Protocol of the Session on April 5, 2006

Wer die grundlegenden Aufgaben des Straßenbaus erst bereit ist zu übertragen, nachdem sie erledigt sind, der macht sich und anderen etwas vor.

Zu den fachlichen Aspekten gehören auch einige wenige Anmerkungen zu Vorpommern beziehungsweise der so genannten Zweiteilung Vorpommerns. Der Logik des Gesetzentwurfes folgend würde hier ein deutlicher Systembruch innerhalb der Konzeption vorliegen. Wer Vorteile und Zukunftsfähigkeit ausschließlich über große Regionalkreise definiert, der dürfte hiervon gerade den strukturschwächeren Landesteil nicht ausnehmen.

(Beifall Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos)

Mitunter ist nun die Behauptung zu hören, diese Konstruktion sei auf Wunsch der Linkspartei.PDS entstanden, da wir in Vorpommern zwei Landrätinnen stellen. Meine Damen und Herren, es gibt in unserem Landesverband, in unserer Fraktion und in unserem Fraktionsarbeitskreis nicht ein Dokument, nicht einmal eine Arbeitshypothese mit der Überschrift „5-Regional-Kreis-Modell“.

(Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Zu den Begründungsansätzen, Analysen und Arbeitsthesen, die meine Partei und meine Fraktion für eine Kreisgebietsreform entwickelt haben, brauche ich an dieser Stelle keine Ausführung zu machen, denn sie stehen hier heute nicht zur Abstimmung.

Aufbauend auf den Empfehlungen der Enquetekommission zu Ämter- und Gemeindestrukturen hatten unsere Ansätze das Ziel einer Verbesserung der Kommunalstrukturen und nicht eine Anpassung von Kommunalstrukturen an die Anzahl unterer staatlicher Behörden. Auf diesem Wege wird erheblich zentralisiert, obwohl dezentrale Aufgabenerfüllung das Ziel war. Nun könnte ich die vorhin schon benannten angerissenen Problemfelder auch tiefgehender analysieren, aber dazu fehlt die Zeit. Lassen Sie mich aber zum Schluss meiner Ausführung noch einmal komprimiert die grundsätzlichen Ablehnungsgründe zusammenfassen:

Erstens. Die Notwendigkeit einer Reform der öffentlichen Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern ist allgemein anerkannt und wird von einer sehr breiten Mehrheit in diesem Land getragen. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht dieser Reformbereitschaft insgesamt nicht.

(Beifall Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos)

Er wird in seinem Kernbestandteil der Bildung von fünf Regionalkreisen weitgehend kritisiert und abgelehnt. Der Gesetzentwurf zur Funktionalreform ist damit mehr und mehr zu einem Reformhindernis selbst geworden und realisiert nicht den eingangs zitierten dargestellten breiten Konsensversuch des Innenministers.

Zweitens. Grundlegende Ziele einer Verwaltungsreform, für die die Fraktion der Linkspartei.PDS seit Diskussionsbeginn streitet – Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, Dezentralisierung der Verwaltungsstrukturen und strukturelle Konkordanz der Kommunalstrukturen –, werden durch den Gesetzentwurf nicht erreicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos)

Drittens. Eine Verwaltungsreform entfaltet sich sinnvoll im Dreiklang zwischen fachlicher Rationalität, rechtlichen

Rahmenbedingungen und politischer Gestaltungsfreiheit. Diesem Dreiklang entspricht der vorliegende Gesetzentwurf nicht.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wo sie Recht hat, hat sie Recht.)

Die Regionalkreisfixierung, mit der die Reformdiskussion eröffnet und sofort beendet wurde, konnte überhaupt nur unter weitgehender Ausblendung fachlicher und rechtlicher Gesichtspunkte Eingang in den vorliegenden Gesetzentwurf erlangen. Einer rationalen Betrachtung wurde das vorliegende Kreismodell als Kern des Gesetzentwurfes als übermäßige und insgesamt wohl unzulässige Politisierung entzogen.

Viertens. Dem vorliegenden Entwurf fehlt ein rechtliches Fundament, wie es für eine übliche parlamentarische Befassung selbstverständliche und gebotene Praxis ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Dieser Gesetzentwurf ist über weite Strecken nicht für unser Land geschrieben, sondern bewusst an das Landesverfassungsgericht adressiert. Das ist unparlamentarisch. Was mich hierbei beunruhigt, was mich auch maßlos stört, ist, dass der Umstand, dass mit dem inzwischen schon fast geflügelten Wort, dieses Gesetz lande sowieso in Greifswald, jedes rechtliche Nachdenken, Zuhören und gegebenenfalls Ändern politisch aufgegeben wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Linkspartei.PDS – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sehr richtig! – Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Das habe ich auch nicht gesagt. – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Das entspricht nicht meinem Selbstverständnis als Abgeordnete dieses Landtages. Dieses Herangehen werde ich auch nicht nachträglich mit meiner Stimme legitimieren.

Meine Damen und Herren, ich teile bei diesem Reformvorhaben auch ausdrücklich nicht eine Denk- und Handlungsweise nach dem Motto „Lasst uns doch erst mal mit diesem Gesetz anfangen, und dann werden wir schauen und nachbessern.“

(Egbert Liskow, CDU: Ja, genauso ist es.)

