Protocol of the Session on January 29, 2003

Sie als Wohlbeter für Berlin. Sie haben damals 1998 angekündigt, dass alles viel besser wird, Sie sind für soziale Gerechtigkeit.

(Regine Lück, PDS: Sind wir auch.)

Mittlerweile haben Sie das dritte Spargesetz auf den Weg gebracht, meine Damen und Herren. Und das ist Ihre Verantwortung, nicht unsere!

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Daran müssen Sie gemessen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Ute Schildt, SPD)

Wie sind denn die Auswirkungen, die Sie gerade wieder wohlwollend beschlossen haben?

(Torsten Koplin, PDS: Wir haben nicht die Auswirkungen beschlossen.)

Die Auswirkungen heißen: minus 3,5 Milliarden Euro Einsparungen im System. Das ist Ihre Botschaft.

(Reinhard Dankert, SPD: Herr See- hofer wollte 25 Milliarden einsparen.)

Und die Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern sind erkennbar. Sie haben wohl vergessen, dass die Uni Greifswald geschlossen hat, weil 20.000 Überstunden nicht bezahlt werden konnten,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das ist nur das Klinikum, nicht die ganze Uni.)

weil die Fallzahlen ausgereizt waren?!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sie haben wohl vergessen, dass es Probleme in den Krankenhäusern im Land Mecklenburg-Vorpommern gibt?! Sie haben vergessen, dass es in Güstrow Probleme gibt. Alles das ignorieren Sie. Man hört von Ihnen nichts und von dieser Regierung gar nichts. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Danke schön, Herr Glawe.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery von der Fraktion der SPD.

(Reinhard Dankert, SPD: Dann mal los, Herr Doktor!)

Ja, dann mal los!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Glawe, zur Auseinandersetzung im Bereich der Gesundheit gehört nach meiner Auffassung gerade in einer solchen Aktuellen Stunde auch eine gewisse Ehrlichkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Richtig. – Heinz Müller, SPD: Sehr richtig.)

Und wenn wir eine ehrliche Auseinandersetzung führen wollen, Herr Glawe, dann sollten Sie den Menschen in unserem Land auch erzählen, welche Folgen es gehabt hätte, wenn Herr Stoiber mit seiner Klage vor dem Verfassungsgericht gewonnen hätte

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

und den Risikostrukturausgleich abgeschafft hätte. Unsere Kassen wären ruiniert und wir hätten überhaupt kein Gesundheitssystem mehr.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Ja, ja, ja.)

Erzählen Sie den Menschen,

(Harry Glawe, CDU: Über den Risiko- strukturausgleich reden wir noch.)

erklären Sie den Menschen auch, dass bei einer Umsetzung Ihres Gesundheitsprogramms vor der Wahl Sie als Union zum Totengräber

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

des Solidaritätsprinzips geworden wären!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sie hätten unzählige Menschen von der bestmöglichen medizinischen Versorgung ausgeschlossen.

(Harry Glawe, CDU: Nein.)

Das ist unsozial und das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Harry Glawe, CDU: Junge, Junge!)

Deswegen werden wir eine Reform einführen, die alle Bereiche betrifft.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sehr sozial! Alle werden ausgeschlossen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es bleibt zunächst einmal festzuhalten, dass in unserem Land auch durch politische Entscheidungen, die von allen Parteien getragen wurden, die gesetzlichen Krankenkassen mit Mehrausgaben oder vielleicht auch mit Mindereinnahmen belastet wurden.

(Harry Glawe, CDU: Das ist richtig.)

Ich erinnere da nur an das Rentenreformgesetz von 1992,

(Torsten Koplin, PDS: Fürchterlich!)

das eben die sozial Schwächeren in unserem Land entlastet hat. Und das wollten wir alle, die CDU, die SPD und die F.D.P. Nach neueren Berechnungen führte allein das Rentenreformgesetz im Zeitraum von 1995 bis 2003 zu Mindereinnahmen oder Mehrausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 22 Milliarden DM. Auch dafür sind wir als Politiker alle verantwortlich.

Zudem finanziert die gesetzliche Krankenkasse eine Reihe von Leistungen, die Ihrer Auffassung nach gesamtpolitische Aufgaben sind. Ich nenne hier nur als Beispiele das Mutterschaftsgeld, Entbindungsgeld, Krankengeldzahlung bei Erkrankung von Kindern und so weiter. Eine Entlastung der Kassen in diesem Bereich beziehungsweise eine Umstellung der kassenfremden Leistungen auf Steuerfinanzierung ist in Anbetracht der angespannten wirtschaftlichen Lage eben nicht möglich, aber auch vor allen Dingen politisch nicht gewollt. Jedoch sollte man künftig darauf verzichten, die Kassen in dieser Form weiter zu belasten. Das werden wir auch nicht tun mit der neuen Gesundheitsreform.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU – Harry Glawe, CDU: Jaja. Sie belasten ja die Kassen noch. Sie greifen doch jeden ab.)

Neben der schlechten wirtschaftlichen Lage in unserem Land und der hohen Arbeitslosigkeit sowie Verschiebungen in der demographischen Entwicklung, die in hohem Maße für den bedenklichen finanziellen Zustand unserer Kassen verantwortlich sind, gibt es aber auch systemimmanente Schwächen. Nehmen wir als Beispiel nur einmal das so genannte Doktorshopping. Nach Einführung der Chipkarte ist es jedem Versicherten möglich, ohne Beschränkung bei verschiedenen Ärzten unterschiedlicher oder gleicher Fachrichtung vorstellig zu werden. Diese Variante der offensichtlich falsch verstandenen freien Arztwahl führt zu erheblichem Kostendruck bei den Kassen und höhlt das Solidarprinzip aus. Es gilt also künftig, nicht nur überflüssige Mehrfachdiagnosen zu vermei

den, sondern auch den Risiken einer teuren und oft gefährlichen Mehrfachmedikation vorzubeugen. In diesem Zusammenhang sei beispielhaft auf das Modellprojekt der Gesundheitskarte Schleswig-Holstein verwiesen.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Abhilfe könnte hier eine Aufwertung des Hausarztprinzips schaffen. Das heißt, Facharztbesuche nur mit Überweisung, Hausarztwechsel nur nach Anmeldung bei der Kasse.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)