Protocol of the Session on June 27, 2006

das wir auf den parlamentarischen Weg bringen wollen. Das Besondere an dem Gesetz zur Gleichstellung, gleichberechtigten Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderungen ist zweifelsohne der Kontext, in dem es entstanden ist und heute verabschiedet werden soll. So galt es einige Jahre für nicht möglich, dass das Parlament und zuvor die Landesregierung ein Gesetz auf den Weg bringen, welches über den vereinbarten Rahmen des Koalitionsvertrages der beiden Regierungspartner hinausgehen soll.

Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir als Linkspartei.PDS immer ein solches Gesetz gefordert haben, und deshalb begrüßen wir es heute umso mehr. Unser Dank gilt all jenen, die es möglich gemacht haben beziehungsweise unterstützt haben, dass wir diesen Gesetzentwurf diskutieren und verabschieden können. Ein besonderer Dank gilt im außerparlamentarischen Bereich exemplarisch der LAG Selbsthilfe Behinderter und dem Allgemeinen Behindertenverband und im Bereich der Exekutive dem Integrationsförderrat bei der Landesregierung und dem Sozialministerium.

Wenn künftig also Barrierefreiheit in unserem Land als umfassender Begriff Wirkung entfalten kann, dann ist das bedeutend mehr als das, was man noch vor Jahren unter dieser Begrifflichkeit verstanden hat. Neben dem klassischen Bereich der Barrierefreiheit im baulichen und verkehrstechnischen Sinne kommen neue Lebensbereiche, die nicht minder wichtig sind, hinzu: die verbesserte Kommunikation beispielsweise für hörbehinderte Menschen, die es künftig erlauben soll, dass Betroffene ihr eigenes Recht gegenüber Verwaltung verbessert wahrnehmen können. Barrierefreiheit heißt auch, dass Formulare und Bescheide beispielsweise für sehbehinderte Bürger lesbar und fassbar sind. Barrierefreiheit heißt auch, dass die Informationen von Behörden und Verwaltungen – präsentiert und abrufbar beispielsweise über Internetauftritte – so dargestellt werden, dass sie für Menschen mit Behinderungen grundsätzlich uneingeschränkt nutzbar sind.

Wir begrüßen an dieser Stelle auch, dass die mittlerweile anerkannte Arbeit des Rates für Integrationsförderung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen bei der Landesregierung – kurz Integrationsförderrat genannt – fortgesetzt werden kann. Es war eine ausdrückliche Forderung aus den Reihen der Interessenvertreter heraus, dass wir diese Struktur erhalten mögen. Dem konnten wir folgen. Ich sage „wir“ ganz bewusst, weil über die Jahre der intensiven Arbeit am Gesetz die Koalitionsfraktionen inhaltlich immer stark eingebunden waren.

Deutlich wird aber heute auch wieder, dass wir bei allen Gemeinsamkeiten am Thema, die manchmal sogar parteiübergreifend erzielt werden konnten, dennoch bei einzelnen Fragen sehr unterschiedlicher Auffassung waren und offensichtlich weiterhin sind. Der Paragraf 10, die Interessenvertretung – Kollege Glawe hat es eben noch mal angesprochen –, macht dies sehr plastisch deutlich. Und um Fehlinterpretationen vorzubeugen, will ich ausdrücklich betonen, dass neben den anerkannten Organisationen der Selbsthilfe auch die Vereine und Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, so sie die Interessen betroffener Menschen vertreten, ebenfalls als Interessenvertretung gelten. Wir verstehen also ein gleichberechtigtes Miteinander der Vereine und Verbände sowie der Organisationen der Selbsthilfe als Interessenvertreter in Fragen der Wahrnehmung der Rechte der Menschen mit Behinderungen als das A und O.

An verschiedenen Stellen wird deutlich, dass das heutige Gesetz ein Gesetz der Kompromisse, ein Gesetz des Machbaren ist. Es ist ein Gesetz der Schritte in der Umsetzung, welches keinen Partner überfordern soll. Dies gilt insbesondere für die Schaffung von Barrierefreiheit, auch im Bereich der Verwaltung. Ich werbe nochmals für die Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Walther.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung, gleichberechtigten Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderungen und zur Änderung anderer Vorschriften auf Drucksache 4/2114. Der Sozialausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 4/2332 anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf die Artikel 1 bis 24 sowie die Überschrift in der Fassung der Beschlussempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit sind die Artikel 1 bis 24 sowie die Überschrift in der Fassung der Beschlussempfehlung bei Zustimmung der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS, des fraktionslosen Abgeordneten und Stimmenthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses auf Drucksache 4/2332 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses auf Drucksache 4/2332 bei Zustimmung der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS, des fraktionslosen Abgeordneten und Stimmenthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes, Drucksache 4/2165, und hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Sozialausschusses auf Drucksache 4/2279.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/2165 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 4/2279 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Sozialausschusses, der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Unterschied zu den anderen Gesetzentwürfen, die ich vorstellen durfte, was die Beratungsergebnisse des Sozialausschusses betrifft,

haben wir es hier mit einem Gesetzentwurf zu tun, zu dem es keine Anhörung im Sozialausschuss gab. Der Sozialausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfes der Landesregierung. Gleichwohl hat es – das entnehmen Sie der Beschlussempfehlung – lediglich ein mehrheitliches Votum gegeben. Die Koalitionäre haben für den Gesetzentwurf gestimmt, die CDU-Fraktion dagegen.

