Protocol of the Session on September 16, 2004

und Jugendlichen des Landes? Meine Damen und Herren, 32 Prozent aller Sozialhilfeempfänger in Deutschland sind unter 15 Jahren. Der Anteil der 15- und 18-Jährigen liegt bei rund 5 Prozent. Somit bilden Kinder und Jugendliche die größte Gruppe der Sozialhilfeempfänger. Keine weitere Altersgruppe ist relativ häufiger betroffen. Daher gehört unserer Meinung nach, das sagte ich schon, die Problematik ganz besonders in den Focus gerückt. Man darf die Augen nicht vor der Realität verschließen und Schönmalerei betreiben, nur um die Zahlen für sich positiv darzustellen.

Nehmen Sie diese soeben genannten Zahlen zum Anlass, um konkrete Verfahren und Fahrpläne zur Lösung dieser Probleme aufzuzeigen. Was wollen Sie als Regierungsparteien an Konsequenzen aus so einer Ist-Analyse ziehen oder haben Sie das womöglich noch gar nicht bedacht? Nach Aufzeigen der geforderten Bestandsaufnahme sind Sie es den Menschen des Landes schuldig, aus den Zahlen den richtigen Weg abzuleiten. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass ein bloßes Aufstellen von überschaubaren Zahlenpaketen dabei nur der allererste Schritt in diese Richtung ist.

(Gerd Walther, PDS: Das haben wir auch gerade gesagt.)

Am Ende sollte ein umfassendes Lösungsprogramm – deswegen sind wir uns ja auch einig, und Sie stimmen ja auch unserem Änderungsantrag zu, das ist ganz, ganz selten – für die mit Sicherheit darin auffallenden sozialen Unterschiede stehen. Anderenfalls wäre eine Ist-Analyse überflüssig und nutzlos.

(Torsten Koplin, PDS: Es gibt trotzdem Nuancen.)

Meine Damen und Herren, nur eine kurze Ansammlung von Zahlen und Fakten vom Statistischen Landesamt Mecklenburg-Vorpommern: Im Jahre 2002 wurden in Mecklenburg-Vorpommern 421,4 Millionen Euro für Sozialhilfe ausgegeben. Damit lagen die Bruttoausgaben um 18,1 Millionen Euro oder 4,5 Prozent über denen des Vorjahres. Den Bruttoausgaben standen Einnahmen in Höhe von 44,1 Millionen Euro, das sind 2,6 Millionen Euro beziehungsweise 5,6 Prozent weniger als im Vorjahr, gegenüber, die vor allem aus der Ausstattung anderer Leistungsträger resultieren. Im Saldo ergeben sich Nettoausgaben von 377,2 Millionen Euro. Das sind 20,7 Millionen Euro oder 5,8 Prozent mehr als im Jahre 2001. Danach wurden im Jahre 2002 je Einwohner durchschnittlich 215 Euro für Sozialhilfe ausgegeben.

Ich habe dann noch weitere Daten, und zwar das verfügbare Einkommen je Einwohner nach den Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 13.720 Euro, das sind 82,9 Prozent, in der Bundesrepublik sind es im Durchschnitt 16.552 Euro und in Baden-Württemberg sind es im Vergleich dazu 17.815 Euro sowie im Land Sachsen-Anhalt 13.965 Euro. Das heißt, bei diesen liegen wir an letzter Stelle, meine Damen und Herren, und das ist natürlich, wenn es geht, so schnell wie möglich zu ändern. Das heißt also, unser Antrag, der dahin gezielt hat, diese Daten früher zu haben, früher Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, ist berechtigt.

