Die erste Vorbemerkung, damit möchte ich mich an die CDU, in diesem Landtag Opposition, wenden: Ich halte eigentlich wenig davon, eine allgemeine politische Pauschalkritik vorzunehmen, komme aber hier nicht umhin, es zu tun, denn laut „Duden“ bedeutet lateinisch „Oppositio“ das Entgegensetzen, das Entgegenstellen. Nun könnte man es sich leicht machen und sagen, mit Neinsagen ist dieser Inhalt schon realisiert. Aber so einfach ist diese Welt dann doch nicht, denn natürlich ist damit weitaus mehr Engagement eingefordert.
Im „Wörterbuch Staat und Politik“ der Bundeszentrale für politische Bildung findet man dazu folgende weitergehende Aussage, Seite 429, ich zitiere: „Erst der Pluralismus der Neuzeit hat den Kern offener und konkurrierender politischer Willensbildung freigelegt, dass nämlich um das Gemeinwohl selbst politisch gestritten werden kann. Damit war die Basis für die Legitimität der Parteienkonkurrenz, der Opposition, und deren spezifische Funktionen Kritik, Kontrolle, Alternative gewonnen.“ Wo aber sind
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder a) Sie haben selbst keine oder b) Sie wollen keine aufzeigen, weil sich auch in Ihren Vorschlägen wesentliche Inhalte dieses Gesetzesvorschlages wiederfinden würden und das macht sich natürlich wahltaktisch zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut. Allein dieser Sachverhalt spricht nicht für Sie und Ihre Rolle in diesem zurückliegenden Arbeitsprozess auch nicht, aber die neuerliche Argumentationsschiene läuft dem entgegen. Sie diskreditieren Entscheidungen, egal ob sie mit großer oder geringer Mehrheit gefunden werden, als Diktatur von Mehrheiten.
Dies tun Sie einerseits wohl wissend um inhaltliche Bezüge dieses Begriffes und andererseits in Kenntnis der Mehrheitsverhältnisse heute im Bundestag beziehungsweise zu Zeiten Adenauers. Als er 1949 mit einer Stimme Mehrheit Bundeskanzler wurde, war dies seine eigene. Kurzkommentar seinerseits: „Mehrheit ist Mehrheit!“
Zweite Vorbemerkung: Den Vorwurf an Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, wiederholt auch in Medien so dargestellt, wir wären erst jetzt, drei Sekunden vor Ultimo, mit Kritik am Gesetzentwurf aufgetaucht, muss ich strikt zurückweisen.
Mit Beginn der Koalition im Herbst 2002 haben wir uns im Rahmen der Fraktion permanent in die verschiedenen Entwicklungsstufen dieses Arbeitsprozesses eingebracht. Dabei hat es beständig sehr kritische inhaltliche, tiefgründig untersetzte Arbeitspapiere gegeben, die auch wiederholt Beschlusscharakter hatten und als solche öffentlich zugänglich waren. Besonders hervorheben möchte ich dabei die Stellungnahme der PDS-Landtagsfraktion mit einstimmigem Beschluss vom 22.02.2005, die sich auf 31 Seiten zu unterschiedlichsten Fragen in der Entwurfsfassung positioniert. Viele der dort benannten Kritikpunkte stehen auch heute noch, sind aktueller denn je und sind Begründung für meine heutige Ablehnung.
Leider fehlt die Zeit, diese im Detail darzustellen. Aber ich denke, schon die Nennung der zielgerichteten Überschriften verschiedener Absätze beschreibt die verschiedensten Problemfelder, die auch durch die vielfältigen Änderungen am Gesetzentwurf nicht ausgeräumt werden konnten, zum Beispiel:
Punkt 3.3. Gesetzentwurf schwächt kommunale Selbstverwaltung Punkt 4.3. Kaum Begründungsansatz für Kreisgebietsreform Punkt 5.1. Umfassende Aufgabenanalyse erforderlich Punkt 5.3. Ämter und amtsfreie Gemeinden stiefmütterlich behandelt Punkt 5.4. Personalaufstockung und Doppelstrukturen hinterfragen Punkt 6.5.1. Alternativprüfung realitätsbezogen darstellen
Punkt 6.5.2. Kosten/Nutzen und Funktionalreform in Alternativprüfung einbeziehen Punkt 6.5.3. Bezirksregierungen schimmern in Begründungen durch Punkt 7.1. Gesetzentwurf entzieht sich finanzpolitischer Bewertung
Punkt 7.3. Effizienzrendite rechtlich nicht gesichert Punkt 8.1. Notwendiges Personal im Konsens definieren
Dritte Vorbemerkung: Mit Gerüchten ist es ja immer so, dass sie auf einmal da sind, Besitz ergreifend sind, und dann niemand mehr feststellen kann oder will, wie es eigentlich dazu kam. Ich meine damit die zurzeit permanent wiederholte Betrachtung, dass dieses Gesetzesvorhaben das größte dieser Koalition sei. Ich denke, wenn es an dem wäre, müsste man davon ausgehen können, dass in Wahlprogrammen vor 2002 dazu Positionierungen in dieser Form stattgefunden hätten. Aber dem war nicht so.
