Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 74. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 74., 75. und 76. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 74., 75. und 76. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich gern nachträglich zwei Geburtstagskindern, die einen runden Geburtstag begangen haben, gratulieren. Es ist einmal die Kollegin Frau Borchardt von der Fraktion der Linkspartei.PDS und Frau Angelika Peters von der Fraktion der SPD.
Und da die männlichen Kollegen heute auch nicht zu kurz kommen sollten, haben wir ein aktuelles Geburtstagskind. Ich gratuliere Herrn Michael Ankermann zu seinem Geburtstag und bitte alle drei Geburtstagskinder kurz zu mir nach vorn, da ich den Platz nicht verlassen darf.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Föderalismusreform – Chancen und Perspektiven für Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.
Frau Präsidentin! 37 Jahre nach der letzten Föderalismusreform, also der Neuordnung der Beziehungen zwischen den Ländern und dem Bund, hat sich die große Koalition in Berlin daran gemacht, die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung durchzusetzen. Das Paket scheint fest geschnürt.
Es ist das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern einerseits und andererseits, Herr Riemann, zwischen SPD, CDU und CSU auf Bundesebene.
Die Linkspartei.PDS ist für eine Föderalismusreform. Deshalb haben wir auch in diesem Landtag über die Parteigrenzen hinweg Initiativen verabschiedet und sie letztlich im Lübecker Konvent zusammengefasst. Es ging uns dabei auch darum, die Kompetenzen dieses Landesparlamentes zu stärken.
Wovon hat sich meine Partei leiten lassen? Wir sagen Ja zu einem solidarischen und kooperativen Föderalismus, zu einem radikalen Wettbewerbsföderalismus in Form einer Ellenbogengesellschaft sagen wir Nein.
Wir bleiben dabei, dass das Ziel auch des Föderalismus bleibt, die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse durchzusetzen. Sie sind nach wie vor das Leitbild der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Ein Ausspielen von armen und reichen Ländern lehnen wir ab.
Meine Damen und Herren, wir sagen Ja zur Entzerrung des Kompetenzgerangels zwischen Bund und Ländern in der Gesetzgebung. Den existierenden zentralistischen Exekutivföderalismus – der Bund mischt sich immer mehr in Länderkompetenzen ein und die Länder erkaufen sich dafür Mitwirkungsrechte – lehnen wir ab. Der Bundesrat muss wieder Interessenvertreter der Länder sein und nicht bundespolitische Opposition. Und deshalb, Herr Dr. Jäger, messen wir das vorliegende Paket an diesen Kriterien und da verdient der Ministerpräsident dieses Landes unseren Respekt sowie unsere Anerkennung und nicht Ihre Schelte.
Er hat von Anfang an in diesem Prozess die Interessen von Mecklenburg-Vorpommern hervorragend vertreten.
Aktiv und konstruktiv haben wir an der Debatte teilgenommen, um eigene Vorschläge und Erfahrungen eines finanzschwachen Landes, das alles unternimmt, um seine Eigenständigkeit zu entwickeln und zu wahren, einzubringen. Sie, Herr Dr. Jäger, und die CDU wollen, dass wir abnicken.
Ich sage, die Linkspartei.PDS will, dass wir dranbleiben und solange für Verbesserungen streiten, solange es geht. Das gilt für den Bundestag und auch für den Bundesrat.
Und deshalb ist dieses so fest geschnürte Paket neu zu packen. Eine Politik „Friss oder stirb!“ mag Ihre Leitlinie sein, meine Damen und Herren von der CDU, unsere ist das nicht.
Ich nenne dies aber auch nicht Diktatur der Mehrheit, sondern es ist ein demokratischer Prozess und zu diesem demokratischen Prozess gehört auch, bis zuletzt um Verbesserung zu kämpfen und zu streiten, wenn es wichtig für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist.
Erstens. Der weitgehende Rückzug des Bundes aus der Bildungspolitik würde Deutschland in das bildungspolitische Mittelalter zurückversetzen.
PISA zeigt uns doch, dass es nichts bringt, den Flickenteppich weiter zu fördern. Wären nicht einheitliche bundespolitische Bildungsstandards richtig, die vom Bund auch ge- und befördert werden können? Der Weg, diese zu erreichen, sollte den Ländern überlassen bleiben. Flächendeckende vorschulische Bildung und Erziehung, längeres gemeinsames Lernen, keine Studiengebühren in Mecklenburg-Vorpommern,
Wartelisten für Kindertagesstätten, Ausdifferenzierung der Kinder nach Klasse 4, strenge Dreigliedrigkeit im Bildungssystem und Studiengebühren in Bayern – wäre es nicht wert, darum zu streiten?
Zweitens. Die Zersplitterung des Umweltrechtes und der Umweltkompetenzen stellt unzweifelhaft bisherige Errungenschaften des Naturschutzes und der Umweltgesetzgebung in Frage und lässt das beabsichtigte Umweltgesetzbuch sehr fragwürdig erscheinen.
Drittens. Die weitgehende Überführung des Rechts der Besoldung und Versorgung sowie der Regelung der Laufbahn in öffentlichem Dienst und Landeshoheit beeinträchtigt nicht nur letztendlich die Tarifautonomie, sondern läuft auf einen Abwerbewettbewerb hinaus, den wir nicht gewinnen können.
Der gleichzeitig damit vorgesehene Ausbau der Grundsätze des Berufsbeamtentums pflegt alte Zöpfe, anstatt sie endlich abzuschneiden.
Viertens. Die vorgesehene Nachfolgeregelung für die an sich richtige Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau würde jedenfalls auf Dauer die Qualität der Hochschulausbildung auch in Mecklenburg-Vorpommern, weil wir ein kleines und finanzschwaches Land sind, drücken.
Fünftens. Warum wollen wir eine bewährte hundertjährige Rechtseinheit des Strafrechtes und des Strafvollzuges ohne Not aufgeben? Die ausschließliche Zuordnung der Kompetenzen des Strafvollzuges auf die Länder wäre geradezu ein Einfallstor dafür, die von uns notwendigen Bahnen in der Ausrichtung des Strafvollzuges auf Therapie und Rehabilitation zu verlassen. Wäre das der richtige Weg?
Ich will eine letzte Bemerkung machen. Die vorgesehene EU-Haftung für Verstöße gegen den Stabilitätspakt und die Regelungen des Anlastungsrisikos setzen besonders finanzschwache Länder, wozu wir doch gehören, dem Fiasko eines Finanzkollaps aus.
Es gäbe noch viel hinzuzufügen. Unser Ziel ist eine sinnvolle funktionale Reform. Die Abschaffung der Rahmengesetzgebung des Bundes und die Neuordnung der Gesetzgebung bergen aber die Gefahr von Flickenteppichlösungen und dass es nicht die Chance gibt für einen fairen Wettbewerb im Sinne von Chancengleichheit, sozialer Gerechtigkeit und gleichwertiger Lebensverhältnisse, Herr Dr. Jäger. Und deshalb sage ich, dass wir konstruktiv dafür streiten, dass es Veränderungen gibt und nicht ein Abnicken in Mecklenburg-Vorpommern.
Ums Wort gebeten hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Harald Ringstorff.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir heute über die Föderalismusreform im Rahmen der Aktuellen Stunde diskutieren.