Protocol of the Session on January 26, 2006

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Der Präsident hat doch gar nichts gesagt.)

das ist sogar in einer Presseerklärung des Ministers nachzulesen: „Wir dürfen bei all unseren Bemühungen um möglichst perfekte gesetzliche Regelungen nicht dem Irrglauben unterliegen, die Gefährdung unserer Kinder lasse sich durch Gesetz abschaffen, das Beschreiben von Papier könne unsere Sicherheit verbessern. Worauf es wirklich ankommt, das ist, Fehler bei der Anwendung der Gesetze zu vermeiden.“

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Genau darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Und der Minister sagte dann weiter, ich will das ganze Zitat hier nicht wiederholen: „Wer den Schutz der Bevölkerung wirklich verbessern will, muss hier ansetzen. Wir brauchen mehr Gutachter und Behandler. Wir brauchen hervorragend ausgebildete Gutachter und Therapeuten. Der beste Schutz besteht darin, dass es uns gelingt, zuverlässig diejenigen herauszufinden, die therapieresistent sind, bei denen wir nicht das Risiko eingehen dürfen, sie jemals wieder herauszulassen.“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heike Polzin, SPD: Völlig richtig. – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Sehr richtig, Herr Justizminister Sellering.

(Heike Polzin, SPD: Das sehen wir auch so. – Dr. Armin Jäger, CDU: Dann muss man auch so handeln.)

Und deshalb muss man Sie schon fragen,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Jetzt können Sie aufhören zu reden, wir haben alles gehört.)

warum Sie dann ausgerechnet, wenn es darum geht, hier genau zu prüfen, hat es Versäumnisse gegeben, mit einer Bundesratsinitiative kommen, die Sie ja längst hät

ten einbringen können, von der Sie genau wissen, dass sie gar nicht umsetzbar ist, so, wie Sie sie vorgelegt haben, weil Ihre eigene Bundesjustizministerin, die ja von Ihrer Partei gestellt wird, Ihnen sagt, das geht so alles nicht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

Also, Herr Minister, das ist das Gegenteil von Sachaufklärung, sondern das ist der Versuch, hier wieder mit Gesetzesvorschlägen davon abzulenken, dass wir Klärungsbedarf haben. Und ich sage es noch einmal ganz deutlich: Es geht hier überhaupt nicht um Vorwürfe gegenüber einzelnen Bediensteten, gegenüber einzelnen Staatsanwälten. Es interessiert uns auch herzlich wenig Herr Minister Sellering in diesem Zusammenhang.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das kam aber bei Herrn Ankermann anders rüber.)

Was uns aber interessiert, das ist, ob unser Minister sich wirklich darum kümmert, dass Versäumnisse aufgedeckt werden und die Konsequenzen gezogen werden. Und da er es nicht in ausreichendem Maße tut, brauchen wir den Untersuchungsausschuss, um ihn genau dabei zu unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Von hinten durch die Brust ins Auge!)

Ich zitiere noch einmal aus dem Urteil von 1998. Dort wird eine Sozialtherapie für dringend angeraten erachtet. 1998! Sie behaupten, es sei in den ständigen Vollzugskonferenzen gesagt worden, es ist zweifelhaft, ob er überhaupt therapierbar ist. Die Sachverständige, die 130 Seiten vorgelegt hat im März 2005, die sagt, es ist im Gegenteil immer wieder darauf hingewiesen worden. Ich zitiere: „Aus der Vollzugsplanung geht beständig hervor, dass Herr S. therapeutischer Maßnahmen bedürfe, Behandlung angezeigt sei, wie es auch in dem Gutachten zur Hauptverhandlung und vom Psychologischen Dienst der JVA festgestellt worden sei.“

