Protocol of the Session on April 5, 2006

System – nicht beantwortet werden. Aber dafür können Sie nichts, das lag am Zeitdruck. Viele Fragen von denjenigen, die wir angehört haben – zum Beispiel Frau Dr. Wilcken hat Fragen gestellt und wir haben in unserer schriftlichen Stellungnahme Fragen gestellt –, sind nicht beantwortet worden. Ich habe gefragt, ob diese jemand beantworten kann. Die Landesregierung hat es jedenfalls nicht getan. Und, Herr Innenminister, wenn Sie öfter da gewesen wären, hätten Sie dies alles hier heute nicht so gesagt.

Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, das muss so sein. Wir müssen jetzt sofort eine Verwaltungsreform machen. Da folgt Ihnen meine ganze Fraktion, mich besonders eingeschlossen. Ich würde mit Ihnen sofort und gern eine Verwaltungsreform durchführen. Wir sind in dem Bereich Funktionalreform I, der leider nicht genügend diskutiert worden ist, denn als wir ein einziges Mal abwesend waren, haben Sie die ganze Funktionalreform I in drei Stunden durchberaten. So viel übrigens zu dem Eingehen auf Sachverständigenanhörungen. Das war dann schon sehr praktisch,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das kennen wir.)

dass die Einzigen, die Fragen stellen, nicht da waren, also auch die Vertreter der kommunalen Landesverbände, die keine Anträge stellen durften, was ich für sehr bedauerlich halte. Aber das ist der alte Streit, den wir hatten. Wir wollten eine Enquetekommission, Sie wollten einen Ausschuss, damit Sie disziplinieren können. Das alles wollten wir nicht.

Meine Damen und Herren, wir haben Anträge gestellt. Ich gebe zu, liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind sehr viele.

(Heinz Müller, SPD: Nö.)

Aber gut, Herr Kollege Müller sagt, das ist gar nicht so schlimm. Es sind, wenn ich es recht im Kopf habe, 19. 9 davon sind Aufnahme von Anträgen, die die kommunalen Landesverbände gestellt haben, das heißt, sie durften das gar nicht, aber sie haben es getan. Und die Anträge, die wir im Ausschuss gestellt hatten, die Sie abgelehnt und bei denen die kommunalen Landesverbände hier kein Antragsrecht haben, haben wir natürlich, weil wir für die kommunale Ebene eintreten, auch so hier gestellt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD)

Und, Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, außer ein paar Landräten, also dem Landkreistag und der „bösen“ – das haben Sie nicht gesagt – Opposition, sind Sie alle dafür. Auch da sage ich, hätten Sie die Protokolle mal gelesen. Es gibt Wortprotokolle darüber, wie viele Anträge, Vorschläge und Vorstellungen der kommunalen Landesverbände es gegeben hat, die überhaupt nicht übernommen wurden, wobei auch die Diskussion nicht stattgefunden hat. Am Schluss unserer Ausschussberatungen, meine Damen und Herren, ging es nur so: Wir haben einen Antrag gestellt, wir durften ihn begründen und dann wurde abgestimmt. Übrigens wenn man solche Begriffe wie „Diktatur von Mehrheit“ benennt, dann darf man eins vielleicht auch sagen: Ich hatte zumindest im letzten Drittel unserer Ausschussberatungen den Eindruck, dass eine Meinung überhaupt nicht mehr gewünscht war,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau so.)

