Protocol of the Session on May 26, 2005

gerade dort, wenn überhaupt Kinder vorhanden sind. Und da bin ich bei der Frage, dass man sich an der Stelle ganz bewusst gegen Kinder entscheidet, weil der berufliche Werdegang aus verschiedenen Gründen heraus, die man, denke ich, nicht immer als egoistisch bezeichnen kann, schon in den Mittelpunkt gerückt wird. Insbesondere bei Frauen stellt sich explizit die Frage, wenn ich zum Beispiel im wissenschaftlichen Bereich tätig bin, wofür entscheide ich mich, um einen entsprechenden Entwicklungsweg gehen zu können.

Übrigens, und das fand ich schon interessant, hat Frau Merkel in der letzten oder jetzt in dieser Woche auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnte, wenn sie Kinder gehabt hätte, heute als Kanzlerin zu kandidieren, ganz eindeutig gesagt, sie glaubt es nicht, weil dann ihre Entwicklung mit Kindern eine andere gewesen wäre. Darüber sollte man nachdenken.

Dritter Grund, der genannt wird, sind natürlich die Chancen am Arbeitsmarkt. Darüber, denke ich, brauchen wir hier keine großen Ausführungen zu machen. Die Situation am Arbeitsmarkt ist eine sehr wichtige, denn wenn Eltern die existentiellen Grundlagen fehlen, um die Gründung einer Familie vornehmen zu können, werden sie sich nicht dafür entscheiden.

Interessant ist eine vierte Begründung. Hier wird sehr ausführlich dargestellt, dass längere Ausbildungszeiten, die wir nun aufgrund unterschiedlicher Ursachen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren hinnehmen mussten oder besser gesagt, die sich entwickelt haben, auch zu veränderten sozialen Bindungen zwischen der Herkunftsfamilie, den Eltern und ihren Kindern führen. Und die Studie zeigt hier sehr Interessantes auf. Das ist, denke ich, ein Thema, mit dem man sich auseinander setzen muss, weil es einen sehr breiten Rahmen einnimmt, und zwar auch in den Auswirkungen für Neugründungen von Familien, mit denen man umgehen sollte.

Ich zitiere aus der Studie: „Die hinausgezögerte Abhängigkeit junger Erwachsener von ihren Eltern, wie sie in Deutschland und in Südeuropa praktiziert wird, führt notwendigerweise dazu, dass Partnerschaft und neue Beziehungen in ihrer Bedeutung für die Zukunftsgestaltung der jungen Erwachsenen konkurrieren mit den Bindungen und Beziehungen zur Herkunftsfamilie, einschließlich der notwendigen Rücksichtnahmen. Ist es schon schwer genug, unter solchen Bedingungen eine eigenständige und vom Elternhaus unabhängige und selbstständige Beziehung auch als Abgrenzung zu den Eltern aufzubauen, führt die heute bestehende Bereitschaft der Eltern und insbesondere der Mütter, ihre Kinder auch bei der Haushaltsführung im gemeinsamen Haushalt der Eltern weiterhin als Kinder zu betrachten und den Service des Haushalts voll zur Verfügung zu stellen (,Hotel Mama‘),“ – Wer kennt es nicht? – „zudem noch dazu, dass sich die Motivation“ der jungen Leute, „sich aus dem Elternhaus zu lösen als einer notwendigen Voraussetzung für die Planung der eigenen Zukunft, auf den beruflichen Bereich reduziert. Möglicherweise ist es eine der großen Paradoxien des deutschen Sozialstaats, dass er mit dem Subsidiaritätsprinzip in besonders großem Umfang versucht, Familien zu unterstützen, und dadurch gleichzeitig gerade aber verhindert, dass die jungen Erwachsenen, die viel mehr Zeit als ihre Eltern in die Entwicklung ihres eigenen Humankapitals investieren müssen, sich von ihren Eltern wirklich lösen und ihre eigene Zukunft in einer Partnerschaft und mit Kindern wirklich gestalten können. Dagegen scheinen die

eher auf die Unterstützung des einzelnen jungen Erwachsenen hin konzipierten sozialen Sicherungssysteme in Frankreich und Finnland diesen Selbstständigkeitsprozess stärker zu forcieren.“

Ich denke, schon alleine an der Frage des Kindergeldes, das man in der Bundesrepublik Deutschland meiner Meinung nach diskutieren sollte, wird dieser Unterschied ganz deutlich. Warum müssen für einen 18-Jährigen, der sich in Ausbildung befindet, die Eltern das Kindergeld bekommen? Wer seine Kinder in der Ausbildung oder beim Studium hat, der weiß, welch umfangreicher Bürokratiekram immer damit verbunden ist, statt es den Kindern oder den Jugendlichen selbst zukommen zu lassen, damit diese ihren Lebensunterhalt, wenn es eine solche Unterstützung geben soll, gestalten können.