Das sind doch Widersprüche, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das muss geklärt werden, damit die Konsequenzen gezogen werden können, damit man mit einem solchen Täter so umgeht, dass entweder alle therapeutischen Maßnahmen ausgeschöpft werden oder aber, wenn man im Nachhinein – und das ist ja jetzt Ihre neue Lesart interessanterweise – zu dem Ergebnis kommt, entgegen der Annahme des Gerichts hat sich herausgestellt während der Therapie, weswegen auch immer, weil man erst fünfeinhalb Jahre zu spät angefangen hat oder weil es von Anfang an gar nicht anders war, der ist nicht therapierbar. Wenn man das feststellt, muss man sich doch fragen, wie geht die Staatsanwaltschaft damit um. Dann ist das eine neue Tatsache im Sinne der BGH-Rechtsprechung und dann muss das geprüft werden!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, genau. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie wissen doch ganz genau, dass es nicht so ist.)

Herr Minister, es ist ein Landgericht dieses Landes Mecklenburg-Vorpommern,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

das nicht zu irgendeinem Fall entschieden hat, sondern zu diesem Fall gesagt hat, aus nicht nachvollziehbaren

Gründen ist das Urteil nicht realisiert worden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen! Das wird uns im Jahre 2003 vom Landgericht Rostock bescheinigt. Aufgrund der fehlenden Straftataufarbeitung, welche der Täter im Übrigen selbst einräume, könne im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit eine vorzeitige Entlassung nicht befürwortet werden.

Und ich sage es Ihnen noch einmal: Wie kommt ein Landgericht dazu, Folgendes festzustellen? Ich zitiere: „Die Kammer verkenne dabei nicht, dass die fehlende Straftataufarbeitung dem Umstand geschuldet sei, dass seitens der Anstalt keine geeigneten Maßnahmen mit Herrn S. durchgeführt worden seien.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind gravierende Feststellungen und denen müssen wir auf den Grund gehen. Offensichtlich sind unsere sozialtherapeutischen Möglichkeiten so begrenzt, dass nicht das umgesetzt werden kann, was im Jahre 1998 in dem Urteil für erforderlich angesehen worden war.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ja unglaublich!)

Wenn sich aber nach Ihrer Lesart das jetzt anders herausstellt – und Sie sagen selbst, wenn wir das alles gemacht hätten, Sie selbst haben uns gesagt, neun Monate fehlten noch, zwei Jahre hätten wir ihn therapieren müssen, aber er wurde freigelassen zu einem Zeitpunkt, als nur fünfzehn Monate Therapie überhaupt stattgefunden hatten, und das sind nach Adam Riese neun Monate –,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

frage ich Sie, wenn einer sieben Jahre einsitzt, dann muss es doch wohl möglich sein, bei sieben minus zwei auf die Zahl fünf zu kommen. Das ist dann der allerallerletzte Zeitpunkt, wo man beginnen muss, nach Ihren eigenen Ausführungen im Rechtsausschuss. Stattdessen stellen wir fest, fünfeinhalb Jahre lang ist trotz dieser eindeutigen Feststellung im Urteil nichts passiert, was man wirklich mit Sozialtherapie bezeichnen kann.

Also entweder haben wir hier grobe Versäumnisse bei der Sozialtherapie, dann müssen wir uns darum kümmern, ob wir das besser personell ausstatten können, und dann müssen Sie uns mal darlegen, wie die finanzielle Ausstattung da aussieht und ob Sie genügend Personal haben für die Sozialtherapie. Oder Sie kommen zu dem Ergebnis, was Sie in dem Vortrag so schön gesagt haben, wenn sich also herausstellt, hier ist jemand nicht therapierbar, dann hilft es nicht, jetzt irgendwelche Gesetzesvorschläge zu machen, sondern dann muss ich das Gesetz, das gilt, konsequent anwenden und das heißt, ich muss den Antrag stellen auf nachträgliche Sicherungsverwahrung.

