Protocol of the Session on June 27, 2006

Meine Damen und Herren, das führt eindeutig – und das bleibt doch übrig – zu mehr Verwaltung, zu mehr Aufwand und zu mehr Bürokratie. Da muss die Frage schon stehen: Wollen und können wir uns das wirklich noch erlauben? Können wir uns das leisten? Die Bundesländer, in denen es bereits jetzt ein Informationsfreiheitsgesetz gibt, haben festgestellt, dass die Nachfrage nach einer solchen Regelung eher minimal ist. Eine Evaluation in Nordrhein-Westfalen zum Informationsfreiheitsgesetz ergibt zum Beispiel 2.177 Anträge in zwei Jahren. Davon wurden 437 abgelehnt,

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Und warum bauen Sie dann erst so einen Buhmann auf, wenn sich das so in Grenzen hält?)

die wiederum zu 63 Widersprüchen und 72 Klagen geführt haben.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Aber immerhin! – Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Da bringen Sie erst eine Horrormeldung, als wenn das jeden Tag weiß ich wie viele sind.)

Nun ist, Herr Ritter, Nordrhein-Westfalen ein bisschen größer als Mecklenburg-Vorpommern

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

und wir sind uns da beide vollkommen einig, es wird hier bei uns noch einmal deutlich weniger Anträge geben.

(Heinz Müller, SPD: Dann kann Ihr Argument mit dem großen zusätzlichen Aufwand so groß ja nicht sein. – Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Na bitte! Na bitte! Und warum bauen Sie dann so einen Buhmann?)

Ja, richtig, aber dann ist doch offensichtlich überhaupt kein Bedarf da für dieses Informationsfreiheitsgesetz.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Wo der Bedarf liegt, das bestimmen Sie? – Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Na offensichtlich haben Sie da eine andere Wahrnehmung als wir.)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, haben diese Anfragen in Nordrhein-Westfalen vor allen Dingen in den Bereichen Bau- und Planungsrecht, Tierschutz und Verkehr stattgefunden.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Na dann gucken Sie mal im Petitionsausschuss, wo die meisten Petitionen sind!)

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Na dann gucken Sie mal im Petitionsausschuss, wo die meisten Petitionen sind! – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Sicherlich ist es auch das, was den Bürger am meisten interessiert. Das Schlimme ist nur, nun ist es auch ganz einfach, sich für das zu interessieren, was der Nachbar eigentlich so hat.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ganz so ist es ja nicht. Das wissen Sie besser!)

Und das ist das, was man zum Beispiel wirklich in Zweifel ziehen kann.

Herr Müller, ein wirklich flächendeckendes Bedürfnis kann ich zumindest für dieses Gesetz nicht erkennen. Das mag Ihnen anders gehen. Ich aber sage mir immer, wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen. Das hat einmal Montesquieu gesagt und ich glaube, das muss für uns alle gelten. Dann macht man das Gesetz bitte nicht.

Meine Damen und Herren, noch einmal ganz klar: Wir teilen die angestrebten Ziele. Wer kann denn schon gegen Transparenz sein? Oder wer kann gegen Korruptionsbekämpfung sein? Oder wer kann etwas gegen mehr Teilhabe von Menschen zum Beispiel an politischen Prozessen haben? Aber es gibt grundsätzliche und ganz massive Bedenken gegen die Umsetzung dieses Gesetzes in der Praxis. Und neben unseren schon vorgetragenen Befürchtungen, was die Bürokratie betrifft, stellt sich für uns die Frage: Wie halten wir es mit dem Datenschutz? Ich halte es für ganz besonders brisant, wenn derjenige, der von Amts wegen der oberste Schützer der Daten in diesem Lande sein soll,

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Und auch ist.)

nämlich der Landesbeauftragte für den Datenschutz, der das auch gut und gerne ist, das will ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen,...

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Ah ja! – Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Sie fangen gerade an! Sie fangen gerade an!)

Das ziehe ich überhaupt nicht in Zweifel, Frau Borchardt.

... auch gleichzeitig der Beauftragte für das Informationsfreiheitsgesetz sein soll.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ja, dafür hat er auch einen guten Grund. – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Ich habe das beim letzten Mal gesagt, Herr Neumann – das mit dem Spagat nehmen Sie mir nicht mehr übel –, hier prallen meines Erachtens wirklich zwei Interessenlagen aufeinander,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ja natürlich.)

die ein Datenschutzbeauftragter immer nur zugunsten des Datenschutzes entscheiden darf. Dass er sich als Forderer und Förderer der Informationsfreiheit versteht, ist meines Erachtens mit dem Amt nicht vereinbar.

Mehr Transparenz und ein besseres Verständnis der Bürger für die Entscheidungen der Behörden kann man auch anders erreichen. Gerade diese berechtigte Forderung wäre ein Paradebeispiel dafür, dass man nicht immer

alles sofort wieder gesetzlich regeln muss. Wenn der politische Wille nach mehr Transparenz da ist, und ich glaube, das kann man unterstellen, und zwar querbeet über alle Fraktionen, warum sollen denn Verwaltungen, wie wir das zum Beispiel in meiner eigenen Verwaltung schon längst tun, nicht freiwillig diese Information herausgeben? Dann hätte es keines Gesetzes bedurft. Und wenn Sie sich diese Bestrebungen, die nicht nur in meinem Amt vorhanden sind, einmal in der Fläche angucken, dann werden Sie feststellen, dass Internetseiten der Kommunen mit Ausschreibungen, Satzungen, Beschlüssen der Vertreterversammlung und so weiter längst veröffentlicht werden, und dazu hat natürlich im Internet jedermann den Zugang.

