Protocol of the Session on March 8, 2006

Nun können Sie zu Recht einwenden, dass es bei unserem SOG nicht darum geht, Flugzeuge abzuschießen im Falle einer terroristischen Entführung. Das mag stimmen. Aber auch bei uns geht es in jedem Fall um Menschenwürde und Freiheitsrechte. Und da hat das Gericht unmissverständlich gesagt: Der Mensch darf als Betroffener von Gefahrenabwehr nicht zum reinen Objekt gemacht werden. Und unter diesen Gesichtspunkten sind die Kompetenzen zu prüfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf, gerade wegen ihrer grundsätzlichen Positionen, die sie auf sicherheitspolitischem Gebiet vertritt, nicht leicht gemacht. Es war bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfes unser Bestreben, die von interessierter Seite erwünschten Kompetenzerweiterungen übersichtlich und sinnvoll zu begrenzen, jedenfalls sie nicht ausufern zu lassen. Und dass wir uns als Koalitionsfraktion, Herr Schubert, dabei der Zuarbeit des Innenministeriums bedienen, ist doch völlig normal und nicht zu beklagen. Einige Regelungen im Gesetzentwurf halten wir durchaus für gerechtfertigt und richtig. So ergibt sich als Konsequenz aus dem einschlägigen Bundesverfassungsgerichtsurteil zur weitgehenden Nichtigkeitserklärung des so genannten Großen Lauschangriffs die Änderung unserer Landesregelung.

Auch die Regelungen ergänzenden Charakters zur Durchsetzung des polizeilichen Wegweisungsrechts aus Wohnungen in Paragraf 52 sowie bei polizeilichen Untersuchungen in Paragraf 53 sind aus unserer Sicht gerechtfertigt. Bei der Entnahme von Blutproben und anderen körperlichen Eingriffen haben wir dahingehend Einfluss genommen, dass die Eingriffsvoraussetzungen eingeengt wurden und nicht für jeden Krankheitsverdacht nach dem Bundesseuchengesetz ein Eingriff möglich ist.

Längerer Klärung bedurfte die Ausdehnung der Videoüberwachung. Es war davon auszugehen, dass die bisherige Regelung bereits eine weitgehende Überwachung von allgemein zugänglichen Flächen und Räumen zuließ. Wir hatten und haben dazu eine kritische Sicht, erkennen aber auch an, dass punktuell – insbesondere zur vorbeugenden Überwachung von Objekten – Bildübertragung und Bildaufzeichnung angebracht sein können. Hinsichtlich einer Sinnhaftigkeit für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sind wir dagegen eher skeptisch, was jedenfalls den dauerhaften und massenhaften Einsatz betrifft. Ich denke, dass die Videoüberwachung keine Wunderwaffe ist. Natürlich gibt es das Urteil des VGH Mannheim zur Zulässigkeit der Videoüberwachung in öffentlichen Räumen, das im Begründungstext des Gesetzes zitiert wird. Es gibt aber auch das einschlägige Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes zur Einschränkung, das nicht zitiert wird. Hier wird man wohl auch auf den weiteren Verlauf der Rechtsprechung achten müssen. Die Ausdehnung auf weitere Objekte, Anlagen und so weiter entspricht nach den Terroranschlägen, auf die der Gesetzentwurf bezeichnenderweise verweist, der allgemeinen Tendenz.

Die Videoüberwachung der Polizei zur Eigensicherung ist für uns unproblematisch, zumal eine akzeptable Lösungsvorschrift vorgesehen ist und auch klar ist, dass

an die Aufzeichnungen keine unbefugten Personen herankommen werden. Ich gestehe, dass wir als Fraktion der Linkspartei.PDS in diesem Zusammenhang gerne die Einführung der Kennzeichnungspflicht für Polizisten als Gegengewicht geregelt hätten. Aber ich verrate hier wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es diesbezüglich starke Insidervorbehalte gibt. Die Zeit ist dafür hierzulande wohl noch nicht reif. Ich denke aber, dass sich dieser Gedanke früher oder später durchsetzen wird.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

In Polizeieinsätzen bei Demonstrationen ist die Kennzeichnung beispielsweise durchaus von praktischer Relevanz, Herr Glawe. Sollte man beispielsweise später ein Strafverfahren bekommen, weil man als Demonstrant einen Polizisten geduzt hat, möchte man doch lieber gleich wissen, mit wem man es zu tun hatte.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Haben Sie das vor?)

Vielleicht sollte man diesbezüglich schrittweise vorgehen, in dem wir, sehr geehrter Herr Dr. Jäger, beispielsweise wie in Berlin einen Modellversuch dazu organisieren.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, ja. Solange wie ich da war, gab es das nicht.)

Sehen Sie, vielleicht ist es für Berlin auch gut, dass Sie weg sind.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, eben. Deswegen gibt’s das hier auch nicht!)

Ein schwieriges Kapitel für uns ist die Telekommunikationsüberwachung. Zu unserer negativen Beurteilung des so genannten IMSI-Chatchers will ich mich nicht erneut äußern. Auch vermag ich mich den erneut mit großem Nachdruck vorgetragenen Begründungen, alles sei zur Terroristenabwehr nötig, keineswegs anzuschließen, denn damit ist inzwischen leider fast alles und auch nichts begründbar.

Kurz zur Rasterfahndung bei Kfz, die natürlich eine erhebliche Ausweitung der polizeilichen Kompetenz bedeutet. Wir halten es für legitim, situations- und lagebedingt, zur Bekämpfung von Straftaten von erheblichem Gewicht, das heißt der so genannten Katalogstraftaten, Kfz-Kennzeichen mit dem Fahndungsbestand abzugleichen. Die Befristung dieses Mittels ist angebracht, eine Beschränkung auf zwei statt fünf Jahre wie in SchleswigHolstein für die Erprobung erschien uns jedoch sinnvoller.