Und wenn Sie eben versucht haben, hier darzustellen, die Parallelen seien nicht da in dem BGH-Fall, es ist genau das Gegenteil der Fall. Wenn Sie genauer gucken nach den Vortaten, nach dem, was während der Haft passiert ist, dann können Sie sehen, dass diese Parallelen nicht nur da sind, sondern dass hier aller Anlass bestanden hätte, den Antrag zu stellen, zumal das Landgericht München sein Urteil im Mai 2005 gefällt hat und unser Landgericht im Juli 2005. Da können Sie auch nicht sagen, das konnte man ja alles nicht erkennen. Nein, Sie haben uns von Anfang an immer gesagt, es ist einfach so und es konnte kein Antrag gestellt werden. Herr Minister, eins ist doch völlig klar, wenn Sie sagen – und das nehme ich

Ihnen ja auch ab –, es muss alles getan werden, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann, dann können Sie auf der anderen Seite doch nicht sagen, es ist alles so gelaufen, wie es laufen musste, denn dann ist die Konsequenz, dann können wir nichts ändern. Und Sie sagen es selbst, ein Fall darf sich nicht wiederholen können wie der Fall Carolin. Deshalb müssen wir daran arbeiten, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich das nicht wiederholen kann, und dann dürfen wir nicht an irgendwelchen Gesetzesvorschriften jetzt rumbasteln, sondern müssen uns um unseren eigenen Strafvollzug kümmern,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Das ist nicht zu fassen!)

um die Sozialtherapie und darum, dass ein Antrag wirklich geprüft wird und nicht eine Woche – ich sage es anders, damit es nicht emotional belastet ist –,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Was Sie hier machen, Herr Dr. Born, das ist nicht zu fassen!)

nicht vierzehn Tage nach der Haftentlassung ein handschriftlicher Vermerk, aus zwei Sätzen bestehend, auf Anforderung des Generalstaatsanwalts gefertigt wird, in dem nur drinsteht, Antrag wurde nicht gestellt, weil die Voraussetzungen nicht vorlagen. Das ist keine hinreichende Prüfung, Herr Minister, und daran wollen wir gemeinsam arbeiten in dem Untersuchungsausschuss,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

daran wollen wir arbeiten, dass das in Zukunft sorgfältig passiert. Und es reicht nicht aus, dass Sie sich einen Gutachter in den Rechtsausschuss bestellen, der nun zweimal mit der Sache befasst war. Sie wissen selbst, nach dem Gesetz,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Aber Sie hätten doch auch welche benennen können.)

meine sehr verehrten Damen und Herren, muss, wenn ein Antrag der Staatsanwaltschaft gestellt wird, das Gericht zwei externe Gutachter beauftragen, die bisher noch gar nicht mit der Sache befasst waren, aus gutem Grund.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Der Kollege Ankermann hat es sehr deutlich dargestellt: Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann sehr sorgfältig selbstständig prüfen. Herr Minister, es ist kein Vorwurf, aber Sie sind nun mal in dieser Sache nicht gerade der objektivste Ratgeber, wenn es darum geht, welche Akten wir uns ansehen sollten, welche Gutachten wir lesen sollten. Das überlassen Sie bitte frei gewählten Abgeordneten selbst, das zu entscheiden. Wir werden im Ausschuss die Sachverständigen laden und die Zeugen laden aus Ihrem eigenen Geschäftsbereich, bei dem Sie gesagt haben, das entscheide ich selbst, ob ich die zur Verfügung stelle, und ich komme einem entsprechenden Antrag nicht nach. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe noch mal um

das Wort gebeten, weil ich glaube, dass es hier ein paar Klarstellungen geben muss.

Wir haben am 08.12. und in Vorbereitung dieser Runde im Obleutegespräch den Fahrplan für die Rechtsausschusssitzungen besprochen. Da war auch der Obmann der CDU-Fraktion mit dabei.

(Volker Schlotmann, SPD: Guck an!)

Es war unser gemeinsames Ziel, gemeinsam zu versuchen, den Untersuchungsausschuss nicht zustande kommen lassen zu müssen.