Noch in dem Arbeitsergebnis der Enquetekommission im Juni 2002 wurde durch den Innenminister unter anderem Folgendes gesagt, ich zitiere: „Aber ich will meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass auch in der nächsten Legislaturperiode die Zusammenarbeit zwischen Parlament, Regierung und vor allem auch dem außerparlamentarischen Sachverstand, der hier in dieser Enquetekommission sehr gute Arbeit geleistet hat, weiterhin gute und konkrete Ergebnisse bringt. Nicht allein die teilweise offen gebliebene Stadt-Umland-Problematik oder die Fragen zur Funktionalreform bedürfen einer Lösung, sondern vor allem auch die Optimierung und die Deckungsfähigkeit der horizontalen und vertikalen Verwaltungsstrukturen zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern. Nur dann, meine Damen und Herren, wenn wir langfristige Entwicklungsziele klar benennen und diese dann auch im großen Konsens möglichst einheitlich umsetzen, werden wir die Chance unseres Landes als europäische Region mit Nachdruck nach vorn bringen.“
Von Regionalkreisen war zu diesem Zeitpunkt also überhaupt keine Rede. Wer hat und warum ein Interesse daran, diese Maßstäblichkeit der Größe des Gesetzes an sich so hervorzuheben, vielleicht auch nur deshalb, um notwendige, auch strittige Arbeitsprozesse bei der gewaltigen Größe des Gesetzes besonders groß und damit besonders schlimm erscheinen zu lassen? Bei dieser Herangehensweise spielen Inhalte leider keine Rolle und sie ist deshalb abzulehnen.
Die Strittigkeit zum Maßstab zu erheben und daraus über Fähigkeiten und Unfähigkeiten von Politik zu philosophieren ist einfach verantwortungslos, denn andererseits kommen beständig die Vorwürfe, dass Entscheidungsprozesse für den Bürger nicht nachvollziehbar seien. Was ist denn nun politisch gewollt? Ich denke, es ist ein Zeichen von Stärke, wenn unterschiedliche Auffassungen sachlich miteinander ausgetragen werden. Und genau dieses möchte ich weiterführend realisieren und damit zu einigen inhaltlichen Untersetzungen kommen:
punktepapier hätte anderer Vorbereitungen und eines anderen Verfahrens bedurft, um als großes Vorhaben dieser Legislaturperiode bezeichnet zu werden. Der Artikel 1 Paragraf 101 des vorliegenden Gesetzentwurfs bringt dies unübertreffbar auf den Punkt, indem eine Untersuchung der Stadt-Umland-Beziehungen angefordert wird. Dieser Paragraf hätte aber nicht am Ende eines Gesetzes, sondern in seiner Ausgestaltung an den Anfang eines Gesetzgebungsprozesses gehört,
An dieser Stelle wird es verfassungsrechtlich relevant. Lassen Sie mich deshalb mit diesen für mich doch einfachsten Aspekten beginnen, den rechtlichen beziehungsweise juristischen Fragen, einfach nicht etwa aufgrund der Materie, sondern weil ich, wie wohl die Mehrheit in diesem Hause, als Nichtjuristin auf den Sachverstand anderer angewiesen bin beziehungsweise mich hierauf stützen kann, auch in dem Bewusstsein vieler Erfahrungen, die besagen, der eine versteht eine rechtliche Aussage so und der andere so.