Mit dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf werden die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten auf der Ebene des Schulamtes an die Neuorganisation angepasst und die Gleichstellungsbeauftragte für das zentrale Personalmanagement eingeführt. Ferner wird eine Regelung für eine Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung in das Gleichstellungsgesetz aufgenommen. Hierfür möchte ich werben und bitte deshalb um Zustimmung für den vorliegenden Gesetzentwurf. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Dr. Margret Seemann, SPD)

Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Seemann für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte sind ja etwas verwirrend. Zweimal wird von Gleichstellungsgesetzen gesprochen. Den einen Tagesordnungspunkt haben wir absolviert, das Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen. Da konnte die CDU-Fraktion sich ja wenigstens noch durchringen, eine Enthaltung hier an den Tag zu legen, obwohl auch die Begründung aus meiner Sicht nicht so besonders schlüssig war.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Bei dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf, wo es um die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern geht, wurde zumindest im Sozialausschuss deutlich – das hat Herr Koplin eben schon gesagt –, dass die CDU-Fraktion diesen Gesetzentwurf in Bausch und Bogen ablehnt. Das heißt letztendlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Abgeordneten der CDU dagegen sind, dass auch für die Angelegenheiten der beruflichen Schulen auf Schulamtsebene eine Vertretung durch eine Gleichstellungsbeauftragte gewählt wird, wie es für die allgemeinbildenden Schulen schon der Fall ist, denn dort werden die personellen Entscheidungen getroffen. Das heißt, dass die CDU-Fraktion dagegen ist, dass die Umsetzung des Personalkonzeptes von einer Gleichstellungsbeauftragten beim zentralen Personalmanagement begleitet wird, obwohl es weitreichende Konsequenzen gerade für die weiblichen Beschäftigten haben wird.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist ja ungeheuerlich! – Torsten Renz, CDU: Reden Sie doch bitte auch zu Ihrer Fraktion und nicht nur zu uns, Frau Dr. Seemann!)

Das heißt, dass die CDU-Fraktion dagegen ist, dass eine Regelung für eine Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten

(Torsten Renz, CDU: Wir werden uns auch noch äußern.)

der Landesverwaltung in das Gleichstellungsgesetz aufgenommen wird

(Torsten Renz, CDU: Woher wissen Sie überhaupt, was wir wollen?!)

analog zu der Arbeitsgemeinsaft der Schwerbehindertenvertretungen und der Hauptpersonalräte.

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Fakt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Frauen im Arbeitsleben immer noch benachteiligt sind. Auch in unserer Landesverwaltung sind zu wenig Führungspositionen mit Frauen besetzt, obwohl der Gleichstellungsbericht, der ja gerade vorgelegt worden ist, gezeigt hat, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren wenigstens etwas verbessert hat, aber nach wie vor besteht natürlich akuter Handlungsbedarf.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Jetzt ist das Feindbild aber wieder gefragt.)

Herr Dr. Born, statt sich hier in sportlichen Übungen zu ergehen, sollten Sie vielleicht mal lieber zuhören.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Ich glaube, das steht Ihnen besser zu Gesicht.

(Heinz Müller, SPD: Da ist Hopfen und Malz verloren, da glaube ich an nichts! – Dr. Ulrich Born, CDU: Da war bisher kein einziges Sachargument. – Zuruf von Regine Lück, Die Linkspartei.PDS)

Obwohl Frauen heute...

(Torsten Renz, CDU: Er kann zwei Sachen gleichzeitig machen. – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Nee, das kann er nicht. – Heinz Müller, SPD: Frau Präsidentin, was ist hier eigentlich los?!)

Obwohl Frauen heute so gut ausgebildet sind wie noch nie, verdienen sie im Durchschnitt nur drei Viertel von dem, was Männer verdienen, um nur einige Beispiele zu nennen. Mit der Schaffung einer Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung wird die frauen- und gleichstellungspolitische Interessenvertretung gestärkt, gerade hinsichtlich der Personalentwicklung.

Das Gesetz gibt insgesamt Verfahrenssicherheit. Für die Angelegenheiten der beruflichen Schulen soll eine Vertretung durch eine Gleichstellungsbeauftragte auf Schulamtsebene gewählt werden, eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Stellvertreterin sollen für das PEM gewählt werden und es soll eine Regelung für eine Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung aufgenommen werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten vertritt die Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung in Angelegenheiten, die von allgemeiner Bedeutung sind und über den Geschäftsbereich einer obersten Landesbehörde hinausgehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke den Damen und Herren Abgeordneten, die diesen Entwurf des Gesetzes unterstützt haben. Ich spreche nicht nur in meinem Namen, sondern ich spreche im Namen der weiblichen Bediensteten der Landesverwaltung MecklenburgVorpommern. Das sind knapp 59 Prozent des Personals und diese sind vor allem in den unteren Tarifbereichen des mittleren Dienstes sowie im höheren Tarifbereich des gehobenen Dienstes zum Teil extrem stark überrepräsentiert. Unterrepräsentiert sind Frauen dagegen in den Tarifstufen des höheren Dienstes – umso mehr, je höher die Tarifstufe ist.

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung verbessert die Landesregierung die Interessenvertretung zur Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, auch im Zuge der Umsetzung des Personalkonzeptes der Landesregierung den Anteil der Frauen in den Bereichen der Landesverwaltungen, in denen sie bisher noch unterrepräsentiert sind, weiter zu steigern, bei Umstrukturierungen Frauen nicht überproportional zu belasten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu optimieren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU. Da scheinen Sie ja wohl dagegen zu sein,

(Torsten Renz, CDU: Was?!)

wie Sie das unter anderem auch in der Beantwortung von Wahlprüfsteinen schon zum Ausdruck gebracht haben.

(Torsten Renz, CDU: Was?! Was?! – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Was?! – Harry Glawe, CDU: Im Ausschuss auch schon?!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz ist nur ein Indiz für die konsequente Umsetzung...