Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! In unserem letzten Tagungsordnungspunkt geht es uns um die Verzahnung von Jugendhilfe und Schule, um die Stärkung dieser Verzahnung. In letzter Zeit haben sich die Foren, Konferenzen und Workshops zu dem Thema „Jugendhilfe und Schule“ auch bei uns im Land gehäuft und, egal wer die Veranstaltungen vorbereitet oder durchgeführt hat, eines wird immer wieder deutlich, nämlich dass gerade im Bereich der Schulsozialarbeit ein enormer Entwicklungsbedarf gesehen wird. Ich komme nachher auf diesen Punkt noch einmal zurück, dass wir einen enormen Entwicklungsbedarf haben, dass es bitte ausdrücklich nicht als Kritik am Bestehenden zu verstehen ist, sondern als Positionierung für die Weiterentwicklung.
Unterschiedliche Begriffl ichkeiten machen den Ansatz der verbesserten Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule deutlich. Einer spricht von Verzahnung, ein anderer von Kooperation oder enger Zusammenarbeit. Aber letztlich liegt alles sehr dicht beieinander und die Frage der Funktionalität entscheidet neben den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen auch ganz stark mit, ob diese Funktionalität durch die agierenden Personen vor Ort bestimmt wird.
Und je besser der Draht zwischen Schulleitung und den Anbietern der Schulsozialarbeit ist, desto effektiver und förderlicher sind auch die Angebote der Schulsozialarbeit.
(Beifall Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS, und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS – Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: So ist es.)
Aber deutlich wird auch – wer sich mit diesem Thema beschäftigt, weiß das –, dass es eben keine Vereinnahmung der Jugendhilfe durch die Schule geben kann und geben darf,
denn Schule und Jugendhilfe haben bei aller gewollter und auch notwendiger Nähe doch unterschiedliche Ansätze und Zielvorgaben im Handeln. Schulsozialarbeit lässt sich davon leiten, was Schülerinnen und Schüler benötigen, was über den Bereich der Wissensvermittlung und schulischen Erziehung hinausgeht. Es geht um zusätzliche Förderung und Unterstützung bei der Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsstärkung. Es geht um den Umgang mit Konfl ikten und Herausforderungen. Dies im Hinterkopf wird klar, warum eine effektive Verzahnung von Jugendhilfe und Schule sehr förderlich für beide Bereiche ist. Und als ein Weg des Defi zitabbaus im Bereich der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule ist die Weiterbildung zu verstehen.
Dass wir heute von gemeinsamer Weiterbildung für die beiden Bereiche sprechen, macht Sinn, wenn das gemeinsame Agieren vor Ort der Schlüssel des Erfolgs ist. Und an dieser Stelle möchte ich ganz kurz schon einmal auf den CDU-Antrag eingehen. Es ist eben nicht so, dass die Fort- und Weiterbildung einen neuen Fakt darstellt, denn sowohl im Schulbereich als auch im Bereich der Jugendhilfe sind jährliche Fort- und Weiterbildungen bereits verpfl ichtend Bestandteil. Diese nun unbedingt zusammen durchzuführen kann vielleicht in einem Einzelfall zu einem Mehrbedarf führen. Im Regelfall sollte dies aber eben nicht so sein.
Nein, ich habe eben über den Änderungsantrag der CDU gesprochen, Frau Fiedler-Wilhelm, und Sie sind explizit auf zusätzliche Kosten im Bereich der Fort- und Weiterbildung eingegangen, und da habe ich Ihnen ganz kurz dargestellt, dass dies nicht zwingend gegeben ist.
Wir sehen enormen Bedarf in unserer Gesellschaft, gerade beide Bereiche der Jugend- und Schulsozialarbeit weiterzuentwickeln. Und wir können heute davon ausgehen, dass der Bedarf an unterstützender Schulsozialarbeit auch in den vergangenen Jahren eher noch zugenommen hat. Dies ist bitte nicht als Kritik an der Landesinitiative zu verstehen, ganz im Gegenteil. Mecklenburg-Vorpommern hat viel eher als alle anderen den Bedarf in diesem Bereich erkannt, hat sich zum Vorreiter auf diesem Gebiet entwickelt und will dies auch weiter bleiben.