(Beifall Gerd Walther, PDS)

In diesem Zusammenhang muss man sich also folgende Frage stellen: Welche Maßnahmen wollen Sie eigentlich mit diesem Antrag erreichen? Sind es kurzgegriffene Maßnahmen, die eine finanzielle Unterstützung von Familien betreffen – und bei dieser Frage war ich gerade, so, wie es ja auch der Familienpass darstellt, den Antrag haben Sie ja in der letzten Sitzung eingebracht und angestrebt –, oder geht es um längerwirkende grundsätzliche Veränderungen, über die wir hier sprechen sollten? Ich wäre auch sehr dafür, dass man Familien ganz direkt finanziell unterstützt. Ich denke, der Großteil der hier in diesem Raum versammelt ist, kann sich noch sehr gut erinnern, dass die Familienpolitik der DDR schon eine solche Familienpolitik in diesem Sinne war. Zumindest möchte ich das einfach behaupten.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Wenn man sich einzelne Dinge, die staatlicherseits liefen – und dann kommen wir zu dem Problem, wie man dieses heute beurteilt –, anschaut, dann gab es eine ganze Menge von Maßnahmen, die familienpolitisch interessant waren und zu überdenken wären, vielleicht auch in der heutigen Zeit. Denken wir an den Ehekredit, der zinslos mit der so genannten Abschreibemöglichkeit bei einem, zwei oder drei Kindern sowieso nicht zurückzuzahlen war.

(Torsten Renz, CDU: Das stimmt nicht, reduziert.)

Denken wir an Lohnfortzahlungen im Mütterjahr,

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

nicht zu vergleichen mit maximal 600 Euro, die ich erhalten kann, wenn kein Einkommen des Partners vorliegt,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

bezahlte Freistellung bei Krankheit der Kinder, Betriebsferienlager, wo durchschnittlich 14 Tage 10 Mark kosteten – 14 Tage Ferienspiele, so Sie sich erinnern, drei Durchgänge gab’s im Sommer, ein Durchgang dauerte 1 4 Tage, symbolischer Wert von 1 Mark –, kostenfreier Hort, Mitgliedschaft in Sportvereinen für Kinder, symbolische Beiträge. Mit meinem Studentenausweis konnte ich für 25 Prozent der Fahrkosten reisen. Die Schulspeisung, von der vorhin die Rede war, die hier zu einer heftigen Debatte führte, sie kostete 55 Pfennig.

(Egbert Liskow, CDU: Und da hat man viel weniger verdient.)

Das Stipendium war rückzahlungsfrei und bei einer entsprechenden Leistung, aus dem Anreiz heraus, war auch noch ein Leistungsstipendium möglich. FDGB- und Betriebsurlaubsheime gab es, die zu relativ geringen Kosten Ferien für Familien ermöglichten. Ich könnte diese Liste weiterführen. Aber jetzt komme ich dazu, was ich eingangs schon gesagt habe. Genau diese ganzen Dinge sind 1990 im Zusammenhang mit der Wende aus zweierlei Hinsicht sehr heftig kritisiert worden. Zum einen, dass es ja zum ökonomischen Ruin der DDR geführt hat, und zum anderen, ich denke, das sollte man dabei unbedingt beachten, hat es ja auch dazu geführt, die inhaltliche Auseinandersetzung, die man bei dem ganzen …

(Tonausfall – Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Frau Schmidt, das Zeichen. – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Aber Ihre Redezeit ist auch abgelaufen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Ja, ich komme zum Ende.

