Protocol of the Session on May 14, 2004

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wo haben Sie denn Ihre Spitzel her, Herr Kollege?)

Ich glaube, das Thema

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

verdient eine entsprechende Behandlung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Werden wir jetzt hier schon von Ihnen überwacht oder was ist hier los?)

Sie haben neben mir gestanden, meine Güte noch einmal! Stehen Sie doch dazu!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Eben. Dann diskutieren Sie doch mal mit mir!)

Hören Sie doch erst einmal zu!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das bringen Sie nämlich nicht.)

Ich hoffe, dass Sie das so behandeln, wie es sich gehört.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das werden wir dann gleich hören.)

Ja, davon gehe ich mal aus. Es wird uns ja letztendlich nicht erspart bleiben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wieso haben Sie eigentlich immer so viel Angst vor mir? Ich tue Ihnen doch gar nichts. – Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Meine Damen und Herren, die Zwischenrufe des Herrn Jäger sprechen für sich.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie hatten mich direkt angesprochen. Das ist es. – Angelika Peters, SPD: Herr Oberlehrer!)

Meine Damen und Herren, ich möchte zwei Anmerkungen machen.

(Beifall Peter Ritter, PDS – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Erstens möchte ich etwas zitieren, meine Damen und Herren. Wir alle, auch die CDU, wir alle stehen unter Beobachtung, und zwar unter Beobachtung …

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Vor allem die CDU.)

Ja, diesmal sage ich das auch einmal. Das ist wirklich nicht zum Lachen.

Wir stehen aktuell unter Beobachtung im StörtebekerNetz. Alle, die sich damit auskennen, wissen, das ist ein rechtsextremes Internetforum. Dort befindet sich ganz groß ein Artikel, ja, Artikel kann man sagen, über die heutige Sitzung, in dem man uns als Parlament und uns als Koalition bewertet, und zwar auch mit nationalsozialistischen Aufwertungen zu dem, was wir hier diskutieren wollen. Was ich damit klar machen möchte, ist, dass wir nicht so tun können, als wäre das ein Thema, das für parteipolitische Sperenzchen sein darf oder sein könnte, sondern wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es da andere gibt, die, Gott sei Dank, Gott sei Dank, nicht in diesem Parlament sitzen, die etwas anderes damit vorhaben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Das vergessen wir ganz gerne im Tagesgeschäft.

Meine Damen und Herren, eine andere Anmerkung vorweg. Es gibt seit gestern bundesweit neue Zahlen. Ich sage sie einfach nur wegen der Aktualität und weil gestern die Statistik der politisch motivierten Straftaten öffentlich gemacht worden ist. Darin steht unter anderem:

Erstens. Der Rechtsextremismus ist die größte Herausforderung unserer Demokratie.

Ich möchte nur einmal die drei Zahlen nennen, die für mich bedrückend sind, nicht beeindruckend, sondern bedrückend. Von den rund 13.900 extremistischen

Straftaten – hier beider Couleur, nämlich Links und Rechts – sind aber, um die Größenverhältnisse hier deutlich zu machen, knapp 10.800 dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Meine Damen und Herren, von den rechtsextremistischen Gewalttaten mussten wir im vergangenen Jahr 759 vermerken. Das sind nackte Zahlen! In Wirklichkeit steht dahinter das Leid von vielen Menschen, die zusammengeschlagen worden sind oder denen Schlimmeres widerfahren ist. Das sollten wir uns bei der Diskussion auch vor Augen halten.

Meine Damen und Herren, ich bin am Montag von Journalisten gefragt worden: Warum stellen Sie eigentlich so einen Antrag? Kommt damit etwa zum Beispiel zum Ausdruck, dass die Politik bei diesem Thema gescheitert ist? Oder reicht das nicht aus, was bisher beschlossen ist? Da kann man sicherlich kräftig streiten. Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Solange braunes und menschenverachtendes Gedankengut in den Köpfen herumgeistert und diese Demokratie bedroht, die wir hier alle repräsentieren, solange kann und wird es nicht sinnlos sein, wenn wir uns in diesem Parlament mit der Ideologie, die dahinter steckt, auseinander setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Torsten Koplin, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Und ich sage Ihnen ganz deutlich: Keinen Fußbreit Boden und auch nicht in den Köpfen für diese Spießgesellen!