Und nicht von ungefähr taucht da die Formulierung im Antrag auf, dass die verbesserte Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule unter anderem auch durch den schrittweisen Ausbau der Angebote im Bereich der Schulsozialarbeit erreicht werden soll. Wichtig dabei ist zu erklären, dass dieser schrittweise Ausbau über die jetzige Landesinitiative hinaus geschehen muss, denn die
Verstärkung im Bereich der Schulsozialarbeit darf nicht zulasten des Bereiches der freien Jugendarbeit gehen.
Denn eines müssen wir auch ganz nüchtern konstatieren: Leider ist es so, dass auch im Bereich der Jugendsozialarbeit der Bedarf steigend ist. Trotz der sinkenden Zahl der 10- bis 26-jährigen Kinder und Jugendlichen – sie sind Grundlage der bisherigen Landesförderung – haben wir auch festgestellt, dass wir ein Maß erreicht haben, wo wir die Landesmittel nicht weiter absenken dürfen, das heißt, wir müssen davon wegkommen, die Landesmittel pro Kopf zu berechnen, und in diesem Sinne sind wir aufgefordert, die Rahmenbedingungen dafür herzustellen, dass wir gerade den Bereich der Jugendsozialarbeit erhalten und schrittweise den Bereich der Schulsozialarbeit ausbauen.
(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: Ja, ganz genauso ist es.)
Es ist nicht nur eine Forderung der Linkspartei.PDS, dass wir das Ziel anvisieren, langfristig an allen Schulen mindestens einen Schulsozialarbeiter haben zu wollen. Ich habe das eben sehr wohlwollend, glaube ich, wie auch meine Kollegen insgesamt, empfunden, dass der Minister diesen Punkt aufgegriffen hat und wir uns dort sehr einig sind.
(Beifall Rudolf Borchert, SPD, und Dr. Margret Seemann, SPD – Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Denn das sind alles Ganztagsschulen. – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Und dazu gehören auch die Hochschulen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
ein erster sehr effektiver Schritt sein, wenn wir mit den weiterführenden Schulen beginnen, so, wie es vorhin der Minister ausgeführt hat. Ich verstehe das durchaus als zusammenpassende Ansätze. Der gestiegene Bedarf im Bereich der Schulsozialarbeit ist unstrittig
und wir sind gemeinsam aufgefordert, mit unseren Anstrengungen hier im Landtag dieses Ziel anzupacken.
Jetzt möchte ich noch einmal kurz auf den Antrag der CDU in Gänze eingehen. Auf die fi nanziellen Mehrbelastungen beziehungsweise Nichtmehrbelastungen bin ich eingegangen.
Aber ich möchte auch noch auf einen anderen Punkt kurz eingehen. Frau Fiedler-Wilhelm, Sie haben in der Begründung Ihres Antrages von einem verbindlichen Rahmenplan gesprochen, den Sie praktisch hier einfordern. Allerdings muss ich dazu sagen …
(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Das haben wir aus Ihrem Antrag gelesen. Man muss das richtig lesen. Lesen Sie das richtig!)
Deswegen, wenn es denn eine Verständnisfrage ist, will ich ganz kurz zur Aufklärung noch mit beitragen, denn wir haben in unserem Antrag von verbindlichen Rahmenbedingungen gesprochen und nicht von einem Rahmenplan. Das sind zwei sehr unterschiedliche Begriffl ichkeiten.
Es können durchaus verbindliche Rahmenbedingungen auch einen Rahmenplan beinhalten, aber das haben wir an keiner Stelle in unserem Antrag geschrieben.
Also ich möchte Sie bitten, dass Sie Ihren Änderungsantrag zurückziehen. Das ist jetzt wirklich eine ganz ernsthafte Bitte, zu diesem Punkt, glaube ich, der sehr wichtig ist.
