Protocol of the Session on January 29, 2003

(Harry Glawe, CDU: Ja, dafür haben Sie Betten abgebaut.)

Meine Damen und Herren, und weil dies so bleiben soll, verfolgt die PDS aufmerksam die aktuelle rot-grüne Gesundheitspolitik. Die Ende vergangenen Jahres auf Bun

desebene diskutierten Vorschaltgesetze betrachten wir, wie sollte es anders sein, zwiespältig.

(Harry Glawe, CDU: Aha! Was heißt denn das?)

Dort, wo die Solidarität Stärkung erfahren hat, wie bei der Inanspruchnahme der Pharmaindustrie und des Pharmagroßhandels, haben wir unsere volle Zustimmung signalisiert und diese wurde auch gefunden. Dort, wo ein Gebot der Stunde, die Angleichung der Verhältnisse zwischen Ost und West, grob missachtet wurde, wie bei der so genannten Nullrunde der Leistungserbringer, haben wir kritisiert, haben wir es laut gesagt.

(Harry Glawe, CDU: Da hab ich nicht viel gehört.)

Und es war die Sozialministerin dieses Landes – im Auftrage der Landesregierung dieses Landes –, die versucht hat, einen Lösungsvorschlag dafür zu unterbreiten, der leider in der Diskussion zwischen westdeutschen und ostdeutschen Ländern wie so oft zu Ungunsten der ostdeutschen Länder auf der Strecke geblieben ist. Wir sollten erneut darüber diskutieren, wenn es uns ernst ist.

Als PDS verlangen wir von den zukünftigen Maßnahmen der Bundesregierung auf gesundheitspolitischem Gebiet, dass die Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten und nicht ökonomische Erwägungen in erster Linie im Vordergrund zu stehen haben. Wir erwarten eine deutliche Berücksichtigung der besonderen wirtschaftlichen und sozialen Situation in den neuen Bundesländern und insbesondere auch in Mecklenburg-Vorpommern.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Und wir fordern von der Bundesregierung eine berechenbare Politik und nicht eine solche, wo aus dem Bundeskanzleramt die eine Richtung propagiert wird, aus dem Bundesgesundheitsministerium eine andere und von einer demokratisch nicht legitimierten Kommission viele weitere. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit von Politik und schadet letztendlich uns allen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Gramkow.

Das Wort hat jetzt die Sozialministerin Frau Dr. Linke.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin!

(Harry Glawe, CDU: Das ist die Präsidentin.)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Anwesende! Ärztedemo in Rostock, Teilschließung der Unikliniken in Greifswald, jeden Tag ein neuer Vorschlag aus der Rürup-Kommission, das Strategiepapier aus dem Kanzleramt, Schmidt gegen Schröder, Seehofer in Lauerstellung, Nullrunde und doch steigende Beiträge – so die Schlagzeilen. Das deutsche Gesundheitswesen ist in diesen Tagen und Wochen Dreh- und Angelpunkt der innenpolitischen Auseinandersetzung nicht nur in unserem Bundesland, sondern auch auf der Bundesebene und nicht zuletzt in den Wahlkämpfen in Hessen und Niedersachsen. Insofern begrüße ich sehr die von der Opposition gewünschte Gelegenheit, dass sich der Landtag mit den Auswirkungen der Regierungspolitik auf das Gesundheitswesen unseres Landes befasst.

Im Unterschied zur Opposition allerdings sehe ich keine Veranlassung zur Schwarzmalerei. Gewiss, wir haben eine

Reihe von Problemen. Die Ursachen dafür liegen aber nicht vorrangig in der jüngsten Zeit, sondern im Kern stellen sie doch eine Erblast der Gesundheitspolitik der früheren CDU-Regierungen dar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Heute soll ich nach Ihrer Auffassung endlich etwas für die Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor tun. Ja, liebe Herren und Damen Abgeordnete, wer hat denn kurz nach der Wende die funktionierenden Strukturen unserer Polikliniken und...

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sie wollen die alten Standards wiederhaben.)

Ja, darf ich die Frage noch einmal formulieren?

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Glocke der Vizepräsidentin – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, auch bei einer heißen Debatte bitte ich doch zuzuhören.

