Protocol of the Session on December 12, 2002

Es liegen keine weiteren Fragen vor. Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Föderalismus voranbringen – Länderkompetenzen stärken, Drucksache 4/47.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Föderalismus voranbringen – Länderkompetenzen stärken – Drucksache 4/47 –

Das Wort zur Begründung hat die Landtagspräsidentin Frau Bretschneider. Bitte, Frau Präsidentin.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Haus schon anhand verschiedener Themen über Fragen unseres föderalen Systems in Deutschland diskutiert. Immer hat sich große Einigkeit gezeigt, dass eine Reform des Föderalismus eigentlich angezeigt ist. Wir haben oft

beklagt, dass auf mehr oder weniger schleichende Art und Weise die Kompetenzen der Länder und damit die Kompetenzen der Länderparlamente immer mehr ausgehöhlt werden. Ein Kompetenzzuwachs ist seit Jahrzehnten in Richtung Bund und nunmehr verstärkt in Richtung Europa zu verzeichnen.

Gleichzeitig findet eine enorme Politikvermischung statt. Viele Entscheidungen werden in Europa getroffen, andere treffen Bund und Länder gemeinsam, manche Entscheidungen treffen alle Länder gemeinsam. Die Entscheidungsstrukturen werden immer undurchsichtiger. Wirklich transparent und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar ist das oft nicht. Ich glaube, dass diese fehlende Transparenz oftmals auch zu mangelnder Akzeptanz der Entscheidungen und zur Abwendung von demokratischen Entscheidungsprozessen führt. Man kann nicht mehr erkennen, welche politische Institution für Entscheidungen verantwortlich ist. Selbst wir Politikerinnen und Politiker haben manchmal Schwierigkeiten, das auf den ersten Blick nachzuvollziehen.

Wir müssen die Verantwortung für politische Entscheidungen klarer zuordnen, damit die Menschen erkennen können, wer was zu entscheiden hat. Und diese Entscheidungsprozesse müssen nachvollziehbar sein. Das ist eine Grundvoraussetzung für eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an unserem demokratischen Gemeinwesen und der politischen Meinungsbildung.

Sehr geehrte Damen und Herren, unser Grundgesetz verfolgte ursprünglich eine Konzeption, die auf starke Länderkompetenzen aufbaute. Deshalb hatten grundsätzlich die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung und der Bund nur in besonderen, einzeln aufgeführten Fällen. Der Regelfall ist in Artikel 30 des Grundgesetzes beschrieben. Hier heißt es: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.“ Und in Artikel 70 Absatz 1 des Grundgesetzes heißt es: „Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.“

Die Verfassungsrealität hat sich davon oft weit entfernt. Inzwischen ist es so, dass der Bundestag das Gesetzgebungsparlament in Deutschland ist. Die Länderparlamente können oft nur die Landesregierungen beim Gesetzesvollzug kontrollieren. Kürzlich hat Herr von Arnim dazu einen Beitrag in der „Frankfurter Rundschau“ verfasst. Wie so oft ist seine Schilderung etwas sehr kritisch und düster ausgefallen, allerdings hat er darin vom verschleierten Zentralismus gesprochen. Und das ist eine nicht ganz unzutreffende Zustandsbeschreibung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Länderparlamente hat gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden eine Konferenz, einen Konvent zum 31. März 2003 nach Lübeck einberufen, der sich dem Thema der Reform des Föderalismus widmet. Ziel ist es, Vorschläge zu unterbreiten, die die Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder und hierbei vor allem für die Länderparlamente vergrößern. Dieser Konvent soll ein politisches Gremium sein, in dem über die Möglichkeiten der Föderalismusreform unter Einbeziehung politischer Gesichtspunkte diskutiert wird, mit der Zielrichtung, eine einvernehmliche Position aller Länderparlamente zu erarbeiten. Es soll also gerade kein wissenschaftlich geprägter und an demokra

tietheoretischen Idealvorstellungen orientierter Konvent sein.

Wissenschaftlich ist das Thema „Föderalismus und Möglichkeiten zur Föderalismusreform“ äußerst gut aufbereitet. Da gab es bereits zahlreiche Kommissionen, Gremien und Kolloquien, die sich mit der Materie beschäftigt haben. So erinnere ich nur an die Beschlüsse der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Länderparlamente aus dem Jahr 1991, an den Bericht der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates aus 1992, der sich wesentlich auf die Fragen zur Stärkung des Föderalismus in Deutschland und Europa konzentriert hat. Die Gemeinsame Verfassungskommission hat Vorschläge unterbreitet, genauso wie die Konferenz der Landtagsdirektoren und der Präsidenten im Jahr 2000 in Heringsdorf. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, ganz zu schweigen von den Sachverständigengremien und sonstigen Verbänden, wie etwa der Kommission der Bertelsmann-Stiftung, der Van-Nes-Ziegler-Kommission bis zum Bund der Steuerzahler.