Die Landesregierung und das federführende Innenministerium sind ähnlich verfahren und haben sich zur Klärung zentraler verfassungsrechtlicher Fragen so genannter Rechtslotsen bedient. Über deren Positionen zu unserer Verwaltungsmodernisierung wurde der Landtag folgendermaßen unterrichtet:
Herr Professor Wallerath, Universität Greifswald, spricht folgende Empfehlung aus, nachzulesen in der Landtagsdrucksache 4/1210, Seite 114, ich zitiere: „Es empfiehlt sich, konkrete Vorschläge zu einer Neuordnung der Kreise erst zu unterbreiten, wenn eine Analyse erstellt ist, welche das kommunale Umfeld insgesamt umfasst.“
Meine Damen und Herren! Es bedurfte nicht erst der Einfügung des neuen Paragrafen 101 in das Verwaltungsmodernisierungsgesetz, um zu dokumentieren, dass mit dem vorliegenden Gesetz der zweite oder gar der dritte Schritt vor dem ersten gemacht werden soll. Auch aus weiteren Gründen – etwa Sachverhaltsermittlungen, Anforderungen an eine Mehrfachneugliederung und anderes mehr – könnte Professor Wallerath dem vorliegenden Gesetzentwurf kaum Verfassungskonformität bescheinigen.
Meine Damen und Herren! Der nächste Rechtslotse der Landesregierung Herr Professor von Mutius, Universität Kiel, hielt bereits die Reformkonzeption für nicht verfassungskonform. Ich zitiere aus der Landtagsdrucksache 4/1210, Seite 118: „Einseitige, unvollständige und teilweise verfassungsrechtlich illegitime Zielsetzung der Reformkonzeption: Die... zugrunde gelegte Zielsetzung der Reformkonzeption genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Dies beginnt bereits bei der Begründung des Reformbedarfs, der im Wesentlichen auf den Bevölkerungsrückgang, die finanziellen Belastungen und die hohe Personalquote im Land rekurriert.“
Meine Damen und Herren! Wenige Monate später fordert von Mutius: „Keine Kreisgebietsreform ohne effizienten Unterbau“, keine Regionalkreise ohne so genanntes Amtsvertretungsmodell, ebenda, Seite 125. Auch Herr von Mutius könnte meiner Meinung nach dem vorliegenden Gesetzentwurf Verfassungsmäßigkeit kaum bescheinigen, jedenfalls nicht, ohne sich erheblich zu verbiegen.
Meine Damen und Herren! Nach Vorliegen des Gesetzentwurfes, also im Nachhinein, wird uns als Abgeordnete dieses Landtages dann noch die Position von Herrn Professor Bull, Hamburg, präsentiert. Er überrascht dann wohl alle, ich komme an anderer Stelle darauf zurück.
Festzuhalten bleibt aber Folgendes: Statt einen auch auf den Positionen der Rechtslotsen basierenden und damit rechtsunstrittigen Gesetzentwurf vorzulegen, verabreden Innenminister, Justizminister und Professor von Mutius, von heute auf morgen eine verfassungsrechtliche Neulandtheorie auszurufen, von der hier heute schon die Rede war. Im Übrigen ist diese Herangehensweise wiederholt in meiner Fraktion als verfassungsrechtlich bedenklich im Arbeitsprozess beurteilt worden. Dazu kommt, dass dieser Kunstgriff am Ende und nicht am Beginn eines Gesetzgebungsprozesses Anwendung fand, und deshalb hierbei mehr als Kopfschütteln erlaubt sein muss.
Gemessen an den Unterrichtungen zu den Rechtsfragen dieser Verwaltungsreform, die die Landesregierung diesem Landtag vorgelegt hat, ist eine rechtliche Neulandtheorie ein verfassungsrechtlicher Irrweg und der Gesetzentwurf nicht verfassungskonform. Neu ist im Übrigen nicht ein Zusammenhang von Funktional- und Gebietsreform. Nein, neu ist einzig der bewusste Verzicht des Landesgesetzgebers auf eine umfassende Sachverhaltsermittlung einschließlich Defizitanalyse bestehender kommunaler Strukturen.
Das heißt, meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf will sich bewusst über bisher anerkannte rechtliche Eingriffsvoraussetzungen in kommunalen Strukturen hinwegsetzen. Damit würde das Verhältnis zwischen Landesgesetzgeber und Kommunen nachhaltig einseitig definiert. Jeder Landesgesetzgeber wäre fortan seiner Verpflichtung nach umfassender Sachverhaltsermittlung entledigt. Das hätte bundesweite Konsequenzen.