Insgesamt ist die abschließende Regelung nach Paragraf 116 zu begrüßen, wonach die neuen Bestimmungen zur Videoüberwachung, zur Telekommunikationsüberwachung sowie auch zur Rasterfahndung in der Gültigkeit auf fünf Jahre begrenzt sind. Das ist aus meiner Sicht eine durchaus vernünftige Regelung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion. Da steht als erster Satz eine Formulierung wie ein Säbelhieb: „Im Jahr 2007 findet in Mecklenburg-Vorpommern der G8-Weltwirtschaftsgipfel statt.“ Was für eine tolle Erkenntnis!

(Heiterkeit bei Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)

Hoffentlich wird die CDU nun nicht zu jedem Treffen, das irgendwo stattfindet, zu dem es möglicherweise auch Gegentreffen und -aktivitäten gibt, das SOG verschärfen. Verwunderlich ist auch, dass sie erst bis zum voraussicht

lichen G8-Treffen gewartet haben, um eine SOG-Novelle vorzulegen, wo sie doch sonst den Vorreiter für Recht und Ordnung spielen wollen. Für eine effektive Arbeit der Oppositionsfraktion spricht das nicht gerade, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Die Anträge liegen seit fünf Jahren vor, Herr Ritter. Die haben Sie abgelehnt. Sie haben ein schlechtes Kurzzeit- gedächnis! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Dass nach Ihrer Auffassung, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, die Rasterfahndung und verdachtsunabhängige Personenkontrollen nicht ausreichend geregelt sind, so steht es im Antrag, verwundert mich überhaupt nicht. Man fragt sich, wann denn wohl für Sie überhaupt etwas ausreichend geregelt sein wird.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das wird sich am Wochenende ja zeigen, wer mächtiger ist! – Heiterkeit und Zuruf von Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)

Dass das Landesverfassungsgericht für die Schleierfahndung Grenzen gesetzt hat, wissen Sie natürlich, nur schieben Sie das einfach beiseite, indem Sie sozusagen den Greifswalder Richtern förmlich die Worte im Mund herumdrehen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nö, nö!)

Denn das Landesverfassungsgericht hat die Schleierfahndung nach dem damaligen Paragrafen 29 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 für null und nichtig erklärt

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein, das stimmt nicht!)

bei Durchgangsstraßen außerhalb des Grenzgebietes bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und hat auch die Kontrolle von Personen im Grenzgebiet auf eine reine Identitätsfeststellung durch das Vorzeigen von Ausweispapieren beziehungsweise Angaben zur Identität beschränkt.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Mehr geht nun einmal nicht und daran kommen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, nicht vorbei, obwohl Sie alles viel großzügiger fassen und dies als Präzisierung der Eingriffsschwellen ausgeben.

Es heißt in der Begründung des Urteils, ich zitiere: „Der Freiheitsanspruch des Einzelnen verlangt, daß er von polizeilichen Maßnahmen verschont bleibt,“

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

„die nicht durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm und einer Gefährdung eines zu schützenden Rechtsguts oder eine entsprechende Gefahrennähe legitimiert sind.“ Für den Fall einer möglichen Neuregelung, sagt das Gericht weiter, ist die Identitätsfeststellung nur dann zulässig, „wenn der verfassungsrechtlich notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen dem Einzelnen und der abzuwendenden (möglichen) Schädigung besteht.“ Und genau diesem Gesichtspunkt trägt Ihr Vorschlag, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, eben nicht Rechnung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau das ist doch der Wortlaut. Den müssen Sie mal genau lesen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss jetzt gewiss nicht im Einzelnen alles aufnehmen, was in

den recht dürftigen Begründungen des Gesetzentwurfes der CDU-Fraktion steht. Aber ich halte es für eine dreiste Unverfrorenheit, wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, eine Ausweitung der Schleierfahndung und Rasterfahndung fordern, um – wie Sie es sagen – die Bevölkerung und die Teilnehmer des Gipfels gegen Bedrohungen durch Globalisierungsgegner und Terroristen zu schützen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, natürlich.)

Ich kann Sie nur auffordern, von solch unverantwortlichen Schablonen und Feindbildern Abschied zu nehmen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, Sie werden das sehen, Herr Ritter!)

Ich bitte Sie vor allen Dingen eines zur Kenntnis zu nehmen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wo leben Sie eigentlich?)

und zwar, dass Globalisierungskritiker keine Terroristen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Es geht nur um die Gefahr von Rechts, Herr Ritter. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nur um die Gefahr von Rechts.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der G8Gipfel stattfindet, dann ist es sicher,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben offenbar die Bilder nicht gesehen!)

dass es Gegenveranstaltungen und selbstverständlich auch Demonstrationen geben wird.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, natürlich.)

Es gibt genügend Anlass dazu, gegen die Anmaßung der selbsternannten Weltregierung auch Widerstand auf der Straße zu leisten.

Im Übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich der Meinung, dass wir hier im Landtag die Fragen des G8-Gipfels und dessen Auswirkungen auf unser Land schon längst hätten thematisieren sollen. Leider sind diesbezügliche Aktivitäten meiner Fraktion bisher nicht auf fruchtbaren Boden gefallen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Der Kollege Caffier von der CDU-Fraktion meinte, uns in diesem Zusammenhang einmal wieder in die Ecke der Rechtsextremen stellen zu müssen.