine untere Haltelinie einzuziehen.“
Und an dieser Stelle, meine Damen und Herren, sei die Anmerkung erlaubt, Herr Auer ist nicht irgendein Experte, sondern der Fachmann für Arbeit und Beschäftigung bei der ILO, einer wichtigen Unterorganisation der Vereinten Nationen. Diese untere Haltelinie einzuziehen, von der hier Dr. Auer gesprochen hat, ist aus Sicht der SPD-Fraktion ein richtiges und ein wichtiges politisches Anliegen. Und diesem Anliegen tragen wir durch unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn Rechnung.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, was Ihren Änderungsantrag, den Sie hier vorgelegt haben, betrifft, lehnen wir diesen ab,
ganz klar, ohne Wenn und Aber, und zwar vollständig, denn aus diesem Antrag, liebe Frau Strenz, wird deutlich, dass Sie in Wahrheit keinen gesetzlichen Mindestlohn wollen.
(Rudolf Borchert, SPD: Ja, sagen Sie es doch mal klar! – Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)
Sprechen Sie es aus und kommen Sie hier nicht wieder mit einem Antrag, der zu einem Prüfauftrag umformuliert wird. Klar ist, die Fakten sind hinreichend bekannt. Wir müssen hier nicht mehr prüfen. Es gibt ganze Bibliotheken, ganze Bücherbestände über Sachverständigengutachten, über Bewertungen, über Zahlenwerke, Statistiken et cetera. Klar ist hier, die Fakten sind hinreichend bekannt, sie liegen auf dem Tisch. Nun ist Handeln
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS, und Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS – Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)
Und wir wollen handeln, weil wir mehr Gerechtigkeit für die Menschen in unserem Land, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, schaffen wollen, die hart arbeiten. Mindestlöhne, wie wir sie wollen, schützen im Übrigen nicht nur die Arbeitnehmer vor Ausbeutung, sondern sie schützen auch die Arbeitgeber,
und zwar gerade Kleinarbeitgeber, nämlich vor einem Vernichtungswettbewerb durch Mitbewerber, die hier mit Dumpinglöhnen arbeiten.
Ich bitte deshalb noch einmal ausdrücklich um die Unterstützung unseres sehr vernünftigen Antrages. – Vielen Dank.
Werter Herr Mohr, wenn Sie von Handlungskompetenz sprechen, kann ich nur feststellen, dass in den letzten acht Jahren – und das betone ich noch einmal, weil ich möchte, dass es auch zu Protokoll kommt – 100.000 sozial versicherungspfl ichtige Beschäftigungsverhältnisse in diesem Land verloren gegangen sind.
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Auf welcher Basis, auf welchen gesetzlichen Regelungen, das müssen wir natürlich noch mal fragen. Das blenden Sie natürlich wieder aus.)
Es geht darum, nicht etwas in die Wege zu leiten, was am Ende, werte Frau Borchardt, Sie sind ja auch ein Experte in Volkswirtschaft, zur Folge hat, dass noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen und die Bürgerinnen und Bürger durch Ihre Entscheidung möglicherweise erst in die Schwarzarbeit getrieben werden.
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Nein, auch auf Bundesebene. Gucken Sie noch mal nach! – Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS: Auf Bundesebene!)
Wir haben etwas gemacht, wir haben einen Änderungsantrag geschrieben. Dafür gab es übrigens zwei Gründe. Der erste Grund war der, dass Ihr Antrag grottenschlecht war. Es stand nichts drin, was zu gebrauchen war. Und der zweite Grund ist der, dass man nicht etwas einführt, ohne vorher zu prüfen, welche Konsequenzen es hat. Und wenn Sie es mit Ihrem Antrag ehrlich meinen,
nämlich zu prüfen, welche Auswirkungen die Einführung eines Mindestlohnes hätte. Und wenn dann eine solche Prüfung ergäbe, dass sozialversicherungspfl ichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen würden, dann wäre es doch in Ordnung. Wenn das allerdings nicht der Fall ist, dann muss man davor warnen, und das tun wir im Vorfeld, weil wir unsere Verantwortung ganz deutlich spüren.
(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS – Zurufe von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS)
Und natürlich sehen Sie, dann muss man über Alternativen nachdenken. Man muss ganz genau gucken, was sich denn nun wirklich lohnt. Wenn das, was Sie hier betreiben, nicht nur pure Propaganda von Sozialisten ist, sondern ein ernst gemeintes Anliegen, stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. Tun Sie es nicht, dann weiß ich, allerliebste Frau Borchardt, wie wir uns im Wahlkreis im Wahlkampf wiedertreffen. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zurufe von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei Alexa Wien, Die Linkspartei.PDS)
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/2352 abstimmen. Wer dem CDU-Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS auf Drucksache 4/2309,
Entschuldigung, der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/2352 mit den Stimmen der Fraktion der SPD und der Linkspartei.PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU abgelehnt.