Offenbar ist der Herr Holter im Sonderausschuss etwas geschwätzig gewesen und hat die Pläne der rot-roten Landesregierung schon vorzeitig heraustrompetet.
Also, Frau Kollegin Gramkow, welchen Respekt muss denn ein Minister haben, der sich in einem Ausschuss hinsetzt und erzählt,
dann sagt, ja, die Ämter, die kein Grundzentrum haben, die sind zuerst dran, in einem Ausschuss, der gerade beschlossen hat, hier ist Punkt und hier ist Schluss? Welchen Respekt muss denn ein Minister haben vor dem Votum der Abgeordneten eines Ausschusses? Das müssen Sie mir bitte mal erklären an dieser Stelle.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Herr Jäger weiß, dass er das so nicht gesagt hat.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Timm! Sie nehmen eine Mehrfachneugliederung vor. Sie können das drehen und wenden, wie Sie wollen: An eine Mehrfachneugliederung, zumal innerhalb von zwölf Jahren in dem Fall, werden besondere verfassungsmäßige Anforderungen gestellt. Da können Sie jetzt auch nicht hineininterpretieren, wir müssen das Gesamtpaket sehen. Wir müssen Vorsorge für die Zukunft treffen. Alle höchstrichterlichen Urteile zu dieser Frage fordern eine Defizitanalyse, eine klassische Defizitanalyse. Sie haben sie deswegen nicht gemacht, weil dabei nämlich herausgekommen wäre, dass die Landkreise heute sehr wohl in der Lage sind, die Aufgaben, die man ihnen sinnvollerweise übertragen kann, auch in der jetzigen Struktur erfüllen zu können, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das wäre nämlich dabei herausgekommen.
Und wenn Sie auf andere Bundesländer verweisen, Baden-Württemberg macht eine umfassende Verwaltungsreform ohne Landkreisneugliederung. Niedersachsen hat die vier Bezirksregierungen abgeschafft und eine Kreisgröße von 55.000 bis 300.000. Und wo ein Landkreis zu klein ist, sagt man, interkommunale Zusammenarbeit.
Wenn Sie Sachsen-Anhalt nehmen, die sind einen ganz anderen Weg gegangen. Sie sind den Weg gegangen, dass sie ein Rahmengesetz geschaffen haben mit einer Freiwilligkeitsphase,
hatten 24 Landkreise und werden zukünftig 11 Landkreise und 3 kreisfreie Städte haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Nach meiner Kenntnis – bis auf die Region Dessau – ist das außer der Kreissitzfrage von den Strukturen her relativ problemlos verlaufen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, könnte dieses nicht ein Beispiel sein für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern?
Das, was Sie hier an dieser Stelle machen – und der Ministerpräsident, der Umweltminister, der Innenminister, die fordern dazu auf mitzutun –, Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister Timm, das, was Sie hier überarbeitet haben, ist Mangelware. Es ist mehr als Mangelware und auch noch in hohem Maße fragwürdig. Wenn Sie die Stellungnahmen ernst nehmen würden, Herr Ministerpräsident, rate ich Ihnen, wenn Sie eine lange Autofahrt haben oder eine stille Stunde, lesen Sie sich mal die Stellungnahme des Landkreistages durch! Ich habe selten so eine fundierte objektive Stellungnahme gelesen wie die Stellungnahme des Landkreistages.
Übrigens, Herr Ministerpräsident, es bringt doch Sie und uns nicht weiter, wenn Sie hier ständig erzählen, das erzählt der mir hinter vorgehaltener Hand und das erzählt der mir hinter vorgehaltener Hand. Nach meiner Kenntnis ist die Stellungnahme im Landkreistag einstimmig beschlossen worden
und nach meiner Kenntnis gehören diesem Vorstand – bei den Landräten sowieso – nicht nur CDU-Landräte und nicht nur CDU-Vorstandsmitglieder an.
Herr Ministerpräsident, hören Sie auf, den Eindruck zu erwecken, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dafür ist, die Mehrheit der Vertreter! Übrigens, ich kenne auch keine Gemeinde, ich kenne auch nicht den Städteund Gemeindetag, die Ja gesagt haben zu diesem Verwaltungsmodernisierungsgesetz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist mit dem dritten Eckpfeiler? Sie sagen, das geht alles nur zusammen. Wenn wir das mal auf das Gutachten beziehen – ich unterstelle auch nicht jedem Gutachten das Motto: „Wer bezahlt, der bestimmt auch, wie das Gutachten aussieht.“ –, da haben die Landkreise Demmin, Mecklenburg-Strelitz, Müritz und Neubrandenburg nachgewiesen …
Dann sind alle Gutachten zu diesem Thema Gefälligkeitsgutachten, auch alle Gutachten, die die Landesregierung eingeholt hat. Wenn wir uns auf diesen Sprachgebrauch verständigen, dann ist es gut. Dann beziehen Sie sich aber auch nicht auf das Seitz-Gutachten, sondern nehmen die Zahlen des Statistischen Landesamtes und sagen ganz einfach …
