Protocol of the Session on September 15, 2004

Ich erinnere mich noch gut, dass beim Thema Funktionalreform II, bei der Gerichtsstruktur, es hier im Hohen Hause in den Ausschüssen hoch herging, weil eben die Interessen der Fachpolitiker denen der eher lokal orientierten gegenüberstanden.

(Beifall Harry Glawe, CDU – Heiterkeit bei Rainer Prachtl, CDU)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage mich wirklich ganz besorgt, ob wir als Abgeordnete dieses Landtages die Auflösung solcher Behörden, und zwar habe ich hier eine Errichtungsverordnung vom 17. Januar 1991, wie zum Beispiel Statistisches Landesamt, Landesprüfamt für Bautechnik, Landesvermessungsamt, Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Greifswald, Landesbesoldungsamt in Neustrelitz, Landesamt für Straßenbau und Verkehr in Rostock, Landesamt für Eichwesen mit Sitz in Rostock, Bergamt in Stralsund, wirklich der Landesregierung per Rechtsverordnung überlassen wollen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, eigentlich nicht.)

Das ist nämlich der materielle Punkt in diesem Gesetz, der einzig materielle Punkt, der es in sich hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Herr Kollege Müller, lesen Sie sich den Artikel 70 Absatz 2 Landesverfassung ganz genau durch. Und dann lesen Sie sich bitte noch den Artikel 8 in diesem Landesorganisationsgesetz auch ganz genau durch. Ich habe jetzt nicht geprüft, was nicht noch alles durch Rechtsverordnung an Behörden entstanden ist. Zum Beispiel sind nachträglich die Polizeidirektionen, die am 17. Januar 1991 nach Paragraph 4 Absatz 1 des Vorläufigen Statuts, mit dieser Bekanntmachung errichtet wurden, im Polizeiorganisationsgesetz geregelt worden. Also hier haben wir im Einzelgesetz schon die Sache an uns gezogen. Diese Fragen, denke ich, sollten im Ausschuss sehr gründlich diskutiert werden.

Aber, auch das muss man ganz ausdrücklich sagen, Herr Minister Timm, natürlich haben wir 1991/92 über die Sitze von Behörden anhand von strukturpolitischen Dingen entschieden. Und ich halte es auch für gut und richtig so, dass nicht alle Behörden ihren Sitz in Schwerin, in Rostock oder in Neubrandenburg haben, sondern dass auch andere Orte mit bedacht wurden. Der Sitz ist heute nicht die entscheidende Frage, was Effizienz betrifft.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Mein Votum heute ist, wirklich ganz genau zu prüfen, auch mit Blick auf moderne Technik, ob wir diese substantielle Sache aus den Händen des Landtages geben sollten oder ob wir diese substantielle Sache nicht lieber bei uns behalten sollten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss Teil 2, die besonders wichtigen allgemeinen Grundsätze der Verwaltungsorganisation. Herr Minister Timm, diese Vorschriften enthalten überwiegend allgemeine und unbestimmte Rechtsbegriffe

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

wie zum Beispiel Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, ordnungsgemäße Erfüllung, überwiegend öffentliches Interesse et cetera, et cetera. Sie werden genannt, aber nicht definiert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier wird nach meiner Auffassung eher Unklarheit als Rechtsklarheit geschaffen. Und deswegen, denke ich, sollten wir uns auch hier sehr gründlich überlegen, ich zitiere noch einmal den Paragraphen 3 Absatz 1:

(Harry Glawe, CDU: 5.)

„Bei der Übertragung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung soll der Verwaltungsträger nach den Grundsätzen einer zweckmäßigen, wirtschaftlichen, orts- und bürgernahen Verwaltung bestimmt werden.“ Meine Damen und Herren, das sind Grundsätze, die selbstverständlich sind. Es wird nur prickelnd in dem Augenblick, wo sich zum Beispiel Wirtschaftlichkeit und Orts- und Bürgernähe miteinander beißen. Natürlich möchte der Bürger seinen Bauantrag relativ ortsnah abgeben, auf der anderen Seite kann man aber sicher nicht in jeder Gemeinde, in jedem Amt, in jeder Stadt ein Bauamt einrichten, weil Spezialisten durchaus teuer sind. Und, meine