Es mangelt also nicht an Vorschlägen zur Reform des Föderalismus. Gleichwohl ist bisher wenig passiert. Und Gesprächsstoff für die Allgemeinheit bildet diese Materie schon gar nicht.

Es muss uns gelingen, den Bürgerinnen und Bürgern nahe zu bringen, dass die Reform des Föderalismus ein Thema ist, das uns alle angeht, das auch für die Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern von Bedeutung ist. Wir müssen in verständlichen Worten dieses Thema für die Bürgerinnen und Bürger übersetzen und plakativ deutlich machen, worum es dabei geht.

Inhaltlich heißt das, auf den verschiedenen Ebenen – Europa, Bund und Länder – für mehr Transparenz zu sorgen. Es geht darum, festzulegen und den Menschen deutlich zu machen, wer im Sinne der Bürgerinnen und Bürger mit welchen Kompetenzen und Aufgaben betraut wird. Politische Entscheidungen müssen immer so nah wie möglich vor den Augen der Bürgerinnen und Bürger getroffen werden. Entscheidungen dürfen nicht wie bisher fast schrankenlos von der höheren Ebene an sich gezogen werden mit der Begründung, dass wir in nahezu allen Bereichen im gesamten Bundesgebiet oder in ganz Europa gleiche Regelungen brauchen.

Ich kann zum Beispiel nicht nachvollziehen, was mir in der letzten Zeit hinsichtlich einer Bundesverordnung aufgefallen ist, die eine EU-Richtlinie zu Lärmimmissionen bei Heimgartengeräten umsetzt. Warum muss in Berlin geregelt werden, ob ein Rasenmäher in einem Wohngebiet in Mecklenburg-Vorpommern in der Mittagszeit betrieben werden darf oder nicht?

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Lärmschutzregelungen, die für Ballungsgebiete etwa im Ruhrgebiet sinnvoll und notwendig sind, müssen in unserem dünn besiedelten Flächenland nicht ebenso sinnvoll sein. Bisher haben die Kommunen festlegen können, zu welchen Zeiten derartige Geräte betrieben werden können und zu welchen Zeiten nicht. Jetzt legt der Bund fest, ob die Mittagsruhe beispielsweise in Ostvorpommern von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr oder von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr gilt. Das verstehe ich nicht unter bürgernaher Entscheidung.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS – Ministerin Sigrid Keler: Das ist richtig.)

Ich bin mir auch nicht sicher, ob dies wirklich Zielrichtung der entsprechenden europäischen Richtlinie ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist uns bewusst, dass wir nicht in allen Fragen der Reform des Föderalismus im Kreis der Parlamentspräsidenten und Fraktionsvorsitzenden zu einvernehmlichen Regelungen kommen werden. Ich vermute, dass insbesondere beim Thema Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern unterschiedliche Vorstellungen artikuliert werden und ein Konsens schwierig wird.

Nach dem Ihnen vorliegenden Antrag sprechen wir uns für eine sinnvolle und angemessene Neuordnung von Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen einer föderalen Reform aus, die die Interessen unseres Landes berücksichtigt und für unser Land mehr Gestaltungsspielräume eröffnen soll. Das ist unsere Zielvorstellung, die wir auch in den Konvent einbringen wollen. Aber es gibt in Deutschland natürlich auch Länder, die viel mehr Eigenständigkeit beispielsweise im Bereich der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wünschen, als wir es beispielsweise vertreten können. Da wird die Forderung erhoben, Mischfinanzierungen zwischen Bund und Ländern gänzlich aufzugeben und auch die Gemeinschaftsaufgaben nicht mehr fortzuführen. Aus Gründen der Transparenz könnte man das ja eigentlich befürworten, wenn jedes Land allein darüber befinden könnte, wie entsprechende Finanzmittel eingesetzt würden. Aber dazu müssten natürlich auch entsprechende Finanzmittel vorhanden sein. Mecklenburg-Vorpommern könnte sich das jedenfalls nicht leisten, wenn sich der Bund beispielsweise aus der Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben zurückzöge. Unsere regionale Wirtschaftsstruktur oder unsere Hochschulen, um nur einige Beispiele zu nennen, könnten das gar nicht verkraften. Uns muss es um klare Abgrenzungen gehen, um sinnvolle Strukturen, aber nicht um die Abschaffung der Mischfinanzierungen, weil wir uns das nicht leisten können.

Allen Beteiligten ist bekannt, dass diese Differenzen im Bereich der Finanzbeziehungen bestehen. Nicht zuletzt bei den Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich sind diese ja auch deutlich zutage getreten.