Meine Damen und Herren, die Funktionalreform I, die Funktionalreform II – und das ist doch ein weiteres Problem, das Sie haben, das ist das Problem der Zeitschiene. Sie wollen einige wenige Aufgaben mit In-Kraft-Treten des Gesetzes im Jahre 2006 übertragen, die Masse aber erst in 2009. Wissen Sie eigentlich, was Sie den zukünftigen Landkreisen, ob vier oder fünf, zumuten? Das heißt, bis zur Kommunalwahl 2009 habe ich die jetzige Rechtslage, was die Aufgabenerfüllung und Aufgabenwahrnehmung betrifft. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, wie laufende Verfahren behandelt werden, wer das dann weiterführen muss. Das ist ja auch nicht ganz so einfach. Aber auf einen Hieb übertragen Sie so eine Vielzahl von Aufgaben und gleichzeitig eine völlig neue Struktur beim Personal.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind sehr selbstbewusst. Ich will Ihnen aber nicht sagen, dass Selbstbewusstsein ausreicht. Das ist schon Selbstherrlichkeit, wer so etwas durchführen und umsetzen will. Ich sage Ihnen eins voraus: Bei den Strukturen, die Sie zukünftig schaffen müssen, wird das mehr als chaotisch in den neuen Verwaltungen zugehen, weil ein Teil die Aufgaben bisher noch nicht erfüllen musste. Ein vernünftiger Übergang, davor scheuen Sie sich ja, weil Sie immer wieder betonen, nur das Gesamtpaket geht. Wenn Sie die Aufgaben schon vorher in die bestehenden Landkreisstrukturen übertragen würden, dann würde Ihnen nämlich bewiesen werden, wir brauchen nicht zwingend eine Gebietsreform zur Aufgabenübertragung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, und jetzt wird angeblich die kommunale Selbstverwaltung gestärkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, hier soll das Motto herrschen: „Ich schaffe mir einen Apparat, dann herrscht der Apparat.“
Haben Sie schon mal überlegt, was Sie den zukünftigen Kreistagsabgeordneten zumuten? Im Schnitt haben die 5.500 bis 6.000 Einwohner beim 4-Kreise-Modell. Wenn wir das dabei belassen, wird durchaus mal einer, werden mal zwei von der politischen Gruppierung dabei sein, und zwar zuständig für den Landkreis von 500.000. Oder: Die CDU ist in Vorpommern eine sehr selbstbewusste Partei, Kommunalwahlergebnisse von rund 50 Prozent, und da hat ein CDU-Kreistagsabgeordneter ein Mandatsgebiet für rund 10.000 bis 12.000 Einwohner, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das heißt, wer in der Stadt wohnt, der mag sich noch relativ glücklich schätzen. RibnitzDamgarten, Grimmen, das wäre dann einer, aber in der Fläche wird das schon ziemlich fröhlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da hilft es auch nichts, wenn Sie dem eigenen Wirkungskreis ver
meintlich noch mehr Aufgaben geben. Wenn man mal näher hinschaut, dieses Satzungsrecht, das können sich alle sparen, das gibt es heute schon. Aber das Problem wird folgendes sein, dass die Bürgernähe der Kreistagsabgeordneten völlig verloren gehen wird oder – das ist die Quintessenz der Geschichte – wir werden nur noch hauptamtliche Bürgermeister, leitende Verwaltungsbeamte da sitzen haben, aber nicht mehr den Landwirt, nicht mehr den Unternehmer, nicht mehr den Lehrer, nicht mehr den Studenten, den wir auch haben wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist für uns Verlust von Bürgernähe, Verlust von kommunaler Selbstverwaltung.
Herr Ministerpräsident, ich bin ehrenamtlich in einer Stadtvertretung. Das ist eine Einheitsgemeinde mit 26Ortsteilen. Und wenn heute unser Bürgermeister schon deutlich macht, das, was früher das Ehrenamt getan hat, die sieben oder acht ehrenamtlichen Bürgermeister, das muss heute die Verwaltung tun, dann frage ich mich: Wie soll das in diesen Strukturen laufen? Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass Menschen jetzt elf Jahre nach der letzten Gebietsreform auch ein Stück Identität finden zum Müritzkreis, die Rüganer haben sie schon immer gehabt, Mecklenburg-Strelitz, aber auch andere Identität zu ihrem Landkreis, der gerade mal ein Jahrzehnt alt ist, auch die Identität finden im Sportbereich, in anderen Selbsthilfegruppen? Diese Beziehungen gehen völlig weg. Was wollen Sie mit diesem bürgerschaftlichen Engagement machen in diesen großen Strukturen? Ich sage Ihnen eins voraus: Die Menschen wollen einen Bezugspunkt haben, eine Beziehung. Sie lösen die Bezugspunkte, diese Beziehungen auf. Sie verlieren einfach heimatliche Identität in diesen großen Strukturen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich mal im Detail angucken, wie chaotisch dieser Gesetzentwurf ist, auch mit Blick auf andere Dinge, die wir im Augenblick behandeln. Sie nehmen hier Bezug auf Gesetze, die gerade novelliert worden sind: Landeswassergesetz, Denkmalschutzgesetz, jetzt im Sonderausschuss zum Beispiel. Sie nehmen überhaupt keine Rücksicht darauf, was dabei herauskommt. Ich wünsche dem Kollegen Müller viel Vergnügen, diesen ganzen Prozess zu beherrschen und zu koordinieren.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich mich recht erinnere, musste gerade ein Gesetz zurückgezogen werden. Ich glaube, es war die Novellierung des Gerichtsstrukturgesetzes, weil man versäumt hatte, in der Landesregierung darauf zu achten, dass das Fischereigesetz gerade verabschiedet worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, handwerklich, darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen, ist hier schon mehr als ein Fehler drin. Herr Müller, viel Vergnügen bei dieser Geschichte, denn jetzt liegt es an uns Abgeordneten insgesamt, dass wir uns nicht lächerlich machen. Die Landesregierung hat sich mit handwerklichen Fehlern in der Vergangenheit mehr als lächerlich gemacht.