sehr verehrten Damen und Herren, dann muss man eben erläutern, nach welchen Kriterien die Zweckmäßigkeit, die Wirtschaftlichkeit oder die Orts- und Bürgernähe bestimmt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz neu sind im Übrigen diese allgemeinen Grundsätze auch nicht. Schon die Enquetekommission „Zukunftsfähige Gemeinden“ hatte sich auf Leitlinien einer Funktionalreform – ich bin sofort fertig – verständigt.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Diese einzuhalten ist eine Frage der Selbstbindung der Entscheidungsträger. Wir werden einer Überweisung dieses Gesetzes in die aufgeführten Ausschüsse zustimmen. Aber mein Fazit lautet: Dieses Landesorganisationsgesetz schadet zwar nicht, es hilft uns aber auch nicht weiter. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Rehberg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Müller.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Graf de Montesquieu, einer der geistigen Väter der modernen Staatstheorie, hat nicht nur über Verwaltung und über Gewaltenteilung gesprochen, sondern auch über die Gesetze. Er hat in diesem Zusammenhang einmal gesagt: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen“.

(Beifall Hannelore Monegel, SPD)

Und der Oppositionsführer hat hier ja in seinen Darlegungen eigentlich recht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nach seiner Auffassung nicht notwendig ist, dieses Gesetz zu machen. Dann wäre es im Sinne Montesquieus konsequent, dieses Gesetz eben nicht zu machen. Wenn wir in das Gesetz schauen, dann muss ich Herrn Rehberg sogar ein Stückchen Recht geben, es finden sich hier Formulierungen, bei denen ich mich frage, was passieren würde, wenn wir denn auf sie verzichten würden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nichts.)

Wenn Sie gestatten, darf ich mal den Paragraphen 21 zitieren. Da heißt es: „Sitz, Bezeichnung und Zuständigkeitsbereich der oberen Landesbehörden und der unteren Landesbehörden richten sich nach den bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bestehenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, so lange die Landesregierung nichts Abweichendes bestimmt.“ Wenn wir dieses so nicht festlegen würden, dann, denke ich, würden sich in der Wirklichkeit keinerlei Veränderungen ergeben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

Und von daher frage ich mich in der Tat, ob wir eine solche Festlegung treffen müssen.

Dieses, meine Damen und Herren, bezieht sich aber nicht auf das gesamte Gesetz, sondern nur auf einzelne Formulierungen. Und ich glaube, wenn man hier die Hoffnung hatte und mit Verweis auf andere Bundesländer und dortige Gesetzgebungsmaßnahmen vielleicht noch in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass ein solches Landesorganisationsgesetz die Aufgabe hat, Aussagen zu einzelnen Behörden, zu deren Auflösung, Zusammenle

gung oder ähnlichen Fragen zu geben, dann allerdings muss man sich enttäuscht sehen, denn dieses ist meines Erachtens nicht Aufgabe eines Landesorganisationsgesetzes. Hier geht es, und diese Aufgabe erfüllt das Gesetz, darum, Grundsätze festzulegen, Zielsetzungen zu formulieren und dann auf der Basis einer solchen Festlegung die Verwaltung auszurichten. Und in diesem Sinne, Herr Rehberg, wird hier das Parlament nicht an die Seite gedrängt, sondern das Parlament wird mit der Vorlage eines solchen Landesorganisationsgesetzes genau in die Rolle gebracht, die es haben muss, nämlich die Grundsätze und die Zielsetzungen für die Organisation der Verwaltung hier festzulegen, und anschließend wird danach gehandelt.

Bei diesen Grundsätzen hat der Innenminister auf die Grundsätze hingewiesen, die hier die wesentlichen sind. Und wenn wir den Paragraphen 3 uns anschauen, dann haben wir nicht nur eine Deskription des Zustands, den wir haben, sondern wir haben einen Auftrag. Der Paragraph 3 beschreibt ja die Aufgabenverlagerung möglichst nach unten als Zielsetzung, als Auftrag. Das halte ich allerdings für einen qualitativen Schritt von der Realität weg weiter hin zu einer Verwaltung der Zukunft, übrigens ein Schritt, der absolut in Übereinstimmung mit den Beratungen der Enquetekommission steht. Da haben wir ja genau dieses gewollt, was hier als Zielsetzung im Gesetz formuliert ist. Bei der Aufgabenbündelung, bei der Einheit der Verwaltung, insbesondere bei der Landesverwaltung, würde uns die Umsetzung dieses Grundsatzes in der Tat zu einer stark veränderten Verwaltungsstruktur führen, denn was wir im Moment an Verwaltungsgliederung und Zergliederung auf der Landesebene vorfinden, das ist nicht zukunftsfähig.