Wir haben am 24. Mai in Güstrow unsere Fachkonferenz durchgeführt und ich kann Ihnen sagen, dass wir dort in einem sehr breiten Kontext mit den Jugend- und Schulsozialarbeitern bestimmte Positionen herausgearbeitet haben, die uns sehr darin unterstützt haben, exakt in dem Sinne, wie wir es hier eben auch diskutiert haben, fortzufahren, dass also die, die letztendlich das Programm bei uns im Land so hervorragend umsetzen, nämlich die Jugend- und Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter, diese Ansätze mittragen. Und es sollte hier an dieser Stelle auch möglich sein, den Konsens, der eigentlich in der Gesellschaft da ist, auch hinzubekommen und das heute im Hohen Hause auf den Weg zu bringen, wenn wir dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen. – Danke schön.
(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Das sind ja richtig Welten. – Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Wolfgang Riemann, CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Bildung ist Wissenserwerb und Persönlichkeitsentwicklung gleichermaßen. Schule und Jugendhilfe stehen hierbei als gleichberechtigte Institutionen mit eigenständigen Aufgaben eng zusammen. Im Interesse der Kinder und Jugendlichen im Lande ist deshalb eine enge Kooperation von Jugendhilfe und Schule unabdingbar. Sie wird praktiziert, sie wird weiterentwickelt. Ich unterstütze den im Antrag formulierten Ansatz einer engen Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule uneingeschränkt. Voraussetzung ist hierbei, dass jeder einzelne Partner immer wieder seine Aufgaben sehr umfassend verdeutlicht, die hierfür notwendigen Kompetenzen und Aktivitäten gleichermaßen entwickelt. Wie Schule hat auch Jugendhilfe bei der Erziehung und Bildung von Kindern einen grundgesetzlichen Auftrag. Sie soll die Eltern unterstützen,
um eine chancengleiche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und ihre Erziehung zu Demokratie und Toleranz in einer offenen Gesellschaft zu ermöglichen. Jugendhilfe repräsentiert, Jugendhilfe vertritt Eltern und ihre Kinder, Jugendhilfe widerspiegelt also das breite Spektrum gesellschaftlicher Pluralität. Jugendhilfe steht somit als Partner neben der staatlich verfassten Schule. In den kinder- und jugendpolitischen Konzepten der Landesregierung wie dem Kinderjugendprogramm, das gestern hier vorgestellt wurde, oder dem Jugendhilfeorganisationsgesetz, dem Kindertagesförderungsgesetz oder dem Schulgesetz sind Schule und Jugendhilfe deshalb gleichberechtigt verankert.
Wichtig für die weitere Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule sind die zwischen unseren Häusern abgestimmten Konzepte. Ich darf sie noch einmal aus meiner Sicht benennen. Es geht inhaltlich um gut abgestimmte Konzepte von Schule und Jugendhilfe auf Landes-, aber eben vor allem auch auf kommunaler Ebene. Angesprochen sind hier die Jugendämter, die Sozialämter und die Schulämter, aber vor allem auch die Jugendhilfeausschüsse. Es geht um gut aufeinander abgestimmte Konzepte der inhaltlichen Arbeit, aber auch der Aus- und Weiterbildung von Akteuren der Schule und der Jugendhilfe, also von Lehrern und Sozialarbeitern sowie von Grundschullehrern und Horterziehern gleichermaßen. Hierbei steht auch der nahtlose Übergang der Kinder von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule im Blickpunkt. Hier sind auch weitergehende oder Weiterbildungskonzepte in Vorbereitung. Ihre Umsetzung ist in Vorbereitung. Und in diesem Sinne plädiere ich natürlich für das im Kinder- und Jugendprogramm verankerte Konzept der Weiterentwicklung der Jugendsozialarbeit und der Schulsozialarbeit. Unser Ziel ist die chancengleiche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und der Antrag gibt dazu einen guten Anstoß. Er unterstützt die bisherigen Arbeiten meines Hauses, aber auch des Bildungsministeriums und des Ministeriums für Arbeit, Bau und Landesentwicklung.