Wir behandeln in diesem Landtag, meine Damen und Herren, nicht nur das Informationsfreiheitsgesetz, sondern morgen werden wir uns dem Dritten Deregulierungsgesetz zuwenden, dem immerhin doch Dritten in dieser Legislaturperiode. Und da haben wir uns alle auf die Fahnen geschrieben, Vorschriften abzubauen, die Verwaltung schlank und effizient zu machen, die das dann auch hinterher leisten muss. Wir wissen, was das in der Verwaltung bedeutet, das muss auch geleistet werden können. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, weil mit dem vorliegenden Informationsfreiheitsgesetz diese Zielstellung geradezu konterkariert wird, lehnt die CDU-Fraktion, und das wird Sie nicht überraschen, das Informationsfreiheitsgesetz ab. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Ringguth.

Das Wort hat jetzt der Innenminister Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Informationsfreiheitsgesetz vollzieht sich zwischen Bürger und Staat im Land Mecklenburg-Vorpommern ein Paradigmenwechsel.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Davon sind Sie überzeugt, was?!)

Ja, Herr Ringguth, das ist so. Wovon ich überzeugt bin, will ich Ihnen gerne sagen. Ich habe bis vor Kurzem Ihre Meinung vertreten, beispielsweise auch im letzten Jahr bei einem Kongress, den Herr Neumann hier im Hause, also im Parlament, durchgeführt hat. Meine Meinung hat sich geändert während der Arbeit an diesem Gesetzentwurf. So etwas soll es ja auch geben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Jörg Heydorn, SPD)

Ich will Ihnen sagen, warum. Bisher war der Bürger Bittsteller der staatlichen Verwaltung gegenüber und musste darlegen, warum er eine bestimmte Frage beantwortet haben möchte, und zwar konnte er das ohnehin nur, wenn er Betroffener war. Neu ist jetzt, dass der Bürger einen Rechtsanspruch hat, wenn er in die Verwaltung geht, und die Auskunft verlangen darf. Er muss es gar nicht mehr begründen. Er darf die Frage stellen. Und das ist der Paradigmenwechsel, den ich persönlich – und ich halte das im Vergleich der modernen Demokratien, die wir in Europa haben, für einen sehr modernen Standpunkt – für richtig halte. Der Bürger hat einen Rechtsanspruch auf staatliche Information.

(Zuruf von Gesine Skrzepski, CDU)

Ich glaube, das kehrt das Verhältnis von Bürger und Staat um und stellt es vom Kopf auf die Füße.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! In Zukunft, oder wenn das Gesetz in Kraft ist, kann zum Beispiel ein Bürger aus dem Amtsbereich Röbel/Land, Herr Ringguth, in die transparente Verwaltung Röbel/Land gehen und verlangen, dass er Auskünfte erhält, zum Beispiel, und das ist schon gesagt worden, über Gewerbegebiete und Planungen et cetera pp.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Noch haben wir dafür auch noch genug Leute, aber bald nicht mehr.)

Ich war in Skandinavien in Verwaltungen. Da gibt es auch baulich und optisch ganz transparente Verwaltungsgebäude. Die Verwaltungskultur dort ist eine andere als bei uns in Deutschland. Deswegen sage ich, mit diesem Informationsfreiheitsgesetz begibt sich Deutschland – der deutsche Staat ist ein föderaler Staat – auf den Weg in ein modernes Staatsverständnis, bei dem das Verhältnis Bürger/Staat umgekehrt wird. Das geht nicht von einem Tag zum anderen. Die Verwaltungskultur kann auch eine andere werden, zumindest kann und hoffentlich auch werden wird.

Natürlich gibt es in unserem Informationsfreiheitsgesetz auch Einschränkungen beim Informationsverlangen des Bürgers. Diese Einschränkungen können Sie nachlesen. Immer dann, wenn es um den Schutz öffentlicher Belange oder der Rechtsdurchsetzung geht oder um den Schutz der behördlichen Entscheidungsprozesse, auch der politischen Entscheidungsfindungen, um den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder vor allem auch um den Schutz von einzelnen personenbezogenen Daten, immer dann gibt es natürlich ein schutzwürdiges Interesse der Verwaltung gegenüber einem bestimmten Vorgang. Das soll auch so bleiben. Das sind Ausnahmeregelungen, die wiederum manch einem auch zu weit gehen. Das sei einmal dahingestellt, Ausnahmeregelungen, die sinnvoll sind. Im Übrigen, wie gesagt, gibt es diesen Rechtsanspruch und den halte ich für richtig. Insofern bitte ich um Zustimmung, auch aus Ihren Reihen, Herr Ringguth, zu diesem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Heinz Müller, SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man sollte es als zunächst gutes Omen nehmen, dass der Landtag seine legislative Arbeit unter anderem mit der Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes beendet. Namens der Fraktion der Linkspartei.PDS möchte ich ausdrücklich betonen, wir waren stets und sind für ein Informationsfreiheitsgesetz. Es war insbesondere das Ziel der Fraktion der Linkspartei, das Projekt noch vor Schluss der Legislatur unter Dach und Fach zu bringen. Damit finden langjährige, quälende Diskussionen ihr vorläufiges Ende.

Dass die beiden Koalitionsfraktionen den Gesetzentwurf gemeinsam initiiert haben und zu Ende bringen, mag als gutes Vorzeichen für eine weitere Zusammenarbeit