Zu der Frage der Einräumigkeit von Verwaltung, meine Damen und Herren. Ich komme aus dem Landkreis Uecker-Randow. Sie haben in der Presse alle gelesen, wie der Innenminister diesen Landkreis berechtigterweise zum Beispiel genommen hat, wie denn Einräumigkeit derzeit eben genau nicht hergestellt wird, indem ein Landkreis wie Uecker-Randow in der einen Frage mal zu Vorpommern gehört, in der anderen Frage mal nach Neubrandenburg gehört, eine vernünftige, eine sinnvolle Verwaltung so nicht stattfinden kann und wir dieses Ziel der Einräumigkeit definieren in diesem Gesetz, aber mit der Maßgabe bitte sehr, es dann auch umzusetzen, es dann auch zu verwirklichen. Und genau darum geht es.

In der Frage der Privatisierung reden wir nicht mehr von einem Ziel, sondern wir reden von Bedingungen, unter denen Privatisierung möglich und sinnvoll ist. Ich halte das für vernünftig. Und ich möchte hier als Letztes besonders hervorheben die Beseitigung von Doppelzuständigkeiten. Denn das, was wir – wir kennen alle das wunderschöne Beispiel mit den Bauten an Gewässern erster und zweiter Ordnung und viele, viele andere Fälle – auf diesem Feld von Doppelzuständigkeiten in unserer Verwaltung vorfinden, das ist kein haltbarer Zustand und wir müssen von solchen Zuständen weg.

Von daher wäre eine Verwaltungsreform rein theoretisch auch ohne ein solches Gesetz denkbar. Aber ich glaube, es macht sehr viel Sinn, sich zunächst einmal darauf zu verständigen, welche Ziele, welche Grundsätze, welche Prinzipien haben wir denn eigentlich für eine Verwaltungsreform, und auf dieser Basis dann die Verwaltungsreform umzusetzen. Und wenn man es so betrachtet, dann ist die Betrachtung solcher Grundsätze eigentlich viel, viel spannender, als sich nachher in der Folge der

Festsetzung von Grundsätzen mit Einzelentscheidungen zu befassen. Natürlich sind auch die Einzelentscheidungen spannend, aber die Grundsätze, auf denen sie basieren, sind eigentlich doch viel grundlegender. Von daher halte ich dieses Gesetz überhaupt nicht für überflüssig.

In einem sind wir uns einig, Herr Rehberg: Wir werden es in den Ausschüssen sehr gründlich diskutieren. Auch die von Ihnen angesprochenen kritischen Fragen werden wir selbstverständlich sehr gründlich diskutieren. Vielleicht werden wir es an der einen oder anderen Ecke auch ein bisschen entrümpeln. Aber ich glaube, dieses Gesetz ist notwendig, und deswegen ist es gut, dass es hier auf unseren Tischen liegt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Karsten Neumann, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Vielen Dank, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schulz von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte für die PDS-Fraktion erklären, dass wir der Überweisung des Gesetzentwurfes der Landesregierung in die Ausschüsse zustimmen. Bereits dem ersten Satz der Begründung zum Gesetzentwurf ist zu entnehmen, dass es darum geht, in organisationsrechtlicher Hinsicht die gesetzliche Grundlage für die von der Landesregierung beschlossene Verwaltungsreform zu schaffen. Das Zitat ist bereits heute hier gefallen. Oder anders gesagt: Für die Ziele der Verwaltungsreform sind die gebotenen gesetzlichen Vorgaben zu konzipieren.