Dann kann ich Ihnen weitere Zahlen nennen, und zwar zur Hilfe zum Lebensunterhalt. Auch da sind diese Zahlen eigentlich erschreckend. Wir haben 1996 195 Millionen ausgegeben und 1999 325 Millionen. Warum ich diese Zahlen vortrage, meine Damen und Herren der SPD- und

PDS-Fraktion? Weil Sie auch aus den Zahlen in den letzten beiden Jahren keinerlei nützliche Lösungsansätze herausgezogen haben. Also die Zahlen lagen eigentlich vor. Das zeigt doch, dass ein bloßes Auflisten von Ist-Daten und -Zahlen keinerlei Auswirkungen auf Veränderungen hat, wenn man daraus nicht Sinnvolles herauszieht. Das sollte auch Ihnen klar sein.

(Torsten Koplin, PDS: Das hat mit gesellschaftlichen Strukturen zu tun.)

Wozu also eine erneute Bestandsaufnahme, wenn einem bei den Prozentzahlen doch eher nur wieder die Tränen kommen

(Zuruf von Gerd Walther, PDS)

und wenn Sie doch nichts daran ändern?

(Torsten Koplin, PDS: Das machen Sie aber. Jetzt spekulieren Sie.)

Ein weiteres Armutszeugnis stellt folgendes Zahlenbeispiel dar: Im Jahre 2002 erreichte das verfügbare Einkommen je Einwohner 83 Prozent des Bundesdurchschnittes. Das war natürlich, wie schon gesagt, das traurigste Ergebnis. Wir lagen wieder an der letzten Stelle.

(Zuruf von Gerd Walther, PDS)

Aber auch Zahlen, die nun bereits zwei Jahre zurückliegen, haben Ihnen, meine Damen und Herren der Koalition, nichts zum Anlass gegeben, aus diesen Zahlen zu lernen und Lösungen für diese äußerst peinliche Situation zu finden.

(Beifall Karin Strenz, CDU)

Deshalb fordert die Landtagsfraktion der CDU, dieses nun endlich zu tun und den Änderungsantrag anzunehmen, was ich ja schon gehört habe. Es ist doch allseits bekannt, dass Mecklenburg-Vorpommern wirtschaftlich fast ausschließlich an letzter Stelle steht.

(Gerd Walther, PDS: Warum machen Sie den Konsens wieder kaputt? Konsens kaputt gemacht, nur, um sich zu profilieren!)

So liegt unser Land mit den Bruttolöhnen aller Wirtschaftsbereiche kontinuierlich unter dem Schnitt aller Bundesländer und sogar unter dem der neuen. Das zu wissen ist eines, aber Abhilfe zu schaffen, etwas dagegen zu tun, etwas ganz anderes. Und das ist momentan bei Ihnen, meine Damen und Herren, nicht zu erkennen.

(Torsten Koplin, PDS: Sie wollen das nicht erkennen.)

Und wenn ich die Aussagen von Herrn Mohr gehört habe, dann dürfte es eigentlich nach seinen Aussagen bei uns gar keine Armut und keinen Reichtum geben,

(Torsten Koplin, PDS: Das ist wirklich ein Problem.)

aber die Zahlen sagen einfach etwas ganz anderes aus. Ganz im Gegenteil, mit den bisherigen Gesetzen schaffen Sie eine noch viel größere Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Krank und Gesund, zwischen Jungen und Erwachsenen. Denken Sie doch nur einmal an das kürzlich eingeführte Pflegewohngeld! Auch dieses stellt keinen ausreichenden Schutz vor Armut dar,

(Torsten Koplin, PDS: Schutz vor Armut ist es auf jeden Fall. Was machen denn die anderen Länder?)

denn 29 Prozent der Empfänger müssen zusätzlich noch Sozialhilfe beziehen.

Außerdem erhielt bisher auch nur rund die Hälfte aller Antragsteller einen positiven Zuschussbescheid. Das bedeutet, bei der anderen Hälfte blieb und bleibt alles beim Alten. Wo sind also Ihre Lösungen für die Kluft zwischen Arm und Reich? Wo sind Ihre sozialen Leistungen, wenn sie benötigt werden? Bevor Sie mit Zahlen jonglieren, sollten Sie bereits konkrete Abhilfe- und Lösungskataloge vorlegen, denn Ihnen ist doch bereits zum heutigen Zeitpunkt klar, dass so eine von Ihnen geforderte Ist-Analyse nicht sonderlich rosig ausfallen wird. Wissen Sie,...

