Protocol of the Session on January 26, 2006

Danke schön, Herr Mohr.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt von der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als rechtspolitische Sprecherin habe ich die schwierige Aufgabe übernommen, in dieser Debatte für meine Fraktion zu sprechen, schwierig deshalb, weil wohl alle hier in diesem Haus den Tod von Carolin zutiefst bedauern, niemand von uns den Schmerz der Eltern erahnen kann. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle den Hinterbliebenen unser tiefstes Beileid auszusprechen. Schwierig ist es auch deshalb, weil wir alle wissen, dass die durch die öffentliche Debatte geschürten Hoffnungen und Erwartungen in Bezug auf die Verhinderung solcher Taten nicht erfüllt werden können.

Nun möchte die CDU heute mit diesem Antrag einen Untersuchungsausschuss einsetzen lassen, der diesbezüglich konkrete Sachverhalte im Justizministerium klären soll. Das ist ihr gutes Recht, das wohl niemand in diesem Haus der Opposition absprechen will. Und so sollten wir von vornherein von der Versuchung Abstand nehmen, hier und heute eine Polemik über Sinn und Unsinn des CDUUnternehmens vom Zaune zu brechen. Selbstverständlich habe ich großes Verständnis für das Interesse der Hinterbliebenen an einer lückenlosen Aufklärung aller Tatbestände,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Der Minister offenbar nicht.)

an der Beantwortung konkreter Fragen immer im Hinblick darauf, ob denn ihr Kind noch hätte leben können. Dennoch ist mir die Art und Weise, wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU, diesen Fall politisch instrumentalisieren, völlig zuwider.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Ilka Lochner-Borst, CDU)

Ich finde dieses Szenarium und Ihre Vorgehensweise makaber und unaufrichtig.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja!)

Makaber ist es, weil es vor allem dem Andenken des Opfers nicht gerecht wird und gleichzeitig der Eindruck in der Öffentlichkeit vermittelt wird, die Justiz und insbesondere die Staatsanwaltschaft sowie der Justizminister hätten etwas zu verbergen und wollten die Wahrheit unterdrücken. Und unaufrichtig ist Ihre Vorgehensweise deshalb, meine Damen und Herren von der CDU, weil Sie im Rahmen eines kurzen Zeitabschnittes tatsächlich Möglichkeiten hatten, sich umfassend zu informieren, und diese Information auch nicht abgeschnitten wurde.

Ich habe als Mitglied im Rechtsausschuss alle diesbezüglichen Beratungen einschließlich der konkreten Vorbereitungsgespräche persönlich miterlebt, habe mit darum gestritten, dass die entsprechenden Absprachen eingehalten und alle zur Verfügung stehenden Unterlagen unter Beachtung des Datenschutzes vorgelegt sowie Ihre Rechte als Opposition nicht beschnitten werden. Trotz anderer wichtiger Termine haben wir eine Sondersitzung durchge

führt. Selbstverständlich bestand und besteht die Möglichkeit, sich für eine kompetente und begründete Würdigung des Mordfalls von Spezialisten beraten zu lassen. Wir haben im Rechtsausschuss zwei konkrete Anhörungen beschlossen, an der Sie leider nicht teilnehmen, sich sozusagen verweigern. Gleichzeitig vermitteln Sie ein Bild nach draußen, dass Sie an einer schnellstmöglichen Aufklärung des Sachverhaltes interessiert sind.

Uns allen war doch bereits schon vor dem 04.01.2006 ganz klar, dass wir mit dieser Beratung nicht alle Fragen abschließend beantworten können. Und nebenbei gesagt: Sie hatten während dieser Beratung keine neuen Fragen. Mir war klar, dass weitere Termine folgen müssen, aber Sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als diese Anhörung wie alles andere, was Ihnen angeboten wurde, abzulehnen beziehungsweise als nicht ausreichend zu bezeichnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Unsere gemeinsamen Bemühungen, diesen Untersuchungsausschuss zu verhindern, waren von Beginn an zum Scheitern verurteilt, weil Sie eigentlich eine vorgefasste Meinung hatten. Der Justizminister und Heere von Staatsanwälten und Experten hätten Ihnen sagen können, was immer sie wollen, man hätte Ihnen Aktenberge auftischen können, so viel man wollte, es hätte Sie alles nicht beeindruckt und es wäre von Ihnen angefochten worden.