(Angelika Gramkow, PDS: Da hat doch der Ministerpräsident aber zugestimmt.)

Diese mangelnde Einigkeit in einer – wenngleich auch wichtigen – Frage unseres Föderalismus darf aber nicht dazu führen, dass die Anstrengungen zur Föderalismusreform im Ganzen blockiert werden. Es muss uns darum gehen auszuloten, welche Reformen möglich sind. Hier gilt es, den größten gemeinsamen Nenner zu finden, damit die Länderparlamente eine einheitliche Position einnehmen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend noch ein paar Sätze zu Ziffer 3 des Antrages sagen. Seitens der Exekutive ist eine Bund-Länder-Kommission „Föderalismus“ eingesetzt worden, die sich des Themas bereits umfassend angenommen hat. Nach dem Beschluss des Landtages vom April 2002 hat uns die Landesregierung in einer Unterrichtung am 17. Mai dieses Jahres auch umfassend über die Organisation und Arbeitsweise dieser Kommission informiert und uns die Vorstellungen der Landesregierung präsentiert. Ich bin aber der Auffassung, dass das Parlament seitdem zu wenig von den Beratungen und Ergebnissen der Kommission erfahren hat. Föderalismus ist vor allem eine Sache der Länder und hier der Länderparlamente.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, Dr. Armin Jäger, CDU, und Karsten Neumann, PDS)

Deshalb ist es notwendig, dass der Landtag über die Beratungen der Kommission und der Ministerpräsidentenkonferenz zum Thema Föderalismus informiert wird. Deshalb wollen wir mit dem Antrag erreichen, dass die Landesregierung künftig nach jeder Beratung der Ministerpräsidentenkonferenz über die Ergebnisse der BundLänder-Kommission zum Föderalismus in den zuständigen Ausschüssen fortlaufend berichtet.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Die Stärkung der Kompetenzen der Länder ist ein gemeinsames Ziel von Exekutive und Parlamenten. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um dieses Ziel voranzubringen. Deshalb ist es als erster Schritt erforderlich, uns gegenseitig zu informieren, welche Ergebnisse wir in den verschiedenen Gremien erzielen – die Landesregierung auf der Exekutivebene, die Parlamente in dem gemeinsamen Konvent der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten sowie der Fraktionsvorsitzenden.

Ich bitte Sie um Unterstützung dieses Antrages, damit wir dem Ziel, unser bewährtes föderales System zu stärken und als schlagkräftiges Instrument in die größer werdende EU einzubringen, näher kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Bretschneider.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 120 Minuten vereinbart.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, ich bitte doch um Ruhe.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat – zu seinem ersten Redebeitrag – der Abgeordnete Herr Ankermann von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beifall aus allen Fraktionen hat eben deutlich gemacht, dass es ein interfraktionelles Anliegen des Hohen Hauses ist, den Föderalismus zu stärken, so, wie der Antrag „Föderalismus voranbringen – Länderkompetenzen stärken“ es auch deutlich macht. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode war die Intention dieses Antrages unumstritten. Bedauerlich ist allerdings, dass die Koalition aus SPD und PDS diesen Antrag, der ja ursprünglich einmal von der CDU initiiert worden ist, jetzt allein einbringt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass möglicherweise das ganze Haus diesen Antrag auf gemeinsame Füße stellen könnte.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich möchte dieses damit verbinden, einen Überweisungsantrag in den Rechtsausschuss zu beantragen, damit dieses möglicherweise noch nachgeholt werden kann, so – das will ich hier auch nicht verschweigen –, wie das bereits auch im Rechts- und Europaausschuss von der Koalition signalisiert worden ist.