Für ein derartiges Experiment hätte es nach meiner Auffassung einer gründlichen juristischen Ausleuchtung bereits im konzeptionellen Vorfeld bedurft, statt am Ende den Reformweg mit juristischen Hypothesen zu pflastern. Für eine umfassende Verwaltungsmodernisierung ist das kein, wie schon eingangs formuliert, tragfähiges Fundament.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige spezielle fachliche Anmerkungen machen, die selbstverständlich auch politische und rechtliche Aspekte einschließen. Mitunter wird auch in meiner Partei die Auffassung vertreten, die angestrebte Funktionalreform wäre nur mit fünf Kreisen machbar, da die unteren staatlichen Behörden, die im Ergebnis aufgelöst werden sollen, eine Vierer-, Fünfer- oder Sechserstruktur aufwiesen. Landesrechnungshof und Justizministerium haben eindringlich davor gewarnt, eine Kreisgebietsreform mit der vorhandenen Struktur unterer staatlicher Behörden und deren Aufgabenverlagerung zu begründen. Anderenfalls könnte nämlich jede Landesregierung Gefallen daran finden, zwei untere Landesbehörden zu installieren, deren Aufgaben
anschließend zu kommunalisieren und – richtig – zwei Kreise zu bilden. Einer Auffassung, es gehe nur bei fünf Kreisen, liegt möglicherweise auch ein unscharfes Verständnis von Funktionalreform zugrunde,
(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist richtig. – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Beides muss gemacht werden. – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)
denn hierbei kann es sich nicht nur um eine lineare Aufgaben- und Personalverschiebung handeln, da dieses lediglich zum Auswechseln von Türschildern – statt „Staatliches Amt für...“ hieße es künftig „Kreisamt für...“ – führen würde.
Der Sinn einer Funktionalreform aber besteht im Zusammenfügen von Aufgaben und Teilaufgaben, die bisher parallel oder auf unterschiedlichen Ebenen wahrgenommen wurden.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)
Diese Herangehensweise wurde in der IMAG realisiert und es ist interessant festzustellen, zu welchem Arbeitsergebnis man damals kam. Im Bericht der IMAG-Funktionalreform, Landtagsdrucksache 4/1210, hat ein Gros der Aufgaben den Vermerk „strukturunabhängig“ erhalten. Und da war noch von viel mehr Aufgabenübertragung die Rede, als das, was jetzt übrig geblieben ist.
Meine Damen und Herren! Eine Position, es gehe nur bei fünf Kreisen, müsste schließlich konsequenterweise einer Funktionalreform II, das heißt der Aufgabenübertragung von zwölf Landkreisen auf die Vielzahl von 113 Ämtern beziehungsweise amtsfreien Gemeinden, den Boden entziehen. Wir haben in den Ausschussberatungen auch einzelne Aufgabenübertragungen auf deren Sinnhaftigkeit hinterfragt und gegebenenfalls Änderungen vorgenommen – Stichwort: „Untere Bauaufsicht“ oder „Pflanzenschutz und Düngemittelrecht“.
Beim Problem Straßenbauverwaltung aber sind Zeichen und Wunder geschehen. Unsere Fachpolitiker können das sicher noch viel detaillierter und plastischer darstellen. Entgegen den Bewertungen und Ratschlägen zahlreicher externer Sachverständiger haben wir uns entschlossen, einen unzweckmäßigen Weg zu beschreiten. Hintergrund waren Gutachten zu Verfassungsfragen und zur Straßenbauproblematik. Ich komme zurück auf Herrn Professor Bull und damit knüpfe ich an meine Ausführungen von vorhin an. Zusammenfassend hat die Straßenbaudiskussion folgende Erkenntnis befördert: Ein Regionalkreismodell in einem Flächenland wie MecklenburgVorpommern ist verfassungsrechtlich nur begründbar auf der Basis einer höchst unzweckmäßigen Aufgabenneuverteilung. Meine Damen und Herren, auf solchen Fundamenten kann eine ernsthafte Verwaltungsmodernisierung keinen Bestand haben.
Wer die grundlegenden Aufgaben des Straßenbaus erst bereit ist zu übertragen, nachdem sie erledigt sind, der macht sich und anderen etwas vor.