(Beifall Reinhard Dankert, SPD, und Heinz Müller, SPD)

Sie alle haben sicherlich in den letzten Tagen schon Plakate von der NPD erlebt, aber auch von anderen, für den anlaufenden Kommunalwahlkampf. Ich sage Ihnen, wenn so etwas passiert, dass Andersdenkende an den Pranger gestellt werden und mit üblen Ausdrücken belegt werden, die Bürger im Grunde genommen so auf die Leimrute gehen sollen. Ich nenne hier ein Beispiel. Es gibt ein Plakat, das ist mir in Richtung Autobahn aufgefallen. Auf dem Plakat sind gemeinsame Bilder von Frau Merkel und Herrn Schröder zu sehen und darunter steht ein Untertitel: Lasst Euch nicht von denen ver…!

(Dr. Armin Jäger, CDU: …dingsen!)

Und wieder andere sprechen sich jetzt noch radikal gegen die EU-Osterweiterung aus, die wir hier alle als Demokraten im Parlament begrüßt haben. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, genau weil dieses Gedankengut existiert, genau deshalb müssen wir uns immer wieder hier diesem Thema widmen, ob es uns gefällt oder nicht.

Unter dem Deckmantel der Kameradschaft und hinter dem Tarnschild Widerstand gegen Sozialabbau und Globalisierung, auch schamlos versteckt hinter angeblichen Friedenspositionen agieren in unserem Land rechtsextreme Gruppierungen und versuchen, die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Selbst, das sage ich auch mit allem Nachdruck, in den Köpfen vieler Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist aus meiner Sicht Rassismus und Antisemitismus sowie Nationalismus alter Prägung vorhanden und Objekt der Begierde der Nazis. Gruppierungen wie Kameradschaftsbund Mecklenburg-Vorpommern, Pommersche Aktionsfront, Nationalgermanische Bruderschaft oder Mecklenburger Aktionsfront verteilen Hetzblätter in diesem Land à la „völkischer Beobachter“ mit Titeln wie „Der Fahnenträger“ oder „Der weiße Wolf“, in denen sie sich als nationale Sozialisten bezeichnen, soziale Themen

aufgreifen oder zum Beispiel gegen den Irakkrieg zu Felde ziehen.

Verräterisch ist unter anderem dabei auch die Aussage, dieser Krieg sei ja nur ein Krieg jüdischer amerikanischer Imperialisten. Man kann zu diesem Krieg stehen wie man will, dass das der Hintergrund ist, glaube ich, ist zwischen Demokraten unbestritten, es ist absoluter Schwachsinn, wenn nicht gar üble Hetze. Damit aber, meine Damen und Herren, bedienen sich diese braunen Herrschaften auch der Themen, die demokratische Parteien, so, wie die hier im Parlament vertretenen, in der offenen politischen Debatte mit dem Respekt vor dem Andersdenkenden diskutieren. Und da sage ich Ihnen: Hier sind alle Demokraten gefordert, ob man sich leiden kann oder nicht!

Deshalb wollen wir unter anderem mit diesem Antrag Folgendes zum Ausdruck bringen: Wie sieht es zum Beispiel draußen im Lande aus? Rechtsextremisten veranstalten Aufmärsche in Neubrandenburg, Rostock, alles in den letzten drei Wochen passiert, und anderswo. Sie ziehen mit Trommeln und schwarzen Fahnen unter den Augen der Bürger durch die Straßen. Die Bürgerinnen und Bürger versuchen, oft mit mehr als flauem Gefühl im Magen, diese dann zu meiden. Schlimmer noch, meine Damen und Herren, diese Bürger brechen ihren samstäglichen Einkauf, ihren Stadtbummel ab, um bloß diesem Faschistenpack nicht zu begegnen. Andere ziehen es vor, ihren Protest erkennbar zu machen. Sie stellen sich friedlich und mit Mut den Nazis in den Weg. Wenn wir dies als Politiker machen, dann sage ich Ihnen, ist das unsere verdammte Pflicht. Wenn das diese Demonstranten machen, der normale Bürger sozusagen, so gebührt ihm unsere Achtung und Anerkennung, und zwar ohne Wenn und Aber von allen hier.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine Damen und Herren, die braunen Marschkolonnen erheben den Anspruch, den öffentlichen Raum in diesem Land zu beherrschen, das kann man überall nachlesen. Ich sage Ihnen, dass diese Dreistigkeit unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit praktiziert wird, das kann und darf von Demokraten nicht hingenommen werden. Eines unserer Instrumente ist die Erhöhung des Verfolgungsdrucks auf erkannte Rädelsführer und Gewalttäter dieser Nazis und Neonazis. Da sich die so genannten Kameradschaften und andere Organisationen nach dem Führerprinzip organisieren, muss man genau diese Führer gezielt attackieren und mit allen Möglichkeiten und der gesamten Unnachgiebigkeit des Rechtsstaates bekämpfen.

