Frau Borchardt, eins vorab: Die CDU zieht nicht in den Kampf. Die CDU-Fraktion stellt einen Antrag auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, obwohl heute schon ein Ergebnis unverrücklich feststeht.
Alle Bemühungen, die wir in den nächsten Wochen und Monaten unternehmen werden, können nicht dazu führen, ein sinnloses und abscheuliches Verbrechen rückgängig zu machen und Carolin ihrer Familie, ihren Angehörigen und ihren Freunden zurückzugeben. Deshalb gilt auch heute meine und unsere besondere Anteilnahme den Menschen, die mit diesem Verlust zukünftig leben müssen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, so sinnlos das Verbrechen war, tragen wir heute und hier nicht alle eine ganz besondere Verantwortung, nicht etwa dem Verbrechen, wohl aber vielleicht dem Tod Carolins so etwas wie einen Sinn zu geben? Natürlich werden wir solche und ähnliche Verbrechen nie ganz verhindern können, aber wäre nicht schon die zukünftige Verhinderung eines einzigen ähnlichen Verbrechens ein unsäglicher Erfolg?
Ist ein solches Ziel, selbst dann, wenn man es wahrscheinlich nie erfahren kann, dass man es erreicht hat, nicht auch dann alle Anstrengungen über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg wert, wenn man neun Monate vor der Wahl steht? Ich meine, alle Abgeordneten haben die Pflicht, so bis zum Ende der Wahlperiode intensiv zu arbeiten, wie der Einhundertmeterläufer bis zum Ziel durchzieht und nicht schon kurz vorher abbricht und auf halbe Kraft schaltet.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Es geht doch nicht darum, dass wir hier nicht arbeiten wollen.)
ich sage Ihnen, es ist jede Anstrengung wert, jede Stunde, jede Diskussion, jede Debatte, wenn wir damit erreichen können, auch nur ein einziges Menschenleben zu retten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Ja, Debatten ja, aber nicht diese Unterstellungen! – Rainer Prachtl, CDU: Sie haben ausreden verlangt, wir haben Sie auch ausreden lassen bei diesem ernsten Thema! – Zurufe von einzelnen Abgeordneten der SPD)
Zu Recht haben Sie vorhin darauf hingewiesen, dass es bei diesem Thema um ein sehr ernstes Thema geht, Herr Schlotmann, und Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Klamauk an dieser Stelle nicht angebracht ist. Ich weise auch von dieser Stelle noch einmal darauf hin.
(Volker Schlotmann, SPD: Ja, dann halten Sie sich doch dran! – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, Heike Polzin, SPD, Lorenz Caffier, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)
Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde bitte ich Sie, Vokabeln wie „Wahlkampfgetöse“, „Hickhack“, „parteipolitische Auseinandersetzung“ oder „Kampfmittel“ einzustellen und mitzuhelfen, aufzuklären, aufzudecken, um danach zu entscheiden, was man besser machen kann und was man besser machen muss.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das wollen wir doch alle.)
Es geht nämlich mitnichten darum, den Ermittlungsbehörden allgemein oder einzelnen Beamten individuell Versagen vorzuwerfen, um sie an den Pranger zu stellen, und auch nicht darum, die Justiz insgesamt zu diffamieren.
Und wenn jemand behauptet, die Union wolle nun den Gerichten, den Staatsanwaltschaften oder einzelnen Staatsanwälten den Garaus machen oder ans Leder, versucht der doch nur, von eigener Verantwortung abzulenken, sich zu drücken und Verbündete zu gewinnen, aber der Sache selbst nützt er nichts, er schadet ihr vielmehr.
Wer allerdings etwas verbessern will, und das ist unser Ziel, der muss wissen und der muss aufklären, der muss alles und rückhaltlos wissen. Wer nichts weiß, kann auch nichts verändern. Deshalb brauchen wir diesen Untersuchungsausschuss, der systematisch, unverzüglich und umfassend aufklärt. Natürlich sehen wir, dass die Koalition eine Anhörung im Rechtsausschuss durchführt.
