Protocol of the Session on December 15, 2004

(Zuruf von Birgit Schwebs, PDS)

Wir haben in der Vergangenheit viele Modernisierungen gehabt und wir haben auch zukünftig noch einige vor uns. Wir haben Reformen in der Vergangenheit gehabt und haben Reformen vor uns. Ich nenne Beispiele: Arbeitsmarktreform, Gesundheitsreform, zukünftig vielleicht möglicherweise Verwaltungsreform, Gerichtsstrukturreform und, nicht zu vergessen, auch die Landkreise sollen ja möglicherweise reformiert werden. Die Bürger verschließen die Ohren vor solchen Dingen, weil sie Angst haben, es ginge wieder an das eigene Portemonnaie und im Grunde würde sich ja doch nichts ändern und nichts dabei herauskommen. Insoweit begegnen sie diesen Reformen und Modernisierungen mit nicht unerheblicher Skepsis, wenn nicht sogar mit Ablehnung.

Wir müssen uns die Frage stellen, ob immer alles modernisiert und reformiert werden muss. Wäre es nicht manchmal besser, den Status quo zu erhalten? Also drängt sich hier die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Förderalismusreform auf. Zugegeben, der Begriff „Förderalismusreform“ klingt nicht besonders aufregend. Man kann es auch niemandem verdenken, wenn er sich hier mit Grausen abwendet, weil er sagt, das ist ein akademisches Betätigungsfeld für irgendwelche Juristen oder Ministerialen, damit haben wir als Bürger doch überhaupt nichts zu tun.

Der Kollege Schlotmann hat vorhin gesagt: Föderalismus quo vadis? Ich bin froh, dass er das nicht wie Walter Ulbricht seinerzeit übersetzt und gesagt hat,

(Heiterkeit bei Rainer Prachtl, CDU – Torsten Koplin, PDS: Was hat er denn gesagt? – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

ich habe es mir hier notiert: Was ist denn hier los?

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Die Bundesrepublik hat sich seit der Verabschiedung des Grundgesetzes verändert. Veränderungen an sich sind ja nicht einmal besorgniserregend, denn schon die alten Griechen wussten, panta rhei – alles fließt. Veränderungen hat es sowohl gesellschaftlich gegeben vom Nachkriegsdeutschland hin zum Wirtschaftswunder über die 68er in einen Sozialstaat, der kaum das zu leisten im Stande ist, was ihm abverlangt wurde, und nicht zuletzt das, was uns allen noch in den Köpfen und in den Herzen ist, die deutsche Wiedervereinigung.

Auch das Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern hat sich in dieser Zeit erheblich verändert. Das, was die Väter und Mütter des Grundgesetzes einmal vorgehabt haben im Zusammenwirken, das ist nicht Realität geworden, sondern das hat sich zugunsten des Bundes und zulasten der Länder verändert. Aus einem Mitwirkungsrecht der Länder im Bundesrat, wie es heute schon angesprochen wurde und wie es im Grunde auch sinnvoll wäre, ist ein Blockadeinstrument geworden. Der Gedanke der Subsidiarität ist zwar noch da, er hat nicht an Bedeutung, aber doch wohl hier und da an Praxisnähe verloren. Mit anderen Worten: Eine Reform ist dringend notwendig, um Fehlentwicklungen in der bundesrepublikanischen Ordnung zu korrigieren und – Herr Rehberg hat es vorhin auch gesagt – um die Machtbalance zwischen Bund und Ländern unbedingt wieder herzustellen. Mit der Reform können die Länder Gesetzgebungskompetenzen und damit Gestaltungsmöglichkeiten zurückgewinnen, und zwar so, wie es ursprünglich geplant war. Natürlich geht dieses alles nur dann, wenn auch die Finanzierung entsprechend sichergestellt wird. Ich habe aber Angst, dass aus der groß angedachten und von den Landesparlamenten angeschobenen Reform möglicherweise nur ein Reförmchen werden könnte.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Ich sage hier eines ganz deutlich: Wenn Bund und Länder diese zweite Chance nicht nutzen – es ist nämlich bereits die zweite Chance, die hier ergriffen worden ist –, dann wird dieses Vorhaben erfahrungsgemäß lange Zeit brachliegen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

Es wird zu keinen Veränderungen kommen und wir werden den derzeitigen Status quo noch lange erhalten müssen. Es wird dann weiterhin so sein, dass Bundesgesetze in Berlin quasi in einer großen Koalition zwischen Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuss ausgehandelt werden und – der Ministerpräsident hat es vorhin auch gesagt – der Bürger überhaupt nicht mehr erkennen kann, wer hier für was welche Verantwortung trägt.

Zu begrüßen ist, dass zwei Drittel der zustimmungspflichtigen Gesetze entfallen sollen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und bedeutet eine ganz enorme Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens an sich.

Allerdings darf man auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit mancher Regelungen ins Auge fassen und anmelden wie zum Beispiel die Aufgabe der bundeseinheitlichen Besoldung von Richtern und Staatsanwälten. Diese soll nun zukünftig dem Vernehmen nach, so, wie man es bis heute hört, den Ländern übertragen werden.

Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes beinhaltet den berühmten Gleichheitsgrundsatz. Sie kennen ihn alle. Wenn aber nun alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, haben sie dann nicht auch Anspruch auf vergleichbare Richter? Wenn die Richter und die Staatsanwälte in den Bundesländern unterschiedlich besoldet werden, dann beginnt auch hier nach dem Abschluss des zweiten Staatsexamens ein Run auf die Länder, die besonders attraktiv sind, in welcher Form auch immer. Hier, meine ich, gehört ein besonderes Augenmerk auf die dritte Säule unseres Staatswesens gerichtet. Die Rechtsprechung ist eine Säule, aber hier gibt es einen gewissen Unterschied zum Berufsbeamtentum. Die Rechtsprechung ist eine dritte Säule, aber sie kann hier nicht so unterschiedlich behandelt werden, dass die Rechtsprechung, die bundeseinheitlich sein soll, und insbesondere die Qualität der Rechtsprechung darunter leidet.

(Torsten Koplin, PDS: Sind Sie für Tarifverträge? Sind Sie damit für flächendeckende Tarifverträge?)

Dass die Beamtenbesoldung zukünftig bundeseinheitlich geregelt werden soll, das scheint Einvernehmen zu sein. Ich habe allerdings heute den Eindruck gewonnen, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht nur in diesem Punkt einen Sonderweg gehen wird oder einen Sonderweg zu gehen beabsichtigt.

(Barbara Borchardt, PDS: Das stimmt doch nicht! – Angelika Gramkow, PDS: Der Ministerpräsident hat doch was ganz anderes gesagt.)

Schließlich – und das soll der letzte Punkt meiner Ausführungen sein – möchte ich noch einmal auf den Korb II und den Solidarpakt II zurückkommen. Man muss auch hier den Eindruck gewinnen, dass Sie, Herr Ministerpräsident, einen Kompromiss ablehnen und diesem nicht zustimmen werden, wenn diese Regelungen nicht, wie Frau Gramkow das auch eben ausgeführt hat, in das Grundgesetz aufgenommen werden. Ich halte das für äußerst bedenklich. Ich gehe nicht davon aus, dass solche Regelungen in das Grundgesetz gehören.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Das Grundgesetz ist nicht dafür da, gesetzliche Regelungen zu treffen. Insofern sollte eine Zustimmung hier nicht an eine solche Bedingung geknüpft werden.

(Angelika Gramkow, PDS: Das wird es auch nicht. Aber wir wollen nur die Klarheit haben, egal wo.)

Die Klarheit ist zu begrüßen, da gebe ich Ihnen völlig Recht, Frau Gramkow.

(Angelika Gramkow, PDS: Kompromiss.)

Aber man kann sie möglicherweise – und davon bin ich ganz fest überzeugt – auch auf andere Art und Weise herstellen,

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist okay.)

als dieses nun ins Grundgesetz oder mit einer entsprechenden Grundgesetzänderung zu übernehmen.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Das ist in Ordnung.)

Da gebe ich Ihnen völlig Recht.

Der Ministerpräsident hat etwa mit dem Satz geendet, dass er die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern vor die „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ stellt.

(Siegfried Friese, SPD: So hat er das gar nicht gesagt.)

Herr Ministerpräsident, ich sage hier ganz deutlich für die CDU-Fraktion: Die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung sind die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Ankermann.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe den Tagsordnungspunkt.

(Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos)

Oh, Entschuldigung, Herr Dr. Bartels.

Frau Präsidentin, ich habe eine Wortmeldung abgegeben, das steht auch im Ablaufplan.

E n t s c h u l d i g u n g , der Zettel ist hier vorne schon weg gewesen. Ich bitte Sie um Ihren Wortbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So schnell kann ein Mensch entsorgt werden.

(Zurufe aus dem Plenum: Oh, oh!)

Aber das war nicht ernst gemeint.

Ich will auf einen Aspekt hinweisen, der mich, wie Sie alle wissen, besonders beschäftigt. Ich will auch keine langen Vorreden halten, obwohl die Debatte ja gezeigt hat, wie kompliziert die Materie ist. Zu meinem Erstaunen stelle ich in der Diskussion um PISA und seine Folgen innerhalb und außerhalb der Politik immer wieder einmal fest, dass die Lösung der Probleme in einer Zentralisierung von Bildung gesehen wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass vor allem für die Schule, aber auch für die Hochschule eine solche Forderung an dem Kern der Dinge vorbeigeht. Ich glaube nicht daran, dass zentrale Regelungen den Kern des Problems betreffen und wirkliche Lösungen herbeiführen. Und deshalb sage ich ganz deutlich: Wenn es darum geht, die Überregulierungen, die durch die Bundesgesetzgebung zu den Hochschulen geschaffen worden sind, abzuschaffen, dann bin ich dabei. Und nach meiner Sicht kann das Hochschulrahmengesetz wegfallen, Herr Ministerpräsident, in Gänze.

(Beifall Ilka Lochner-Borst, CDU, und Karin Strenz, CDU)

Ich möchte kurz auf einige Argumente eingehen, die dagegen angeführt werden:

Erstens, die Einheitlichkeit. Die Einheitlichkeit wird nicht gewährleistet, das hängt mit der Frage der Qualitätssicherung und mit anderen Fragen zusammen. Ich möchte auch nach meinen Erfahrungen in meiner Familie sagen, es ist keine Frage von Bundesgesetz oder Landesgesetz. Meine Tochter ist während ihres Studiums erst von Greifswald nach Rostock gewechselt und dann von Rostock

nach Berlin. Die Probleme mit der Anerkennung ihrer vorhergehenden Leistungen hatte sie in beiden Fällen. Im ersten Fall war es nicht mit dem Überschreiten einer Ländergrenze verbunden und im zweiten Fall war es mit der Überschreitung der Ländergrenze verbunden.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Das hat etwas mit akademischem Verhalten zu tun und weniger etwas mit gesetzlichen Regelungen.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)