Diesbezügliche Konsequenzen dürfte uns die HartzGesetzgebung plastisch und drastisch vor Augen geführt haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist wirklich nicht akzeptabel.)

Dieses Dargestellte, und das sei eine abschließende persönliche Bemerkung, bedeutet aber nicht – dagegen möchte ich auch ganz persönlich für mich sprechen und ich denke, dass ich das in meinen Ausführungen deutlich gemacht habe –, als Reformgegner, was auch medial passiert ist, bezeichnet zu werden. Als Mitglied des Sonderausschusses in den letzten zweieinhalb Jahren beziehungsweise drei Jahren denke ich schon, dass ich inhaltlich sehr konstruktiv mitgearbeitet habe, weil ich es für notwendig halte, dass Funktionalreform I und II realisiert werden. Ich bin nicht gegen eine Kreisgebietsreform! Nur so, wie es in diesem Gesetz dargestellt wird, nicht. Ich habe die Defizite aufgezeigt.

Ich möchte das, was ich denke, bezüglich dem, was Herr Müller vorhin so plastisch dargestellt hat, an einem Beispiel verdeutlichen: Zu dem, was wir hier aufgenommen haben zu Fragen der Gleichstellungsbeauftragten für die Zukunft, bin ich trotz alledem der Auffassung – und ich denke, da auch persönlich sehr aktiv mitgewirkt zu haben –, dass zum Beispiel diese Drittelung, Achtelung et cetera auch heute nicht sein muss, wenn wir sie so in die Kommunalverfassung hineinschreiben würden mit aller Konsequenz.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Und dafür brauche ich wiederum nicht dieses Gesetz.

Lassen Sie mich mit einem Zitat abschließen, wie ich begonnen habe. M. Herbert sagte einmal: „Es gibt keine bessere Vorbereitung auf die Zukunft als die richtige Ausnützung der Gegenwart.“ Nehmen wir das alle als Verpflichtung für unsere Arbeit und als Verantwortung für die Regierungstätigkeit und Opposition. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos)

Danke schön, Frau Schmidt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ringguth von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, war da ein Kaiser,

(Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU – Zurufe aus dem Plenum: Oh, oh!)

der ließ sich neue Kleider machen. Diese neuen Kleider besaßen die wunderbare Eigenschaft, so hat man es dem staunenden Volk verkündet, dass die Menschen, die entweder zu ihrem Amte nicht taugen oder aber die unverzeihlich dumm sind, diese Kleider einfach nicht sehen könnten. „Oh, wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich!“, „Wie gut sie sitzen!“, „Wie herrlich sie ihm stehen!“, das sagten sie alle und keiner wollte zugeben, dass er nichts sah, denn dann hätte er ja, wie Herr Nieszery, zu seinem Amte nicht getaugt oder wäre sehr dumm gewesen.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von Minister Erwin Sellering und Dr. Norbert Nieszery, SPD – Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Werden Sie mal nicht persönlich, Herr Ringguth!)

Diese Zeilen aus dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ fallen mir wirklich jedes Mal ein, wenn ich unseren Innenminister über diese großartigen Einsparpotenziale, diese unglaublichen Einsparungen reden höre, die durch diese Verwaltungsmodernisierung irgendwo entstehen sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Da hört man heute nicht nur von ihm, sondern von jedem zweiten Redner der Pro-Fraktion: Wir sparen mehr als 10.000 Personalstellen ein.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Wir bauen sie im Übrigen ab, ohne zu kündigen. Großartig! Wir sparen auch Geld durch die Aufgabenübergabe

auf die Landkreise und zahlen den Kreisen die dafür erforderlichen Kosten natürlich in voller Höhe – Konnexität – und dann sagen wir zum Schluss: Oh, wie herrlich, was haben wir da gespart!

(Egbert Liskow, CDU: Oh, wie herrlich, 1 Million, die wir sparen!)

Im Übrigen haben wir heute auch gehört, wir schaffen mit diesem Gesetzentwurf auch viel mehr an kommunaler Selbstverwaltung.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Auch da kann man nur staunen. Im Übrigen haben wir heute auch gehört, egal, ob wir aus Schwerin oder Hamburg regiert werden, alles wird gut.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Haben Sie was gegen Ole von Beust?)

Und wissen Sie, meine Damen und Herren, kaum ein Abgeordneter von der SPD und nur wenige Abgeordnete aus der PDS wagen wirklich zuzugeben, dass sie gar keinen Personalabbau und gar keine tatsächliche Einsparung sehen könnten, denn sonst würde man ja sagen, hm.

Meine Damen und Herren, auch wenn der Kommunalminister, der Innenminister Herr Dr. Timm, jetzt nicht hier ist, möchte ich an dieser Stelle – vielleicht auch deshalb, weil der Präsident einen Minister nicht rügen kann – wirklich ganz deutlich für mich und auch noch mal für meine Fraktion sagen, dass seine Entgleisung im Zusammenhang mit der Geschichte unserer Partei, meiner Partei und der DDR-Diktatur so was von schlimm war, das hatte mit Märchen nichts zu tun. Das, meine Damen und Herren, war für einen Landesminister dieser Landesregierung einfach unerträglich!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)