Das Thema „Chancen und Perspektiven der Föderalismusreform“ hätte meiner Meinung nach vielleicht sogar um ein Wort erweitert werden müssen, sodass es heißt: Chancen, Risiken und Perspektiven der Föderalismusreform.
Ich habe hier in den Händen eine Ticker-Meldung von vorgestern. „CDU kritisiert Ringstoffs Forderung nach Änderungen bei der Staatsreform. Die CDU-Fraktion im Schweriner Landtag hat die Forderung von Ministerpräsident Harald Ringstorff nach den Änderungen an der geplanten Föderalismusreform kritisiert. Der gefundene Kompromiss sei ausgewogen, sagte Armin Jäger am Montag in Schwerin. Ringstorff selbst habe daran mitgewirkt.“
Herr Jäger, ich sage Ihnen, das Wohl Mecklenburg-Vorpommerns und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stehen für mich als Ministerpräsident an erster Stelle.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Dann tun Sie was für das Land! Dann tun Sie’s da, wo Sie gefragt werden!)
Das gilt auch für die Föderalismusreform. Und ich habe in dem ganzen Prozess die Interessen unseres Landes vertreten und durch zahlreiche Protokollnotizen zum Ausdruck gebracht, wo diese Interessen zu suchen sind.
Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren, unterstützt die Föderalismusreform und die Entflechtung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern. Wir sind dafür, dass der Bundesrat künftig nicht mehr als Blockadeinstrument missbraucht werden kann. Genauso klar sage ich aber auch, der vorliegende Entwurf zur Föderalismusreform kann nicht das letzte Wort sein.
Herr Jäger, es kann doch nicht richtig sein, dass wir am Ende dieser Reform mehr Kleinstaaterei in der Bundesrepublik haben als zuvor.
Es kann nicht richtig sein, ungebremstem Wettbewerbsföderalismus die Tür zu öffnen und die Chancengleichheit finanzschwacher Länder auszuhebeln.
Grundsätzlich gilt, die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ist notwendig und sinnvoll und wir wollen sie auch unterstützen. Wir wollen die politische Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern stärken.
Wir sind für die Verringerung zustimmungspflichtiger Gesetze und eine angemessene Kompensation für die Länder, sowohl was die Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen betrifft als auch die Mitsprache der Länder bei Bundesgesetzen mit erheblichen finanziellen Folgen. Wir sind für klare, politische Verantwortlichkeiten und für Transparenz durch eine möglichst eindeutige Zuordnung von Kompetenzen, denn die Bürgerinnen und Bürger müssen nachvollziehen können, wer für welche Entscheidungen verantwortlich ist. Und wir halten es auch für wichtig, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in Europa zu stärken und die Europatauglichkeit des Grundgesetzes zu verbessern, das heißt, dass insbesondere die Umsetzung des europäischen Rechtes effizienter wird als bisher.
Wegen der strukturellen Unterschiede zwischen den Ländern gab und gibt es aber abweichende Auffassungen darüber, welches Maß an Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten richtig ist, wenn es um die Wahrnehmung von Kompetenzen und die Regelung von Lebenssachverhalten geht. Für uns in Mecklenburg-Vorpommern ist die Wahrung des Grundsatzes „Herstellung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland“ der Punkt, der an erster Stelle steht.
Und am bewährten kooperativen und solidarischen Föderalismus darf nicht gerüttelt werden. Einem Wettbewerbsföderalismus, meine Damen und Herren, werden wir nicht Tür und Tor öffnen.
Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern hat in den vergangenen Monaten immer wieder einzelne Aspekte der Föderalismusrefom kritisiert und nicht allem zugestimmt. Das betrifft – Frau Gramkow hatte es schon angesprochen – zum Beispiel die völlige Zurückdrängung des Bundes aus der Bildungsplanung und dem Hochschulbereich sowie die Kappung der Möglichkeiten des Bundes, über Finanzhilfen seine Ressourcen auch im Bildungsbereich mit einzubringen. Und das ist nicht gut, meine Damen und Herren. Ich sage Ihnen nur ein Beispiel: Ein neues Ganztagsschulprogramm wie das jetzt laufende im Umfang von 4 Milliarden Euro wäre künftig nicht mehr möglich nach der Föderalismusreform.
Entschuldigung, Artikel 104 a – und diese sind dann nicht mehr möglich. Wenn eine Materie völlig in die Kompetenz der Bundesländer fällt, dann darf der Bund nicht mehr eingreifen. Also ich wiederhole es noch einmal:
Herr Jäger, ich denke, ich rede hier jetzt und nicht Sie. Sie sind nachher sicherlich auch noch dran.
Ein neues Ganztagsschulprogramm wäre nach der Föderalismusreform in der jetzigen Form nicht mehr möglich. Und gerade die strukturschwachen Länder brauchen aber die gesamtstaatliche Verantwortung im Sinne eines Ausgleiches wirtschaftlicher und finanzieller Ungleichgewichte.
Außerdem verlangt auch die Politik den Menschen immer mehr Beweglichkeit und Mobilität ab. Und nun ziehen Sie heute mal als Familie mit zwei oder drei schulpflichtigen Kindern von einem Bundesland ins andere um und überlegen Sie mal, welche Probleme es dabei gibt. Ich glaube, das ist nicht das Nonplusultra, diese Situation im Bildungsbereich.
Meine Damen und Herren, es kann nicht im Interesse Mecklenburg-Vorpommerns sein, für den Solidarpakt zwei wichtige Transferwege wie die Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen zu streichen oder zu beschränken. Umso wichtiger ist in diesen Fällen aber, wenn es doch geschieht, die Verteilungsneutralität für jedes Land zu wahren.
Und jetzt spreche ich die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“ an. Das trifft unser Bundesland und die neuen Bundesländer beim Ausbau ihrer Hochschullandschaft auf halber Strecke. Eine Kompensation für die wegfallenden Mittel gibt es im Umfang von 70 Prozent und das nur bis 2013, danach ist alles offen. 30 Prozent der bisherigen Bundesmittel der GA „Hochschulbau“ werden für die Forschungsförderung eingesetzt. Und es ist kein Geheimnis, Herr Jäger, dass von diesen 30 Prozent der Mittel große Universitäten und etablierte Institute profitieren, während Ostdeutschland kaum dabei sein wird, so, wie die jetzigen Strukturen aussehen, und das ist ungerecht.
Im Übrigen befinde ich mich mit dieser Kritik in guter Gesellschaft. Beispielsweise hat Professor Dr. Peter Strohschneider, immerhin der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, genau die gleiche Auffassung zu dieser Problematik wie wir.
Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern spricht sich im Bundesrat auch für die Beibehaltung eines bundeseinheitlichen Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechtes aus,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Heinz Müller, SPD: Sehr gut.)
denn ich sage es hier ganz deutlich: Wir wollen keinen Bezahlwettbewerb unter den Ländern! Wir wollen nicht, dass finanzschwache Länder den Kürzeren ziehen, weil sich die finanzstarken Länder die besten Fachleute durch höhere Zahlungen holen können. Das ist nicht im Sinne eines kooperativen Föderalismus.
Im Übrigen ist es so, dass man nicht ganz ohne Grund – e s gab einmal ein zersplittertes Beamten- und Versorgungsrecht – dieses Recht bundeseinheitlich gestaltet hat.