Aber was tun Sie eigentlich in dieser Situation, um diese gefährliche Abwärtsspirale aufzuhalten? Sie klopfen sich offensichtlich auf die Schulter. Herr Ministerpräsident, ich hätte erwartet, wir hätten erwartet, ich denke, auch die Menschen in diesem Land hätten erwartet, dass Sie hier eine ehrliche Bestandsaufnahme betreiben. Ehrlichkeit heißt, dass Sie benannt hätten, warum es zu diesem Problem gekommen ist, aber auch, dass Sie Ihre Lösungsansätze dargelegt hätten.
Oder stimmen Sie mit einem Minister Ihrer Landesregierung überein, nämlich mit Herrn Holter, der vor einigen Wochen gesagt hat, Anfang September, die neue Arbeitsmarktpolitik greift, die neuen Instrumente des Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramms beginnen ihre Wirkung zu entfalten?
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Also, Herr Minister Holter, ich kann nicht erkennen, was sich bei Ihnen am Arbeitsmarkt entfaltet hat. Ich kann nur erkennen, dass die Arbeitslosenzahlen im Monat November auf den höchsten Wert seit fünf Jahren angestiegen sind.
Und, Herr Ministerpräsident, wie wollen Sie mit einem Minister arbeiten – und das haben Sie heute auch wieder gefordert: Straffung von Förderung, Bündelung der Ressorts –, der am 5. September Folgendes gesagt hat: Ich, so Holter, plädiere auch weiter für eine eigenständige Arbeitsmarktpolitik – und jetzt hören Sie gut zu –, die weder ein Anhängsel der Wirtschaftspolitik noch Sozialpolitik unter anderem Namen ist?!
Herr Ministerpräsident, ich kann Ihnen nur einen guten Rat geben: Folgen Sie unserem Vorschlag! Bündeln Sie Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in einem Ressort! Das ist nicht nur ein Minister weniger, das ist auch effektives Arbeiten,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Das erleben wir gerade in Thüringen. Ha, ha, ha!)
Herr Ministerpräsident, wir haben das in unserem Sofortprogramm vorgeschlagen. Herr Ebnet hat das als lächerliches Geschwätz bezeichnet.
Das wäre die Voraussetzung gewesen, sich strukturell für mehr Wachstum und für mehr Arbeit in diesem Land einzusetzen. Was in Berlin richtig ist, das muss doch in Schwerin nicht falsch sein.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich das noch mal anschauen, dass Arbeitsmarktpolitik nicht Anhängsel von Wirtschaftspolitik sein soll, dann ist das nicht Basis von sozialer Marktwirtschaft. Dann sind das postsozialistische Ideen.
(Gabriele Schulz, PDS: Da haben wir die Ursache. – Angelika Gramkow, PDS: Die haben wir immer gesucht. – Zurufe von Rudolf Borchert, SPD, und Heinz Müller, SPD)
Und nur die dramatischen Steuermindereinnahmen zwingen Sie doch dazu, sein völlig unsinniges, ineffizientes Programm wie „Jugend baut“ jetzt abzuschaffen.
Und wenn ich Sie zitieren darf: „Die arbeitsmarktpolitischen Effekte anderer Projekte und Programme sind größer, so dass wir uns zu diesem Einschnitt entschlossen haben.“ Nun, haben Sie auch mal gesagt, wie viel Geld Sie hier ausgegeben haben, was woanders,
Herr Ministerpräsident, Sie sagen in Ihrer Regierungserklärung – und das unterstützen wir –, was nichts bringt, wird gestrichen, Förderung ist kein Selbstzweck.
Aber lassen Sie diesen starken Worten endlich Taten folgen! Streichen Sie den ganzen ÖBS! Die 60 Millionen können wir woanders viel besser einsetzen.
Herr Ministerpräsident, Arbeitsmarktpolitik ist kein Anhängsel von Wirtschaftspolitik. Eine gute Wirtschaftspolitik ist Arbeitsmarktpolitik und das ist soziale Marktwirtschaft. Denn Arbeitsplätze werden nicht in GAP-Projekten, im ÖBS, bei „Jugend baut“ geschaffen. Arbeitsplätze schaffen in diesem Land Unternehmerinnen und Unternehmer, die man bei der Existenzgründung unterstützt und bei der Existenzsicherung begleitet.
Und deswegen noch einmal dieser eindringliche Appell von meiner Seite: Überlegen Sie sich gut, was Sie mit dem ÖBS machen! Packen Sie dieses Geld rein in die Bürgschaftsprogramme, in Beteiligungskapital, in CoachingProgramme! Dann werden Arbeitsplätze in diesem Land geschaffen,
die sich auch am Markt etablieren und am Markt halten werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sie haben ganz offenbar eines der wesentlichen Probleme der nächsten Jahre zumindest verbal erkannt, und zwar das Thema schwache Eigenkapitaldecke von bestehenden Unternehmen. Aber, Herr Ministerpräsident, es reicht nicht zu sagen, zusammen mit dem Bund arbeiten wir daran, den Zugang zu Krediten zu erleichtern.
Ich lade Sie gerne einmal ein, zum Bund der Selbständigen zu gehen, mit Unternehmensberaterinnen oder -beratern zu reden und sich dann von denen erzählen zu lassen, wie Banken und Sparkassen in diesem Land heute handeln.
Ich habe in Ihrer Regierungserklärung nichts davon gehört, wie Sie a) dieses Thema strukturell angehen wollen und wie Sie es b) materiell angehen wollen.
Herr Ministerpräsident, es kann nicht weiter so sein, dass die Insolvenzen in diesem Land zunehmen. Wir hatten im vergangenen Jahr 1.300 Unternehmen, die Konkurs gegangen sind. Herr Ministerpräsident, Sie mögen ja sagen, die Bauwirtschaft muss abspecken, aber das sind 1.300 Existenzen, das sind 1.300 Familien und das sind mehrere 10.000 Mitarbeiter, die dahinter stehen.
Ich weiß auch, wie Marktwirtschaft funktioniert. Aber ich sage Ihnen nur eins, wenn Sie den einheimischen Mittelstand insbesondere sichern und stärken wollen, der sich 1990/91 selbständig gemacht hat, der keine Sicherheit mehr zu bieten hat für zusätzliche Finanzierungen, der aber weiter investieren muss, der Ergänzungsinvestitionen vornehmen muss, dann kann ich Ihnen nur dringend raten: Packen Sie das Thema mutig an und prüfen Sie Strukturen, wegen meiner gründen Sie auch eine Landesinvestitionsbank – da frage ich mich nur, wie das Hausbankprinzip dann laufen soll –, aber schaffen Sie eine Anlaufstelle für Förderung in Mecklenburg-Vorpommern und nicht drei, eine im Arbeitsministerium, eine im Wirtschaftsministerium und eine noch beim Landesförderinstitut! Dreimal ist zu viel, einmal ist richtig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Deshalb steht ja auch genau das im Koalitionsvertrag. – Torsten Koplin, PDS: Haben Sie das gar nicht gelesen? – Gabriele Schulz, PDS: Hat er überlesen, zufällig.)