Dass der verordnete Dirigismus der DDR heftig angegriffen wird, in diesem Fall die staatliche Einflussnahme, dass man damit initiiert hat, Kinder zu bekommen, das wurde insbesondere auch durch Ihre Partei sehr heftig kritisiert. Sie müssen mir schon sagen, was Sie demzufolge mit diesem Antrag erreichen wollen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich komme zum Ausgang zurück, zu dem, was Sie dargestellt haben. Glauben Sie wirklich, da Sie immer der Auffassung sind, das hat sich vorhin gezeigt, dass SPD und PDS Ihrer Meinung nach nicht in der Lage sind, eine ordentliche Politik in diesem Lande zu realisieren, unabhängig von konkreten Vorschlägen dieser Regierung Ihren Auftrag zu erteilen und dieses wirklich auch meistern zu können?

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Die Hoffnung stirbt zuletzt, Frau Schmidt.)

Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Reinhard Dankert, SPD)

Danke schön, Frau Schmidt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Renz von der Fraktion der CDU.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon nach Ihrem Vorredner gedacht, Frau Schmidt, dass wir nach dem Schauspiel, was hier abgelaufen ist, gar nicht mehr zurückfinden werden zur Ernsthaftigkeit dieser Problematik.

(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Egbert Liskow, CDU – Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus danken, dass Sie wieder die Sachlichkeit in die Diskussion zurückgebracht haben,

(Beifall Karin Strenz, CDU)

vor allem dafür, was mich im ersten Teil Ihrer Ausführungen beeindruckt hat. Vielleicht habe ich es aber auch erwartet, dass Sie hier wissenschaftlich fundierte Aussagen tätigen. Von dieser Stelle aus mein persönlicher Dank zu diesem Punkt.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Berufsschullehrer!)

Ich möchte auch gleich auf Ihre Rede eingehen, Frau Schmidt. Sie sprechen konkret zu unserem Antrag und fragen, was das soll, wie die Verfahrensweise sein soll und was wir bezwecken. Ich habe gesagt, was wir bezwecken und was unser Ziel ist. Unser Ziel ist es nicht, hier kurzfristige Showeffekte hervorzubringen,

(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

sondern unser Ziel ist es, mittel- und langfristig in diesem Land Mecklenburg-Vorpommern eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung zu garantieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das habe ich deutlich gesagt. Ich habe Ist-Zustand gesagt, dann habe ich Zielvorstellung gesagt und den Weg dorthin beschrieben. Und der Weg ist dieses Programm,

(Dr. Till Backhaus, SPD: Was für ein Programm?)

dieses Leitbild für Familien in Mecklenburg-Vorpommern. Ich wiederhole das aber, wie gesagt, auch gern an dieser Stelle. Es ist natürlich schwierig für die Opposition, Anträge durch den Landtag zu bekommen. Anscheinend fahren auch die Kollegen von der SPD hier eine neue Taktik. Über Jahre hinweg, das habe ich schon das letzte Mal in der Aktuellen Stunde gesagt, stellen Sie überhaupt keine Anträge. Stellen Sie sich hier vorne hin und sagen Sie der Bevölkerung, wann Sie den letzten konkreten Antrag zum Thema Familienpolitik gestellt haben!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Tun Sie das! Und dann werden Sie feststellen, dass der familienpolitische Bericht aus dem Jahr 1997 die letzte Aktivität war. Ich wiederhole das an dieser Stelle noch einmal, denn dort war ein familienpolitischer Bericht für das Jahr 2000 angekündigt, und zwar der dritte in diesem Lande. Das Jahr 2000 ist aber schon ein paar Tage vorbei, das muss man an dieser Stelle feststellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es. – Dr. Till Backhaus, SPD: Wo ist denn nun das Konzept?)

Sie haben nichts auf diesem Gebiet gemacht und das muss deutlich gesagt werden.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sie haben das Leitbild von der CDU abgeschrieben. – Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Vielleicht sollten wir als Fraktion einmal Ihre Hilfestellung in Anspruch nehmen. Darüber muss man jetzt ernsthaft nachdenken. Wie sollten wir denn einen Antrag formulieren zum Thema Familie, damit wir hier in diesem Land vorankommen? Wenn wir in unserem Antrag formulieren: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf“, ein Familienprogramm unter der Prämisse familienpolitisches Leitbild zu erstellen, wir fordern die Landesregierung auf, dann ist es irgendwie logisch,

(Dr. Till Backhaus, SPD: Also dann haben Sie keins. Das ist doch logisch.)