Allerdings ging nach meiner und unserer Auffassung der Antrag, der in der vergangenen Legislaturperiode seitens der CDU gestellt worden ist, etwas weiter als der hier heute vorliegende Antrag, und zwar insbesondere im Hinblick auf die europäische Dimension. Weil aber gerade die europäische Komponente für die Reform des Föderalismus in unserem Nationalstaat von zunehmender Bedeutung ist – das merken wir immer wieder in der Tagespolitik –, beantrage ich die nochmalige Überweisung in den Ausschuss, damit auch genau dieser Punkt nochmals überarbeitet werden kann und diesem Gesichtspunkt hinreichend Rechnung getragen werden kann.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Dieses gilt umso mehr, als in unserem Bundesland die Arbeit des Europäischen Konvents, wie es die Präsidentin eben auch angesprochen hat, bislang leider kein politisches Thema geworden ist. Das ist in anderen Bereichen anders gewesen, als es beispielsweise um die Einführung des Euro ging oder als es um die Frage der Osterweiterung der Union ging, die uns hier in Mecklenburg-Vorpommern auch in einem ganz besonderen Maße betroffen hat und auch noch betrifft. Der Europäische Konvent erarbeitet quasi eine Verfassung für ein gemeinsames Europa. Und natürlich sind damit auch Kompetenzen nicht nur der einzelnen Gesamtstaaten, sondern auch der einzelnen Gliedstaaten wie hier der Länder betroffen. Insofern muss man genau auf diesen Punkt auch mit besonderem Augenmerk blicken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklung der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland bietet schon lange Anlass zur Sorge, wenn nicht zur Kritik. Wenn Sie sich die Entwicklung – auch dieses ist eben bereits angeklungen – des Outputs der Gesetzgebung ansehen, dann stellen Sie fest, dass es ein deutliches Übergewicht beim bundesgesetzlichen Output gibt zu Lasten des landesgesetzlichen Outputs. Diese Verschiebung hat eine lange Geschichte, die offenbar bereits mit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes eingesetzt hat. Zwar hatte der Gesetzgeber seinerzeit den Föderalismus im Blick. Die Artikel 70 fortfolgende – es ist nicht der Artikel 30 des Grundgesetzes, sondern es sind Artikel 70 und die folgenden – gehen davon aus, dass die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich bei den Ländern liegt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Erst danach kommt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. In Artikel 72 liegt, an zweiter Stelle einsortiert, die konkurrierende Gesetzgebung. Und die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die kommt sogar noch später.

Diese gewollte Systematik hat sich in der etwa fünfzigjährigen Geschichte des Grundgesetzes zu Lasten der Länder verschoben. Das erleben wir jeden Tag. Durch die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes und durch die vielfältigen Formen der Mischfinanzierung bei öffentlichen Aufgaben von Bund und Ländern haben Länder und Kommunen substantiell Souveränität eingebüßt. In zunehmendem Maße ging parallel die ständige Erweiterung von Aufgaben, die von der Europäischen Union übertragen wurden, allzu oft zu Lasten der Länder. Auch dieses erleben wir täglich. Damit ist ein weitgehender Kompetenzverlust nicht nur der Länder, sondern auch der Landtage verbunden, denn die originäre Gesetzgebungskompetenz liegt ja in den meisten Fällen bei den Ländern.

Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes legt unabänderlich die bundesstaatliche Ordnung im zweigliedrigen Bundesstaat fest. Dort werden die Aufgaben und Befugnisse zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten aufgeteilt. Die tatsächliche Entwicklung des Föderalismus – ich habe es eben ausgeführt – in Deutschland geht in eine ganz andere Richtung und widerspricht damit dem Geist dieser Verfassungsbestimmung. Insofern ist ein Konvent der Landtage, der die Föderalismusreform im Blick hat, eine Angelegenheit, die von diesem Hause nur zu begrüßen ist. Das ist eben bereits deutlich geworden.

Eine Reform des Föderalismus ist daher unabdingbar. Diese Reform muss sich von den Prinzipien und Funktionen, die unsere föderale Ordnung begleiten, leiten lassen. Das gilt zunächst und insbesondere auch für den Grundsatz der Subsidiarität. Subsidiarität, da wird gewissermaßen die Verantwortung des mündigen Menschen zu ihm selbst gelegt und er hat damit die Kompetenz, für sich selbst zu entscheiden. Die übergeordnete Gemeinschaft tritt erst nachrangig und dann ein, wenn er selbst überfordert ist und eigene Dinge nicht mehr selbst bearbeiten und leisten kann.

Für den Staatsaufbau gilt das genauso. Zunächst ist zu prüfen, welche Kompetenz sinnvoll auf unterer Ebene bei den Gemeinden angesiedelt ist, auch bei den Ländern, und dann erst kommen wir übergeordnet zum Bund und auch zur Europäischen Union. Subsidiarität erfordert damit ein Denken von unten nach oben. Das ursprünglichste Recht liegt bei der kleinsten verfassungsmäßigen Einheit, bei den Städten und Gemeinden. Was über die Kraft dieser hinausgeht, kommt auf die Länderebene, was über die Kraft der Länder hinausgeht, kommt dann auf die Bundesebene, und so fort bis hin zur Europäischen Union. Möglicherweise sind dann auch Gesetzgebungskompetenzen von der Union wahrzunehmen – und auch hier muss man wieder den Blick über den Bund hinaus wagen –, wenn einheitliche Regelungen zu treffen sind. Frau Präsidentin, Sie haben das eben in Bezug auf den Bund anklingen lassen. Das ist sicher nicht immer der Fall. Hier muss man insbesondere auch als Länderparlament aufpassen, was denn dort auf übergeordneter Ebene fernab von den Bürgern entschieden und beschlossen wird.