Protocol of the Session on January 26, 2006

Angesichts der dramatischen Unfallzahlen in Mecklenburg-Vorpommern ist es für mich ein politisches Selbstverständnis, nichts zu unterlassen, was helfen kann, um die Zahl der Verunglückten zu reduzieren.

(Beifall Vincent Kokert, CDU, und Karin Strenz, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der bundesgesetzliche Rahmen ist gesetzt. Die Landesregierungen sind ermächtigt, durch Rechtsverordnungen zu bestimmen, die Möglichkeiten zur Erteilung der Fahrerlaubnis

der Klassen B und BE in Begleitung zu schaffen. Erst gestern hat der Senat in Berlin diese Regelung auch für Berlin umgesetzt.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Vorgestern! Vorgestern!)

Demnach wird es den Jugendlichen ermöglicht, mit 16,5 Jahren die ganz normale Führerscheinausbildung zu beginnen und nach bestandener Prüfung sowie Vollendung des 17. Lebensjahres für ein Jahr unter Begleitung eines Erwachsenen Fahrpraxis zu sammeln.

(Angelika Peters, SPD: Erwachsene, ab wann?!)

Die Anforderungen an die begleitenden Personen sind ebenfalls im bundesgesetzlichen Rahmen gesetzt. So muss die Person mindestens 30 Jahre alt sein, sie darf maximal drei Punkte im Verkehrzentralregister in Flensburg aufweisen und sie muss mindestens fünf Jahre im Besitz der entsprechenden Fahrerlaubnis sein. Bezüglich der Blutalkoholwerte und des Drogeneinflusses gelten die gleichen Vorschriften wie für den Fahrer, also genauso wie für uns, meine Damen und Herren.

So deutlich wie die Vorteile des begleiteten Fahrens mit 17 beschrieben sind, so deutlich sind auch die Sanktionen formuliert. Fährt ein Jugendlicher beispielsweise allein, werden ein Bußgeld von 50 Euro und ein Punkt im Verkehrsregister fällig, zudem erlischt die erteilte Ausnahmegenehmigung zum begleiteten Fahren unverzüglich. Der Jugendliche muss dann bis zum 18. Lebensjahr warten, bis er einen Führerschein ausgehändigt bekommt. In besonders schweren Fällen wird überprüft, ob die Fahrerlaubnis sogar ganz entzogen werden kann. Unter den Bedingungen des begleiteten Fahrens ist die Vernunft der 17-Jährigen aber auch nach den erzielten Ergebnissen offensichtlich so groß, dass kaum gegen Auflagen in den Versuchen des Landes Niedersachsen zum Beispiel verstoßen worden ist. Dort gab es bei diesem Modellversuch nur zwei Unregelmäßigkeiten. Bei einem Vorkommnis war ein Parkschaden beim Rückwärtsausparken entstanden, was auch jedem erfahrenen Fahrer einmal passieren kann, und das zweite Vorkommnis war ein Fahren ohne Begleitung, weil ein 17-Jähriger seine Schwester zur Schule fahren wollte. Das ist hier dokumentiert worden, sonst gab es zu dem Modellversuch des Landes Niedersachsen keine weiteren Anmerkungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch ein Blick auf entsprechende Erfahrungen im Ausland wie beispielsweise in den Niederlanden oder Österreich untermauern die Zielgerichtetheit des heutigen Vorstoßes der CDUFraktion. Als quasi positiver Nebeneffekt würde auch die Beseitigung einer aktuell bestehenden Ungleichbehandlung der 17-Jährigen aus Mecklenburg-Vorpommern erreicht, denn ein 17-Jähriger aus Hamburg oder Niedersachsen darf schon heute in Begleitung die Straßen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nutzen. Das darf auch der Brandenburger und demnächst der Berliner, sodass wir in Mecklenburg-Vorpommern hier wirklich eine Insellage beim Thema „Begleitetes Fahren“ darstellen würden. Es gilt bei diesem Verfahren schlicht und einfach das Wohnortprinzip. Zudem ist es vielen 17-Jährigen bereits heute erlaubt, ganz allein Auto zu fahren, wenn eine Sonderregelung vorliegt. Ein Beispiel dafür wäre, wenn die Bus- oder Bahnverbindung zu schlecht ist oder um den Ausbildungsplatz in einem anderen Bundesland zu erreichen. Ich denke, das ist aber mit dieser Regelung nicht gemeint, denn wir wollen 17 Jahre plus Begleitung. Das

hat den Vorteil, dass wir ein Jahr länger Ausbildung bekommen, meine Damen und Herren. Auch sei einmal erwähnt, dass jedes Jahr rund 20.000 Jugendliche als Austauschschüler aus den USA bei uns in Deutschland zu Gast sind. Der dort mit 16 zu erwerbende Führerschein stellt selbstverständlich auch hier in Deutschland eine uneingeschränkte Fahrerlaubnis dar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem vorgelegten Antrag trägt die CDU-Fraktion der Fülle an genannten Vorteilen Rechnung und fordert entsprechendes Handeln der Landesregierung. Wirkliche Argumente dagegen konnte ich aus der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage nicht entnehmen. Ich bin daher sehr gespannt, ob der Wirtschaftsminister heute wirkliche Hemmnisse und objektive Argumente gegen eine Einführung in Mecklenburg-Vorpommern vorbringen wird. Sätze wie: „Die Landesregierung sieht gegenwärtig nicht die Notwendigkeit der Absenkung des Mindestalters“, sind mir einfach zu wenig, meine Damen und Herren. Aber wir werden gleich noch vom Wirtschaftsminister hören, welche Gründe gegen eine Einführung im Lande sprechen könnten. Ich habe Signale, dass wir, wenn wir diesen Antrag in den Ausschuss überweisen, dort eine zügige Beratung durchführen können, damit auch der Wirtschaftsminister noch in dieser Legislaturperiode die Möglichkeit hat, das begleitete Fahren in Mecklenburg-Vorpommern einzuführen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Petters.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat um das Wort gebeten der Wirtschaftsminister des Landes Dr. Ebnet. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, das Anliegen, das uns alle bewegt,

(Siegfried Friese, SPD: Mehr oder weniger.)

eint uns. Wir haben zu viele Verkehrsunfälle, verursacht von jungen Autofahrern. Wir haben zu viele Verkehrstote unter den jungen Autofahrern und jeder Tote ist einer zu viel. Was man dagegen tun kann, das sollte man auch tun, das sollten wir auch unternehmen.