(Gerd Walther, PDS: Haben Sie denn nicht zugehört, Herr Schubert?! Reagieren Sie doch mal auf das Gesagte! Sie können doch hier nicht nur die Rede ablesen!)

Nein, kann ich nicht.

Also bevor alles weiterhin wieder die Alten und Kranken zahlen müssen und bevor die Kinderarmut ins Unermessliche ansteigt – darauf sind Sie in Ihrem Bericht nicht eingegangen,

(Gerd Walther, PDS: Doch, bin ich.)

ganz kurz nur –, sollten Sie, meine Damen und Herren der Koalition, endlich reagieren und Stellung beziehen!

(Torsten Koplin, PDS: Machen wir.)

Sprich, Sie sollten schnellstmöglich ein Landesgesetz zur Umsetzung der Reformen vorlegen und die Kinderarmut thematisieren.

Ich möchte ganz kurz noch mal auf die Presseerklärung der Ministerin eingehen,

(Torsten Koplin, PDS: Ja, das sollten Sie machen.)

und zwar sagt sie ja auch, dass sie die Ursachen bekämpfen und Wege zur Beseitigung dieser Ursachen aufzeigen will. Und wenn ich dann eine Aussage von Frau Gramkow im Radio wiedergeben darf, und zwar will man politisch Einfluss nehmen auf Armut und Reichtum. Für mich wäre schon interessant, wie das funktionieren soll. Natürlich schließt sich auch eine Frage an und die Frage wäre, wenn man der Meinung ist, dass man politischen Einfluss nehmen kann, warum man das bisher nicht getan hat,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

denn Sie sind Regierungspartei.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Ich meine, es ist schon sehr interessant, wenn man sich so äußert, seit mehreren Jahren zur Regierungspartei gehört und bis jetzt noch keine Lösung vorgelegt hat. Ich bin erst mal erfreut, dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen werden. Und wir fordern, wie gesagt, eigentlich, dass dieser Sachstandsbericht nicht, wie laut Pressemitteilung von Frau Linke, erst Ende der Legislaturperiode vorgelegt wird, sondern bis zum 30.06.2005,

(Peter Ritter, PDS: Aber dass das der erste Bericht ist, weiß er, ja?)

und uns erste Aussagen zur Ist-Analyse bis zum Februar 2005 vorgelegt werden. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Schubert.

Ums Wort gebeten hat jetzt die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Dr. Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Schon seit langem wird von Politik, Wissenschaft und von den Verbänden eine systematisch angelegte und fachlich fundierte Berichterstattung über die Armuts- und Reichtumsentwicklung für Mecklenburg-Vorpommern gefordert. Vor dem Hintergrund der Reformen der Sozialversicherungssysteme, denke ich, ist diese Forderung dringlicher denn je.

Die Gesundheitsreform, Rentenreform, die anstehende Reform der Pflegeversicherung und nicht zuletzt die Gesetzgebung zu Hartz IV wird gravierende Spuren auch in unserem Land hinterlassen. „Ein reiches Land wie Deutschland muss wissen, wie die soziale Wirklichkeit ist, und dies zur Grundlage politischen Handelns machen.“, so ein Zitat des ehemaligen Bundesarbeitsministers Walter Riester, als er am 25.04.2001 den ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vorstellte.

Der erste Armuts- und Reichtumsbericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern sollte das Ziel haben, eine genaue Analyse der sozialen Situation im Land vorzunehmen, damit Anstöße für die Sozialpolitik genauso wie für die Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zu geben. Die Begriffe „Armut“ und „Reichtum“ stehen dabei für den unteren und den oberen Rand der Wohlstandsverteilung. Wohlstand ist aber nicht nur in Parametern von Einkommen und Vermögen zu messen.

(Torsten Koplin, PDS: Genau.)