Zunächst ist es legitim, dass die Landesregierung die Ziele der Verwaltungsreform ihrer eigenen Konzeption entnimmt, nämlich dem Eckpunktepapier vom 21. Januar 2003. Der Landtag hat aber bekanntlich am 12. Mai dieses Jahres mehrheitlich eine eigene Konzeption beschlossen, die Grundkonzeption einer umfassenden Verwaltungsmodernisierung und Funktionalreform. Deren Zielstellungen finden sich lediglich in der Problemstellung zum Gesetzestext wieder, nicht aber im eigentlichen Gesetzestext oder in seiner Begründung. Mit dieser Grundkonzeption hat der Landtag eine deutlich veränderte Gewichtung der Ziele der Verwaltungsreform vorgenommen. Zentraler Maßstab, den der Landtag an Einzelgesetze der Verwaltungsreform aber anzulegen hat, und das gilt auch für die Entwürfe der Landesregierung, ist diese von uns beschlossene Grundkonzeption.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Landesorganisationsgesetz sollen auch Versäumnisse der Gründungsphase des Landes Mecklenburg-Vorpommern ausgeräumt werden. Die Verwaltung unseres Bundeslandes ist zwar insgesamt nicht in einem rechtsfreien Raum aufgebaut worden, aber aufgrund fehlender einheitlicher Maßstäbe haben die Ministerien für ihren jeweiligen Behördenaufbau durchaus eigene Fantasien entwickelt und genau hier hat sich gezeigt, Bürokratie ist kreativer, als allgemein angenommen wird. Der Vollständigkeit halber muss ich auch hinzufügen, dass tatsächliche oder vermeintliche Spezifika unseres zu verwaltenden Landes organisatorischen Niederschlag gefunden haben.

Meine Damen und Herren, diese Situation will die Landesregierung nun mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf beenden und damit zugleich einen wichtigen Schritt in

Richtung Verwaltungsreform gehen, nämlich Bürokratie abbauen. Dabei ist es wohl das allgemeine Schicksal von Reformen, auch unserer Verwaltungsreform, dass sie oft mit ihrem Gegenteil schwanger gehen, Bürokratieabbau und Deregulierung mittels neuer Gesetze. Es sollen aber gleichzeitig, und das sei der Vollständigkeit halber ergänzt, auch ein Gesetz und Teile zweier Gesetze außer Kraft gesetzt werden.

Lassen Sie mich Aspekte des Gesetzentwurfes kurz benennen, die wir meines Erachtens in den Ausschussberatungen vertiefen müssen:

Erstens möchte ich nennen den Paragraphen 3 Absatz 2. Er fixiert den Grundsatz, wonach die von den Landesbehörden auf die kommunalen Körperschaften zu übertragenden Verwaltungsaufgaben als Aufgabe zur Erfüllung nach Weisungen im übertragenen Wirkungskreis übertragen werden. Dass den Verfassern hierbei selbst nicht ganz geheuer ist, kann der entsprechenden Begründung entnommen werden. Dieser Grundsatz widerspricht nämlich dem Willen des Landtages, wie er mehrheitlich in der Grundkonzeption zum Ausdruck gebracht wurde, diametral. Darüber hinaus würde ein Landesorganisationsgesetz in der jetzt vorliegenden Form den gesamten Reformverlauf präjudizieren oder, auf gut Deutsch, vorentscheiden, und zwar in verfassungsrechtlich bedenklicher Form. Ich verweise da nur auf das Von-Mutius-Papier vom Februar 2004, Drucksache 4/1210, insbesondere auf die Seiten 126 und 128, und hoffe, dass es noch Bestand hat. Die gleiche Problematik, dann eine kommunale Ebene tiefer, in Paragraph 3 Absatz 4.

Zweitens, meine Damen und Herren, Paragraph 3 Absatz 3 fordert, für auf untere Landesbehörden übertragene oder verbleibende Verwaltungsaufgaben eine „deckungsgleiche örtliche Zuständigkeit kommunaler Verwaltungsträger und der unteren Landesbehörden... herzustellen“. Wohlwollend übersetzt soll dies heißen, eine untere Landesbehörde ist räumlich für einen Regionalkreis zuständig, was ich bekanntlich aus kommunal- und verfassungsrechtlichen Gründen ablehne.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Aber, meine Damen und Herren, wie soll diese Deckungsgleichheit der örtlichen Zuständigkeitsbereiche unterer Landesbehörden und kommunaler Verwaltungsträger aussehen, wenn man zu diesen kommunalen Verwaltungsträgern beispielsweise auch die Gemeinde hinzuzählt? Und, nur am Rande, sollten untere Landesbehörden nicht generell abgeschafft werden?