(Ute Schildt, SPD, und Volker Schlotmann, SPD: So ist es.)

Der Untersuchungsausschuss war offenbar beschlossen, und zwar ganz und gar unabhängig von der Sachlage und auch davon, ob es etwas zu untersuchen gibt oder nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, hat sich die Fraktion der Linkspartei.PDS so gut wie gar nicht oder nur sehr zurückhaltend zu dem Mordfall und dem Strafprozess geäußert, denn wir gehen davon aus, dass derartig schreckliche Taten von der Justiz ermittelt und bestraft werden. Gleichzeitig haben wir aber auch eine gemeinsame Verantwortung zu tragen. Wenn es Versäumnisse oder schuldhaftes Verhalten in diesem Fall geben sollte – und ich gehe nach wie vor davon aus, dass ich sie nicht sehe und es sie auch nicht gibt –, dann gilt es, sie aufzuklären. Gleichzeitig möchte ich dafür werben, in keiner Weise den Eindruck zu vermitteln, dass durch Strafverschärfung solche Taten zu verhindern seien. Unser Rechtsstaat setzt diesbezüglich Grenzen, die wir auch immer und ganz bewusst im Auge haben sollten.

(Beifall bei SPD und Linkspartei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle ein paar Bemerkungen zu dem vorliegenden Einsetzungsantrag. In Vorbereitung auf die heutige Sitzung hatten wir auf ein paar inhaltliche Fragen und Probleme aufmerksam gemacht. Einige finden wir im Änderungsantrag wieder, einige wurden nicht berücksichtigt, auf die ich noch einmal aufmerksam machen möchte. Das betrifft zum Beispiel die recht offene Formulierung zu Punkt 1, wonach alle im Zusammenhang mit der Verurteilung stehenden Sachverhalte zu untersuchen wären, und mit dem Wort „insbesondere“ in der Beschlussphase wird

ebenfalls der Gegenstand inhaltlich ziemlich offen gelassen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Dann steht aus meiner Sicht der Auftrag zur Untersuchung der Einrichtung der sozialtherapeutischen Anstalt in Ziffer 1.1 Buchstabe g nur sehr vermittelt im Zusammenhang mit dem Geschehen und dem Gerichtsprozess. Schließlich ist auch fragwürdig, ob es möglich ist, ein früheres Verfahren gegen den Täter heranzuziehen, in dem er freigesprochen wurde.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben wir auch nicht behauptet. Das haben wir überhaupt nicht behauptet.)

Unterm Strich kann man, wenn man will, die gestellten Fragen auch ohne Untersuchungsausschuss klären. Sei es, wie es sei, Sie haben sich für diesen Weg entschieden.

Meine Damen und Herren, mir persönlich ist in der gesamten Phase des Versuchs der Aufklärung eines ganz deutlich geworden: Es gibt, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht, eindeutige Unterschiede in der rechtlichen Würdigung in Bezug auf die nachträgliche Sicherheitsverwahrung und das werden wir wohl auch im Untersuchungsausschuss nicht heilen können. Das kann und wird er nicht leisten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Darüber hinaus wissen auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, dass der Untersuchungsausschuss ein Kampfmittel der Opposition gegen die Regierung ist. Nur, meine Damen und Herren, es sollte beileibe nicht jedes Mittel dazu recht sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Und ich meine das vor allem, wenn ich an verschiedene Presseerklärungen von Mitgliedern der CDU-Fraktion denke, die bereits wesentliche Bewertungen zu Tatsachen treffen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist zu gefährlich.)

die man bislang nicht mal zur Kenntnis genommen hat beziehungsweise die man bewusst nicht zur Kenntnis nehmen will.