sondern es gab einen unserer Kollegen, Herrn Kollegen Nieszery, der immer gesagt hat, jetzt können wir endlich abstimmen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Wahrscheinlich hatten Sie immer Hunger. Das kann ja sein, ist aber nicht in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Apropos Hunger, wir haben also, da gebe ich Herrn Müller Recht, manchmal unter Bedingungen getagt, die einen auch ärgerlich machen konnten. Trotzdem, Herr Müller, eins werde ich nicht müde, Ihnen zu bestätigen: Sie haben sich sehr viel Mühe gegeben, einen Ausschussbericht zustande zu bringen, und neben mir sitzt hier jemand, nämlich der Chef des Ausschussdienstes, an den ich einen persönlichen Dank richten möchte. Dieser weiß, wie schwierig unsere Verhandlungen waren, er weiß, wie schwierig Formulierungen aufeinander zu bringen waren, was wir hier vor uns liegen haben, und unter welchem Zeitdruck. Wenn auch viele Inhalte uns nicht zusagen, aber eine so saubere Arbeit, eine so fachlich fundierte Arbeit, wie dies das Ausschusssekretariat gebracht hat, das sollte man hier einmal erwähnen, gibt es selten in diesem Umfang und so fehlerfrei.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, wir werden morgen ein ganz anderes Thema auf der Tagesordnung haben und da befassen wir uns mit Demokratie und Toleranz. Ich meine, bei alldem, was wir hier tun, sollten wir immer daran denken: Sind wir denn ein Vorbild für Demokratie und Toleranz? Zur Art und Weise, wie dieses Gesetz zustande gekommen und wie es auch hier von der Landesregierung noch einmal dargestellt worden ist, warum es erforderlich sei und warum es aber trotzdem so viel Zeit habe bis zum Jahr 2009: Wenn wir ganz ehrlich sind, es ist hier gesagt worden, dass die Zeit für personelle Veränderungen noch einmal um ein Jahr hinausgeschoben worden ist. Die ganze „Einspararie“, die wir gehört haben, ist unglaubwürdig, denn wir sind der Auffassung, man kann dieses Gesetz, die Funktionalreform I und II auf jeden Fall bis zum 01.01.2007 umsetzen. Wir brauchen diese Wartephase nicht. Wir können es. Allerdings müssen Sie es tun, weil Sie gewählte Kreistagsmitglieder haben und weil Sie Angst davor haben, dass Sie in Mandate eingreifen. Das ist doch eigentlich der Hintergrund, wenn Sie ganz ehrlich sind. Und das, meine Damen und Herren, ist dann unglaubwürdig. Ich will den bösen Ausdruck nicht gebrauchen. Herr Ministerpräsident, Sie dürfen bitte nur Ihre Falschaussagen nicht dauernd wiederholen.

Es ist nicht so, dass man die Aufgaben nicht auf die bestehenden Landkreise übertragen könnte. Wenn dem so wäre, wie Sie das behaupten, dann wäre die Reform, die Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz, die schon einige Jahre zurückliegt, nicht gegangen. Dort gibt es Kreise in der gleichen Größenordnung wie bei uns. Die Bezirksregierung wurde abgeschafft und die Aufgaben wurden auf die Kreise übertragen. Dort gibt es die Doppelzuständigkeiten längst nicht mehr. Das Gleiche gilt für BadenWürttemberg. Und schauen Sie mal nach Sachsen-Anhalt, was die gemacht haben und wie schnell sie zurande gekommen sind!

Und, meine Damen und Herren, was bringt es Ihnen denn? Sie werden möglicherweise mit einer knappen

Mehrheit dieses Jahrhundertwerk, wie Sie gesagt haben, über die Runden bringen. Aber, meine Damen und Herren, eine einzige Klage, und was ist dann? Es ist doch absolut unvertretbar, was Sie hier treiben. Sie kennen zumindest die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit. Ich sehe da den Justizminister. Wenn er so könnte, wie er wollte, würde er mir wahrscheinlich zustimmen. Ich frage ihn aber besser nicht, sonst bekommt er Ärger.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Er hat seine Fraktion ja schon einmal so schlecht beraten.)

Wenn also fast ohne Ausnahme alle renommierten Verfassungsrechtler sagen, so, wie ihr das hier angeht, mit dieser Begründung und mit diesem Mangel an Alternativuntersuchungen, ist dies verfassungsrechtlich als Mehrfach-Neugliederung nicht zulässig,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warten Sie es doch mal ab! Warten Sie es doch mal ab!)

dann müsste doch mindestens selbst Herr Kollege Nieszery nachdenklich werden, wenn er zuhören würde. Das hindert ihn ja immer am Nachdenken. Er redet immer, bevor er denkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von Ute Schildt, SPD, Dr. Margret Seemann, SPD, und Dr. Ulrich Born, CDU)

Meine Damen und Herren, von Demokratie werden wir morgen sprechen und ich bin sehr froh, dass der Antrag schon von allen drei Fraktionsvorsitzenden unterschrieben ist.

(Rainer Prachtl, CDU: Ja.)

Darüber bin ich wirklich sehr froh, denn ich könnte meiner Fraktion nicht noch einmal erzählen, dass da mehr Demokratie in diesem Lande gewollt ist.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

Meine Damen und Herren, mehr Demokratie heißt bei Ihnen zum Beispiel, dass es weniger Kreistagsmitglieder, etwa die Hälfte, geben wird. Und dann sage ich, es ist ja nicht schlimm, wenn jemand sagt, es kommt nicht auf die Zahl an, es kommt auf die Qualität an.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Ich hoffe, Sie meinen nicht etwa, dass das andere Menschen sein sollten. Aber, Herr Timm, genau das wird es sein. Es werden andere Menschen sein müssen. Sie werden nämlich Kreisparlamente haben und diese werden bestehen aus Menschen, die sehr viel Zeit haben, oder solchen, die sich sehr viel Zeit nehmen können.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Von Funktionären. – Wolfgang Riemann, CDU: Lehrer.)