Wer hat denn kurz nach der Wende die funktionierenden Strukturen unserer Polikliniken

(Harry Glawe, CDU: Ausgewählte Patienten kriegen ausgewählte Medikamente. Das war ein tolles Gesundheitssystem. Das war das System der Polikliniken.)

und gegen den Willen der ostdeutschen Ärzte das bürokratische System der alten Bundesländer eins zu eins übernommen? Heute zeichnen Sie, anders als damals, ein düsteres Bild. Das halte ich für ebenso falsch wie die damaligen Versprechungen. Denn eines gilt ganz gewiss: Wer wie Sie immer wieder den Standort MecklenburgVorpommern schlechtredet,

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

der tut den Menschen in unserem Lande keinen Gefallen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Harry Glawe, CDU: Jaja.)

der beschädigt das, was wir uns und was wir auch gemeinsam an positivem Image in den letzten Jahren erarbeitet haben.

(Harry Glawe, CDU: Sie haben die 2.000 Demonstranten in Rostock nicht gesehen.)

Mecklenburg-Vorpommern hat mit seinen 45.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen eine gute Perspektive als Gesundheitsland. Wir werden uns auch bei den anstehenden Strukturumbrüchen erfolgreich behaupten.

PDS und SPD haben sich in der Koalitionsvereinbarung zu den Grundsätzen einer solidarischen Krankenversicherung bekannt. Wer dieses System beibehalten will, muss dessen Akzeptanz stärken. Das System muss bezahlbar bleiben. Die Bundesregierung hat im letzten Herbst erkannt, dass die Einkommens-, aber auch die Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung noch weitere Beitragssteigerungen erforderlich gemacht hätten. Sie hat Maßnahmen ergriffen, um hier gegenzusteuern.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein.)

Das ist gut für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das ist aber auch gut für die Arbeitgeber.

(Harry Glawe, CDU: Jaja.)

Ein Gegensteuern war erforderlich und findet grundsätzlich meine volle Unterstützung.

Wenn man allerdings Einschnitte macht, dann müssen diese auch gerecht verteilt sein. Die Nullrunde, diesen Standpunkt habe ich bereits mehrfach öffentlich vertreten, ist für die Vertragsärzte und die Krankenhäuser in den neuen Ländern eine besondere Verzichtrunde, da hier nicht nur die 0,8 Prozent Steigerung entfallen, sondern auch die Angleichungsstufe von 1,28 Prozent ausgesetzt wird. Wir, die rot-rote Landesregierung, wollten diese Zusatzbelastung der ostdeutschen Ärzte verhindern. Wir hätten das sehr gern getan. Ich habe dazu im Bundesrat, wie bereits Frau Gramkow sagte, einen entsprechenden Antrag eingebracht. Ihre Brandenburger Parteifreunde haben den Antrag unterstützt. Ein Stück Ungerechtigkeit wäre damit zu korrigieren gewesen. Leider gab es aber weder die Unterstützung aus Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und Fehlanzeige selbstverständlich auch aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig! – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD – Glocke der Vizepräsidentin – Harry Glawe, CDU: Drei Viertel der Gesetze im Deutschen Bundes- tag sind nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat, Frau Ministerin.)

Das sind die Auswirkungen unionsgeführter Gesundheitspolitik auf Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Da haben Sie, verehrte Damen und Herren von der CDU, eine echte Chance verpasst.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Lassen Sie uns aber noch einmal ganz konkret die Situation und Perspektive der wesentlichen Akteure der Gesundheitspolitik in Mecklenburg-Vorpommern analysieren. Wie steht es um die Kassenärzte, die Apotheker, die Krankenhäuser und die Reha-Kliniken hier im Lande?

(Harry Glawe, CDU: Dafür haben wir den Landeskrankenhausplan.)

Was ist bei der anstehenden Strukturdebatte aus der Sicht des Landes besonders wichtig?

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich unterstütze und verstehe die Sorgen und Nöte und gerade nun auch den Frust von Ärztinnen und Ärzten bei uns. Wer glaubt, dass die finanziellen Lasten einer Gesundheitsreform überproportional von den Ärztinnen und Ärzten in den neuen Ländern zu tragen seien, ist auf dem Irrwege. Wer die Versorgung der Patienten mit ambulanten Leistungen sichert und dabei je Versicherten nur 80 Prozent der im Westen aufgewendeten Gelder ausgibt, der verdient unser Lob und der verdient materielle Anerkennung.