Aber auch hier wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen: Gegen bewusst gepflegte Vorurteile ist jeder Untersuchungsausschuss machtlos. Dies betrifft beileibe nicht nur juristische Auslegungen, Bewertungen, die man freilich unterschiedlich sehen kann. Ich meine einige sehr vorschnelle und forsche Kommentare, wenn beispielsweise schon im November behauptet wurde, es seien nicht alle Mittel ausgeschöpft worden und es hätten womöglich alle Voraussetzungen für eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung bestanden, nur man hätte eben nicht geprüft. Schließlich aber, und das ist es wohl, worum es der CDU geht: „Man müsse prüfen, ob der Minister seinen Laden noch richtig im Griff hätte“, Zitat aus der Presse. Man will – das ist die Quintessenz – dem Minister ans Leder. Es ist in diesem Zusammenhang erschreckend, wenn man Presseerklärungen liest, in denen man sich ein Urteil anmaßt, ob die konkreten sozialtherapeutischen Schritte geeignet wären. Die entsprechende unsachliche

Behauptung möchte ich hier nicht wiederholen. Auch in Hinsicht auf derartige lediglich für die öffentliche Meinung gedachte Bewertungen und Urteile steht der Untersuchungsausschuss gegenüber hilflos. Diese Prophezeiung wage ich. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der CDU, nur: Wenn Sie schon in den Kampf ziehen, dann seien Sie fair, indem Sie beispielsweise richtig zitieren, niemandem das Wort im Munde herumdrehen und schließlich auch fleißig an der Arbeit im Untersuchungsausschuss teilnehmen!

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Ilka Lochner-Borst, CDU: Wir?! Wir?! – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Ohne Zweifel, es ist zulässig, auch zu ganz konkreten einzelnen Sachverhalten einen Untersuchungsausschuss zu beantragen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das schauen wir dann mal!)

Das vorausgesetzt ist aber der Antrag dennoch von der inhaltlichen Substanz her reichlich dünn, meine Damen und Herren.

(Unruhe bei Dr. Armin Jäger, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Es sind sage und schreibe ganze zwei Sachverhalte gefunden worden, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben, die aber trotzdem miteinander verkettet werden und zusammen untersucht werden sollen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Na klar!)

Und warum? Um den gegen den Justizminister erhobenen Verdacht zu belegen, dass er seinen Laden nicht im Griff hätte.

Der zweite nach Auffassung der CDU zu untersuchende Sachverhalt, meine Damen und Herren, gibt uns noch weniger. Gewiss ist die Verurteilung eines Staatsanwaltes wegen Rechtsbeugung und Dienstvergehen, auch die Tatsache, dass entsprechende Dinge in der Staatsanwaltschaft vorgehen, ohne dass der Behördenchef etwas erahnt, wie man so sagt, ein starkes Stück. Aber ich frage mich dennoch: Was soll hier der Untersuchungsausschuss noch bewirken? Der Justizminister hat im Rechtsund Europaausschuss bereits willigst Frage und Antwort gestanden. Was fehlt denn noch an Tatsachen? Und das Verfahren ist doch wohl im Übrigen noch nicht einmal zu Ende. Ich habe die Überzeugung gewonnen, dass diese Vorfälle erledigt werden beziehungsweise worden sind, indem ganz einfach die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt. Und was Herrn Moser, den ahnungslosen Chef, betrifft, habe ich über den aus eigener Erfahrung eine bestimmte Auffassung gewonnen, wo dieser doch in anderen Verfahren immer forsch, nachhaltig und wachsam war. Lassen wir ihn ziehen, denn er hat schließlich dienstlich ein paar Federn gelassen. Und glauben Sie mir, auch ich bin stinksauer über diesen Vorfall.

Dennoch: Unterm Strich werden wir auch hier an den Tatsachen nichts ändern können, entsprechende Schlussfolgerungen sind bereits getroffen worden. Was uns bleibt, ist die Bewertung der eingeleiteten Maßnahmen, und das war es. Der Untersuchungsausschuss wird heute per Beschluss eingesetzt. Wir werden in den nächsten Wochen unsere Arbeit aufnehmen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal dafür werben, in diesem begonnenen

Kampf fair zu sein, unsere gemeinsame Verantwortung in diesem Rechtsstaat auch wahrzunehmen und nicht auf dem Rücken der Opfer politische Kämpfe auszutragen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Borchardt.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ankermann. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Frau Borchardt, eins vorab: Die CDU zieht nicht in den Kampf. Die CDU-Fraktion stellt einen Antrag auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, obwohl heute schon ein Ergebnis unverrücklich feststeht.