Und selbst wenn ich diese Anhörung wohlwollend betrachte und nicht sage, dass die Fragestellung verkürzt
ist, und nicht sage, dass durch doppelte Anhörungen doppelte Kosten entstehen, und nicht sage, dass der Eindruck entsteht, als würde der Patient sich selbst untersuchen, und auch nicht sage, dass damit der Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses lediglich die Argumente genommen werden sollen,
(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Über dessen Kosten wir hier lieber nicht reden, Herr Ankermann. – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Heike Polzin, SPD)
selbst wenn ich dieses alles nicht unterstelle, bleiben doch zumindest zwei Argumente, an denen auch diejenigen nicht vorbeikommen, die nach der von SPD und PDS beschlossenen Anhörung gern auf den Untersuchungsausschuss verzichten wollen:
Erstens kann in der Anhörung die anzuhörende Person eben nur angehört werden. Der Untersuchungsausschuss dagegen geht nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung vor, das heißt, er vernimmt Zeugen, sachverständige Zeugen und Sachverständige. Und jeder, der schon einmal einer Hauptverhandlung in einem Strafprozess beigewohnt hat, weiß, was ich meine.
(Reinhard Dankert, SPD: Es gibt einen Unterschied zwischen beiden. – Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)
Zeugen werden, nicht weil man ihnen misstraut, sondern weil das Gesetz es vorschreibt, darüber belehrt, dass sie die Wahrheit zu sagen haben
So weit die Belehrung eines jeden Zeugen, Frau Kollegin Polzin, in einem Strafprozess. Ich wiederhole es noch einmal: nicht, weil der Richter meint, der Zeuge würde a priori die Unwahrheit sagen, sondern weil das Gesetz es vorschreibt. Selbst jeder Laie erkennt hier – hoffentlich auch jeder Laie – einen gewaltigen Unterschied: auf der einen Seite unverbindliche Aussagen, auf der anderen Seite die gesetzlich strafbewährte Pflicht zu Wahrheit, Genauigkeit und Wahrhaftigkeit.
Zweitens geht es um das Fragerecht der Abgeordneten. Auf Fragen muss man sich vorbereiten und vorbereiten können. Zur Vorbereitung benötigt man Unterlagen und Akten, die man einem genauen Studium unterziehen muss. Glaubt hier irgendjemand in diesem Hohen Hause, dass es auch nur einen Rechtsanwalt, einen Staatsanwalt oder einen Richter gäbe, der in eine Zeugenvernehmung eintreten würde, ohne sich vorher intensiv mit den Akten auseinander gesetzt zu haben? Sicher wohl nicht. Und wohl deshalb bekommen die von SPD und PDS benannten Anzuhörenden diese Unterlagen in Kopie ausgehändigt. Nur die Abgeordneten werden ungleich behandelt und schlechter gestellt. Sie dürfen nur in den Räumen des Justizministeriums in einige Akten einsehen. Sie dürfen
Stellen Sie sich bitte vor: Knapp 200 Schreibmaschinenseiten mit Urteilen und Gutachten und in diese Unterlagen dürfen Sie an einem Nachmittag im Winter einsehen, um dann in einen sachverständigen Dialog zu treten. Meine Damen und Herren, würde vor einem deutschen Gericht so verfahren werden, der Bundesgerichtshof würde jedes Urteil wegen Verstoßes gegen das Gebot eines fairen Verfahrens aufheben.
Ich behaupte, der Justizminister weiß genau, dass er damit gegen den Grundsatz des fair-trail verstößt.
In diesem Zusammenhang möchte ich eines hier auch noch erwähnen, es ist von einem meiner Vorredner angesprochen worden. Wir hatten eine Rechtsausschusssitzung am 4. Januar, sicherlich. Aber dass wir dort die Möglichkeit hatten, alle Fragen zu stellen und auch alle Fragen in der Tragweite beantwortet zu bekommen, wie es aus unserer Sicht möglich gewesen wäre, das war doch nicht der Fall.
(Siegfried Friese, SPD: Doch, das war der Fall. Herr Ankermann, nun bleiben Sie mal fair, die Gelegenheit hatten Sie. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)