(Beifall Michael Ankermann, CDU, Dr. Ulrich Born, CDU, und Regine Lück, Die Linkspartei.PDS)

Aber weil das Thema so ernst ist, müssen wir auch sehr sorgfältig mit diesem Thema und mit allem, was wir tun, umgehen. Es ist bekannt, dass ich als Skeptiker bei diesem begleiteten Fahren mit 17 gelte.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Aber nicht allein. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Skeptiker bin ich deshalb, weil das so ziemlich das letzte politische Feld ist, auf dem man experimentieren darf. Das eignet sich nicht für Experimente...

(Torsten Renz, CDU: Hitzewarnsystem haben wir noch! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wie wäre es denn mal mit ein bisschen mehr Ernst?

Das eignet sich nicht für Experimente, sondern hier müssen wir ganz sorgfältig beraten.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich hoffe und erwarte, dass wir im Ausschuss dazu noch Gelegenheit haben werden.

Was mich irritiert, Herr Petters, ist – und ich habe genau zugehört bei Ihren Formulierungen, da ging es auch ein bisschen durcheinander –, Sie haben mal vom begleiteten Fahren gesprochen und mal von der Absenkung des Führerscheinalters auf 17. Diese beiden Dinge muss man auseinander nehmen!

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Der Antrag ist aber eindeutig.)

Jetzt diskutieren wir das einmal getrennt. Ich bin sehr für das begleitete Fahren, denn ich halte es für sinnvoll.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD, und Alexa Wien, Die Linkspartei.PDS)

Ich habe das übrigens mit meinen Kindern auch so gemacht.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ab welchem Alter?)

Ich bin dafür, wenn jemand neu den Führerschein hat, dass man mitfährt.

(Unruhe bei Siegfried Friese, SPD, und Heike Polzin, SPD – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das war aber nicht damit gemeint.)

Die Eltern sollten die Kinder nicht gleich allein losfahren lassen, sondern sie sollten sich selber einen Eindruck verschaffen. Und nach einiger Zeit, man muss natürlich ein bisschen Zeit haben und manchmal viele Nerven aufwenden,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

geht das schon mit dem begleiteten Fahren. Ich kann alles unterstützen und ich werde auch alles unterstützen, was auf das begleitete Fahren hinausläuft. Aber eine andere Frage ist: Muss man das schon mit 17 machen

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Angelika Peters, SPD: Das ist richtig. – Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS)

oder muss das mit der Absenkung des Alters verkoppelt werden?

(Angelika Peters, SPD: Genau! Richtig, Herr Minister. – Dr. Margret Seemann, SPD: Richtig.)

Ich sehe hier zwei gegenläufige Entwicklungen in diesem Eilen mit dem begleiteten Fahren ab 17. Durch ein begleitetes Fahren erwarte ich mit Sicherheit weniger Verkehrsunfälle und weniger Verkehrstote unter den Jugendlichen. Die Absenkung auf 17 läuft aber genau in die andere Richtung.

(Torsten Renz, CDU: Also sind Sie gegen den Antrag?!)

Jetzt habe ich einfach die Bitte, dass Sie es dieses Mal nicht mit Polemik abhandeln, wie Sie es gerade tun,

(Torsten Renz, CDU: Das brauchen Sie nicht zu bestreiten. Sagen Sie ganz einfach, ob Sie dagegen sind oder nicht!)

sondern dass wir über dieses Thema tatsächlich ernsthaft und seriös diskutieren und daraus kein politisches Schlachtfeld machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Meine Damen und Herren, es werden hier immer wissenschaftliche Untersuchungen angeführt, aber schauen Sie sich diese an, die halten natürlich keiner Nachprüfung stand. Das ist auch kein Wunder, denn es gibt ja noch zu wenig Erfahrungen. Insofern gibt es auch noch keine Basis für wissenschaftliche Untersuchungen. Alles, was da genommen wird, auch die zwei Fälle, die Sie angesprochen haben, Herr Petters, sind nur der Beleg dafür, dass man noch keine Erfahrungen hat, Herrgott, sonst gäbe es doch andere Erfahrungen damit und im Laufe der Zeit werden diese auch kommen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Ich kann nur dafür plädieren, man kann sich auch manchmal ein bisschen Zeit lassen und ernsthaft prüfen, ob das, was man gesetzlich vorhat, auch tatsächlich die Wirkung erzielt, die man sich im Sinne unserer Jugendlichen, im Sinne unserer jungen Menschen vorgenommen hat. Ich habe vorher davon gesprochen, in Brüssel schießt man über das Ziel hinaus. Da ist man ein bisschen weit weg vom Leben der Menschen. Wir sollten das, was Sie soeben Brüssel vorgehalten haben, nicht selbst praktizieren. Wir sollten etwas Gutes bewirken, dieses gründlich diskutieren und dieses gründlich überlegen.