(Peter Ritter, PDS: So ist es, Volker.)

Die drei Säulen unserer Demokratie, Regierung, Parlament und Justiz, sind hier aufgefordert und gefordert, auf allen Ebenen gemeinsam Strategien zu entwickeln und im alltäglichen Kampf gegen die Feinde der Demokratie Flagge zu zeigen.

Meine Damen und Herren, dazu zähle ich unter anderem auch die immer wieder angedeutete Notwendigkeit einer Wertedebatte in unserer Gesellschaft. Immer wieder begegnet mir und sicherlich allen anderen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen dieser Begriff in Gesprächen und bei Veranstaltungen, ob im Wahlkreis oder anderswo. Ich sage Ihnen, eine organisierte Diskussion findet aber öffentlich wahrnehmbar kaum statt, zumindest nicht bei

den von mir gerade genannten Säulen unserer Gesellschaft. Dass dies intensiver geschieht, dafür möchte ich an dieser Stelle werben. Auch dieser Verantwortung müssen wir uns hier stellen und das ist kein, wie mir vorhin unterstellt worden ist zu einem anderen Punkt, kein populistisches Angebot oder taktisches Manöver, meine Damen und Herren, sondern ich meine das wirklich ernst. Dieses Parlament will und muss ernst genommen werden! Darüber waren wir uns einig. Ich sage Ihnen, es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn es uns nicht gelingt, gemeinsam diese Diskussion zu führen, um denen, die am liebsten unsere – unsere, ganz betont, unsere – Totengräber wären, Paroli bieten zu können.

Sehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Antrag als einen Einstieg in eine solche Debatte auch um Werte hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern an! Nutzen Sie diesen Antrag, stimmen Sie ihm zu und treten Sie mit uns ohne Vorbehalte in eine solche Debatte! Lassen Sie uns mit Unternehmern, Gewerkschaften, Kirchen und Glaubensgemeinschaften, anderen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen diskutieren und dann gemeinsam – gemeinsam, das möchte ich betonen – in parlamentarische Initiativen einfließen, stärker als bisher und effektiver als bisher. Und zum Schluss noch einmal: Damit können wir den Möchtegerntotengräbern der Demokratie das Handwerk legen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Torsten Koplin, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Vielen Dank, Herr Schlotmann.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der rechtsextremistischen Szene in unserem Bundesland wurden 2003 insgesamt 1.340 Personen zugerechnet. Das sind gegenüber 2002, in dem Jahr wurden 1.500 Personen dieser Szene zugerechnet, weniger. Sie besteht aus einem harten Kern von circa 800 rechtsextremistischen Skinheads und sonstigen gewaltbereiten Sympathisanten sowie circa 290 Neonazis.

Bei den Straftaten, Herr Schlotmann hat schon einiges dazu gesagt, bewegt sich die Zahl der Fälle im Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität Rechts“ in den zurückliegenden Jahren insgesamt zwar auf einem annähernd gleichbleibenden Niveau, im letzten Jahr ging die Zahl der Straftaten glücklicherweise um 10 Prozent zurück. Von den 274 im Jahr 2003 gemeldeten Delikten der „Politisch motivierten Kriminalität Rechts“ wurden 159 als Propagandadelikte erfasst. Mehr als die Hälfte aller Fälle, nämlich 58 Prozent, sind damit diesen Straftaten zuzuordnen. 253 der 274 Delikte galten als extremistisch motiviert, 2002 waren dieses 140.