Ja genau, Herr Kollege Born. Das ist das, was ich auch sagen will. Was heißt das denn wirklich? Diesen Zeitbedarf und diese Unterstützung in Anspruch zu nehmen von den hauptamtlichen Mitarbeitern, die sie jetzt freundlicherweise denen zur Seite stellen. Das heißt, man muss das hauptamtlich machen. Es geht doch gar nicht anders. Das können also Leute tun, die keine Arbeit haben. Das ist schlimm genug, wenn sie keine haben, und es ist richtig, dass diese von den Kommunalparlamenten natürlich nicht ausgeschlossen sind. Das können Rentner sein, das ist

auch in Ordnung. Aber nur ein Rentnerparlament ist vielleicht auch nicht so gut. Leute, die im aktiven Arbeitsleben stehen, können es nicht. Und so wird es neben der Gruppe der Arbeitslosen und der Rentner dann die Gruppe der Abgeordneten und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter oder sonstigen Mitarbeiter geben. Meine Damen und Herren, das ist dann nicht mehr kommunale Selbstverwaltung und nicht mehr Demokratie,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

und deswegen erzählen Sie uns nicht etwas, was so nicht stimmt.

Meine Damen und Herren, wer bei den Anhörungen dabei war, der kann sich sicher noch an eins erinnern: Am Beispiel eines jetzt vorgesehenen Großkreises Mecklenburgische Seenplatte hat ein Kreistagspräsident, nämlich der vom Müritzkreis, einmal die Besetzungsverhältnisse hochgerechnet. Und da ist mir ganz kalt ums Herz geworden, als ich mir das so vorgestellt habe, nämlich mit der Vertretung der Bürger auf Kreisebene. Übrigens ist das nicht so ein dahingesprochener Satz. Das steht als Forderung sowohl in unserer Landesverfassung als auch im Grundgesetz, dass das Volk seine Vertretung in den Kreisen haben muss. Übrigens das zu Herrn Professor Seitz, der gesagt hat, das sind gar keine Gebietskörperschaften und die kann man einfach so abschaffen. Sein ganzes Gutachten atmet ein bisschen diese Lässigkeit mit dem Umgang mit Fakten, insbesondere auch mit dem, was die Verfassung sagt. Aber da hat ein Kreistagspräsident ausgerechnet, wenn wir diese Kreise betrachten, gucken wir uns die Wahlergebnisse in den einzelnen Gebietskörperschaften an, dann würde Folgendes herauskommen: Also das Amt Penzliner Land hat immerhin 7.000 Wahlberechtigte. Auf diese käme kein einziges Kreistagsmitglied, weil dort die Parteien nicht entsprechend vertreten sind. Keiner von den aktuellen Regierungsparteien, also von der SPD und der PDS, würde dort ein einziges Mandat haben. Ich meine, da wäre ich vielleicht nicht so traurig. Aber haben Sie sich das mal überlegt?

(Angelika Peters, SPD: Ja.)

Sind sie nicht auch Bestandteil des Systems der Demokratie der Volksvertretung? Sind ihre Mitglieder dort in den Kreistagen das nicht auch? Und wenn man das so ausrechnet – ich habe es nicht selbst getan, ich beziehe mich auf das Protokoll, deswegen bin ich da etwas vorsichtig, denn ich mag es gar nicht glauben –, eine Stadt wie Malchow, nämlich 6.000 Wahlberechtigte, hätte, immer ausgehend von den Wahlergebnissen, wie sie derzeit vorliegen, überhaupt kein Kreistagsmitglied. Nicht nur, dass keiner von Ihnen dabei wäre, das wäre vielleicht noch zu verschmerzen, aber gar keiner.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Wie sollen denn eigentlich Menschen in diesem Lande uns noch glauben, dass wir mehr Demokratie wollen und mehr Demokratie herbeiführen wollen durch Gesetze? Das sagt der Innenminister, aber das glaubt ihm keiner mehr.

(Zuruf von Beate Mahr, SPD)

Wenn jemand wie er an den Ehrenamtlichen vorbeigeht und den Nacken einzieht –

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

es war kalt zugegebenermaßen, ich habe da eine Stunde gestanden, Herr Innenminister, also es ist bestimmt ein Dienstunfall, wenn ich morgen krank bin –,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Sie haben eben keine Demoerfahrung. Das müssen Sie noch lernen.)

wenigstens ein paar Worte hätten Sie mit denen wechseln können, das muss man auf sich nehmen. Das wäre nett gewesen.

Ich weiß, Frau Borchardt, es mag sein, dass Sie öfter draußen sind. Ich habe nicht so viel Zeit,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ach so.)

das stimmt, das gebe ich zu, meine Damen und Herren.